Augen auf bei der Partnerwahl! Regionalorganisationen als Partner für die Friedenssicherung

06. März 2017   ·   Ingo Henneberg

Krisenbewältigung kann nur mit regionalen Partnern gelingen. Die Bundesregierung sollte auf Multilateralismus und Regionalorganisationen statt auf Hegemonialstaaten setzen. Regionale Zusammenarbeit birgt große Potentiale für die Friedenssicherung, wenn diese eine gemeinsame Strategie verfolgt, über genügend Kapazitäten verfügt und koordiniert abläuft.

„Keiner schafft es allein“, schreibt Winfried Nachtwei in seinem PeaceLab2016-Beitrag und macht damit deutlich, wie wichtig die Zusammenarbeit mit Partnern in der Krisenprävention, der Krisenbewältigung, wie auch in anderen wichtigen Fragen der Außenpolitik ist. Doch „mit welchen Partnern sollte die Bundesregierung arbeiten?“ Dies ist auch eine der zentralen Fragen des PeaceLab: Neben den engsten Partnern in der Europäischen Union gelten die Vereinten Nationen (UN) in Fragen der Krisenprävention und Krisenbewältigung zu Recht als erster Ansprechpartner, doch so wichtig die UN auch sind, so sind auch sie mit der Vielzahl an globalen Krisen und der oftmals langen Dauer von bewaffneten Konflikten alleine überfordert.

Regionale Kooperation wird zunehmend wichtiger

Glücklicherweise ist die UN lange nicht mehr die einzige Organisation, die sich die Wahrung von Frieden und Sicherheit zur Aufgabe gemacht hat. Regionale Kooperation und regionale Zusammenschlüsse werden immer wichtiger. Manche Fachleute sprechen daher schon von einer Regionalisierung der internationalen Beziehungen. Regionale Kooperation ist ein wichtiger Schritt um Frieden zwischen Staaten zu wahren, grenzüberschreitende Fragen und Probleme zu regeln, aber auch zunehmend um innerstaatlichen Herausforderungen zu begegnen. Weltweit gibt es einen ungebrochenen Trend zur verstärkten regionalen Zusammenarbeit und fast jedes Jahr werden neue Regionalorganisationen – d.h. institutionalisierte Kooperation von Staaten einer geographischen Region – gegründet. Heute gibt es rund 70 solcher Regionalorganisationen, von denen sich circa 60 Prozent dezidiert mit der Sicherung von Frieden und Sicherheit beschäftigen. Zu den bekanntesten Regionalorganisationen zählen, neben der Europäischen Union, die Afrikanische Union (AU), die Association of Southeast Asian Nations (ASEAN), die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) oder der Golfkooperationsrat. Allein im am stärksten von kriegerischer Gewalt bedrohten Afrika finden sich heute 22 solcher Organisationen, so viele wie auf keinem anderen Kontinent.

Was können Regionalorganisationen leisten?

Viele Regionalorganisationen leisten heute einen wichtigen Beitrag zur Sicherung des Friedens in ihrer Region: Sie beobachten Wahlen in den Nachbarstaaten, führen fact-finding Missionen durch und vermitteln in Konfliktsituationen. Eskaliert ein Konflikt, verhängen sie Sanktionen oder intervenieren militärisch – wie ECOWAS Anfang 2017 im Falle Gambias – und tragen nach einem Konflikt zur Entwaffnung von Kombattanten sowie zum Wiederaufbau von Staat und Infrastruktur bei. Von besonderer Bedeutung für die Krisenprävention sind die verschiedenen regionalen Frühwarnsysteme, welche Regionalorganisationen allein oder im Netzwerk eingerichtet haben.

Deutschland fördert national sowie über die EU viele dieser Regionalorganisationen und trägt durch eigene Wahlbeobachtung, Kapazitätsaufbau und Vermittlung substantiell zur Stabilisierung von Krisenregionen bei – diese Förderung sollte unbedingt beibehalten und ausgebaut werden. Regionalen Akteuren wird insgesamt eine größere Legitimität in Konfliktregionen und eine höhere Kontextsensibilisierung zugeschrieben, gleichzeitig haben die in den Regionalorganisationen vertretenen Staaten Eigeninteressen, die mit der Nähe zum Konflikt eher zu – als abnehmen. Die Stärkung regionaler Akteure darf daher nicht aus einer Haltung des Wegschiebens geschehen: So richtig es ist, dass lokale Lösungen für lokale Probleme gefunden werden, so richtig ist es aber auch, dass Deutschland und Europa weiterhin aktiv auf globale und regionale Konflikte einwirken. Die Stärkung regionaler Akteure darf nicht als Rechtfertigung für eigenes Nichthandeln genutzt werden, dies gilt insbesondere bei der Verhinderung von Massenverbrechen.

