Keine Angst vor Evaluierungen!

30. August 2016   ·   Andreas Wittkowsky

Gute Evaluierungen können die Wirksamkeit stabilisierender und friedensfördernder Interventionen steigern. Wichtig sind praxisorientierte Evaluierungsansätze, stringente Plausibilitätsüberlegungen und urteilsfähige Evaluatoren. Die neuen Leitlinien sollten ressortübergreifende Evaluierungsplanungen und Auswertungen stärken.

Zugegeben: Es ist herausfordernd, stabilisierende und friedensfördernde Interventionen zu evaluieren. Eskalierende oder eskalierte Krisen- und Konfliktsituationen sind unübersichtlich, ihr Umfeld ist instabil. Im Erfolgsfall leistet eine Intervention einen Beitrag zum Besseren, aber eindeutig zurechenbar oder präzise messbar ist dieser kaum. Und oft ist es schwierig, die erfolgversprechendsten Maßnahmen sofort und eindeutig festzulegen, die dann auch klare Referenzpunkte für eine Evaluierung wären.

Im politischen Raum gibt es zudem Bedenken, dass kritische Ergebnisse einer Evaluierung ein gefundenes Fressen für den politischen Gegner sind. Doch der Verzicht auf Lernprozesse vergrößert das Risiko des Scheiterns und auch dies munitioniert die Opposition. Das spricht eher dafür, die eigene Erfolgsbilanz durch praxisorientierte Evaluierungen zu stärken.

Vorteile interventionsbegleitender Evaluierungen

Je umfassender und anspruchsvoller eine friedensfördernde Intervention, desto größer ist die Notwendigkeit, auf unerwartete Ereignisse zu reagieren und die Aktivitäten systematisch anzupassen. Dabei geht es darum, Antworten zu den kritischen Fragen des Interventionsansatzes und seiner Umsetzung zu erhalten.  

Evaluierungen, die dies leisten, bieten die Chance, die eigene Strategie- und Handlungsfähigkeit zu verbessern. Dazu ist kein vollständig gesichertes Wissen über Kausalitäten erforderlich. Wichtig ist vielmehr die Selbstvergewisserung, mit ausreichend gefestigter Wahrscheinlichkeit das Richtige am richtigen Ort zum richtigen Zeitpunkt zu tun.

Vieles spricht dafür, vorrangig interventionsbegleitende Evaluierungen durchzuführen. Die besonderen Herausforderungen von Krisen und Konflikten können dabei in die Fragestellungen und das Design einer Evaluierung eingehen. So können beispielsweise die Reaktionsfähigkeit, Flexibilität und Lernfähigkeit der Intervention beurteilt werden, ebenso wie die Risikobereitschaft und –notwendigkeit in einem fragilen Umfeld.

Internationale Erfahrungen

Internationale Akteure der Friedensförderung haben ihre Aktivitäten in den letzten Jahren verstärkt evaluiert. So haben die Vereinten Nationen mehrere ihrer Peacebuilding-Missionen geprüft. Auch bilaterale Geber haben ihre Ansätze der Konfliktbearbeitung untersucht. In Deutschland gehören einige Evaluierungen zu Afghanistan, beispielsweise die des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und des Deutschen Evaluierungsinstituts der Entwicklungszusammenarbeit, zu den Pionierarbeiten.

Vor allem im entwicklungspolitischen Bereich, der auf eine lange Tradition der Evaluierung zurückblickt, ist die Evaluierung von Peacebuilding-Aktivitäten systematisch weiterentwickelt worden. Dies hat sich in den 2012 veröffentlichten Leitlinien des OECD-Entwicklungsausschusses (Development Assistance Committee, DAC) niedergeschlagen, die sieben Kriterien für die Evaluierung von Peacebuilding-Interventionen für sinnvoll erachten.

Andrew Blum argumentiert in seinem PeaceLab2016-Beitrag, dass Geber ihre Evaluierungsansätze so weiterentwickeln müssen, dass sie auch in unstabilen, fluiden Kontexten vernünftige, langfristige Aussagen treffen können – er benennt drei Schlüsselinvestitionen.

Wie eine Evaluierung gut gemacht wird

Dort, wo es Sinn macht, kommen zunehmend quantitative Methoden zum Einsatz. Doch die DAC-Leitlinien treffen auch Aussagen darüber, wie verlässliche qualitative Aussagen gewonnen werden können. Meinungsumfragen vor Ort, bei denen die Erfahrungen, Einschätzungen und Erwartungen von Zielgruppen erhoben werden oder „Peer-Group-Reviews“ unter Peacebuilding-Experten haben sich als gute Instrumente erwiesen, um Plausibilitätsannahmen zu erhärten.

Die Urteilskraft von Evaluatoren ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Denn fundierte Aussagen zu Relevanz und Wirkung einer Intervention erfordern Bewertungen, ob angemessene Konfliktanalysen durchgeführt, die Schlüsselfaktoren des Konflikts identifiziert und überzeugende Annahmen zur Wirkung getroffen wurden.

Fazit: Krisenengagement evaluieren, Wirksamkeit steigern!

Ohne Evaluierungen liefen stabilisierende und friedensfördernde Interventionen Gefahr, zwar gut gemeint, aber nicht gut gemacht zu sein. Sinnvoll ist ein pragmatischer Ansatz, der durch vernünftige Plausibilitätsüberlegungen handlungsrelevante Erkenntnisse zulässt. Eine solche Vorgehensweise ist – in Anlehnung an Max Weber – deshalb zulässig, „als der Erfolg für sie spricht, d.h. als sie Erkenntnis von Zusammenhängen liefert, welche … sich als wertvoll erweisen“.

Die Leitlinien „Krisenengagement und Friedensförderung“ eröffnen die Möglichkeit, Evaluierungen als wichtiges Instrument zur Auswertung und Verbesserung stabilisierender und friedensfördernder Interventionen der Bundesregierung zu stärken. Konkret sollte hierzu in dem neuen Grundlagendokument die regelmäßige, ressortübergreifende Planung von Evaluierungen und ihrer Auswertung verankert werden.

Evaluierung Entwicklungszusammenarbeit

Andreas Wittkowsky

Dr. Andreas Wittkowsky ist Leiter des vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) geförderten Projekts „Frieden und Sicherheit“ am Zentrum für Internationale Friedenseinsätze (ZIF) in Berlin.