Ein „Verzahnungsdogma" in der Krisenprävention wäre schädlich

23. Mai 2017   ·   Bärbel Dieckmann

Eine bessere Koordination der Entwicklungs-, Außen- und Sicherheitspolitik ist sinnvoll. Dennoch darf es kein Verzahnungsdogma geben; das könnte zur Vermischung verschiedener Herangehensweisen und zur Instrumentalisierung von Hilfsmaßnahmen führen. Stattdessen sollte die Bundesregierung in strukturelle Krisenprävention investieren und die Agenda 2030 in allen Politikfeldern verankern.

Ausmaß und Art aktueller Krisen erfordern neue oder andere Lösungsansätze, weil die bisherigen zu wenig befriedigende Wirkung zeigten. Viel diskutiert wird in diesem Zusammenhang eine bessere Verzahnung von Entwicklungs-, Außen- und Sicherheitspolitik. Aber wer nach neuen wirkungsvolleren Ansätzen sucht, muss sich zwangsläufig auch mit den Ursachen der Krisen befassen. Dabei wird deutlich: Es sind nicht nur Despoten, Warlords und Fanatiker, die Krisen und Unsicherheit verursachen. Zu den Ursachen zählen auch die eklatante Ungerechtigkeit in der Verteilung von Lebenschancen und Einkommen, die Folgen einer weitgehend unterregulierten ökonomischen Globalisierung und des Klimawandels.

Effektive und nachhaltige Krisenbearbeitung dank besserer Verzahnung?

Die Idee einer besseren Verzahnung der drei Politikfelder ist nicht neu. Regierungen und internationale Institutionen entwickelten verschiedene Ansätze, die mit Adjektiven wie „umfassend“, „vernetzt“, „ganzheitlich“, „kohärent“ oder „integriert“ versehen waren: Vernetzte Sicherheit (deutsche Bundesregierung), Comprehensive Approach (NATO), Integrated Missions (Vereinte Nationen).

Befürworter dieses Ansatzes vertreten die Ansicht, dass nur so eine effektive und nachhaltige Bearbeitung von Krisen möglich sei. So sei zum Beispiel die Schaffung eines dauerhaften Friedens niemals nur durch militärische Mittel zu erreichen, sondern erfordere ergänzend eine wirtschaftliche und soziale Entwicklung der betroffenen Gesellschaften.

Humanitäre Hilfsmaßnahmen dürfen nicht instrumentalisiert werden

Andere hingegen befürchten, dass durch die Verknüpfung von Sicherheit und Entwicklung Entwicklungsziele wie die Reduzierung von Armut dem Sicherheitsbestreben reicher Industriestaaten untergeordnet werden könnten, dass also nicht mehr dort Entwicklungszusammenarbeit stattfindet, wo die Not am größten ist, sondern dort, wo ein sicherheitspolitischer Nutzen daraus gezogen werden kann. Besonders brisant wird diese Sorge, wenn es um humanitäre Hilfe geht, die in Situationen von Krieg und Konflikt durchgeführt wird. Denn humanitäre Organisationen brauchen Zugang zur notleidenden Bevölkerung und orientieren sich an humanitären Prinzipien – also Neutralität, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit.

Dieses Dilemma zwischen möglichst effektiver und effizienter Bearbeitung von Krisen und der Orientierung an humanitären Standards lässt sich nicht einfach auflösen. Es spricht nichts gegen eine bessere Koordination oder ein besseres Schnittstellenmanagement, aber es darf kein „Verzahnungsdogma“ geben. Das könnte die unterschiedlichen Herangehensweisen der verschiedenen Politikfelder, die ihre je eigene Berechtigung haben, in einer unzulässigen Weise einebnen und zu einer Instrumentalisierung von Hilfsmaßnahmen führen.

Vor dem Ausbruch von Gewalt handeln

Der beste Ansatz ist, in Instrumente zu investieren, die bereits vor dem Ausbruch von Gewalt und Konflikten und der Destabilisierung ganzer Regionen eingreifen. Also etwa in die Katastrophenvorsorge, Konfliktprävention und Risikoreduzierung. Dabei dürfen allerdings Länder, die sicherheitspolitisch weniger wichtig erscheinen wie etwa Niger, Tschad, Sierra Leone oder Burkina Faso, nicht vernachlässigt werden.

Die Agenda 2030 als Kompass für die Landwirtschafts- und Wirtschaftspolitik

Die Entwicklungszusammenarbeit ist durch die jüngsten Krisen deutlich aufgewertet, aber auch mit unrealistischen Erwartungen konfrontiert worden. Sie kann akute Konflikte wie in Syrien oder auch dem Südsudan nicht lösen. Sie kann auch nicht den internationalen Terrorismus besiegen oder Migration von armen in reichere Länder stoppen.

Kernaufgabe der Entwicklungspolitik ist in den kommenden Jahren, die Umsetzung der Agenda 2030 voranzutreiben; einer Agenda, die zur friedlichen Transformation einer ungerechten Weltordnung beitragen kann und gleichzeitig Veränderungen in den Entwicklungsländern praktisch unterstützt. Erfolgversprechend ist dieser Ansatz vor allem dann, wenn sich auch andere Politikfelder wie die Landwirtschafts- und Wirtschaftspolitik die Agenda 2030 als Kompass ihres Handelns zu Eigen machen.

Politikkohärenz Entwicklungszusammenarbeit

Bärbel Dieckmann

Bärbel Dieckmann ist seit 2008 ehrenamtliche Präsidentin der Welthungerhilfe. Dieser Beitrag erschien ursprünglich auf der Webseite „Deutschlands neue Verantwortung“.