Regionalorganisationen sind meist bessere Partner als Hegemonialstaaten

Steffen Eckhard und Marius Müller-Hennig sowie Philipp Rotmann kritisieren zurecht die einseitige, unter anderem von Angela Merkel propagierte „Ertüchtigungspolitik“, bei der bestimmte regionale „Stabilitätsanker“ wie Saudi Arabien, Nigeria oder Ägypten unterstützt und gegebenenfalls auch mit deutscher Waffen- und Informationstechnik ausgestattet werden sollen. Ein ähnliches ordnungspolitisches Muster könnte sich im Kontext der Eindämmung von Migrationsströmen mit verschiedenen autoritär geführten Staaten wiederholen. Diese Art der Kooperation ist außenpolitisch kurzsichtig: Zwar mag sie vorübergehend ein Problem vermeintlich lösen, doch langfristig untergräbt eine solche Politik nicht nur die außenpolitische Glaubwürdigkeit in Menschenrechts- und Demokratiefragen, sie kann sich auch mit Hinblick auf regionale Stabilität als Bumerang erweisen. Nicht nur können Waffen gegen Nachbarstaaten oder innenpolitische Gegner eingesetzt werden, auch sind die vermeintlichen „Stabilitätsanker“ häufig nicht so stabil wie zunächst angenommen. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, wie schnell Staaten wie Nigeria ins Straucheln kommen können.

Besser als sich auf Hegemonialstaaten zu verlassen, ist es in der Regel multilateral mit Regionalorganisationen zusammenzuarbeiten. Das darf jedoch nicht heißen, vor den Problemen der regionalen Zusammenarbeit die Augen zu verschließen. Prinzipiell senkt regionale Kooperation zwar die Gefahr eines zwischenstaatlichen Krieges, ob die Zusammenarbeit aber dem Wohl der lokalen Bevölkerung dient, ist nicht immer ganz so klar: Die Kooperation zwischen autoritär geführten Staaten (zum Beispiel in der „Terrorbekämpfung“, die auch ein Deckmantel für die Verfolgung von Regierungsgegnern sein kann) ist ein neueres, vor allem in Zentralasien anzutreffendes Phänomen, dessen Fallstricken sich Außenpolitiker bewusst sein müssen. In solchen Fällen ist Kooperation nur unter Vorbehalten sinnvoll.

Kapazitäten ausbauen ist sinnvoll, aber kein Allheilmittel

Almut Wieland-Karimi lobt in ihrem Beitrag die Rolle von Regionalorganisationen, verweist aber auf die häufig vorhandenen Kapazitätsprobleme, um die ein Großteil der politischen Debatte kreist. Sie hat Recht: Die Bundesregierung sollte Regionalorganisationen wie die Afrikanische Union weiter stärken und dabei nicht nur zivile Komponenten hervorheben und Verwaltungen unterstützen, sondern bei der Schulung von Polizei und Militär insbesondere Wert auf die Wahrung der Menschenrechte und den Schutz von Zivilisten legen.

Mehr Kapazitäten alleine können aber nicht alle Probleme lösen: Neben den Problemen bei der Entscheidungsfindung in vielen Organisationen bringt die steigende Anzahl an Akteuren auch neue Probleme für die Friedenssicherung und für die deutsche Außenpolitik mit sich.

Arbeitsteilung gestalten, produktive Kooperation fördern

Gibt es in einer Region mehrere, sich teilweise überlappende Regionalorganisationen, so entstehen neue Kooperationsprobleme. Nicht nur können rechtbrechende Staaten verschiedene Organisationen durch gezielte Wahl des regionalen Forums gegeneinander ausspielen und ihre eigenen Vorteile maximieren. Es entstehen auch Zuständigkeitsprobleme. Welche Organisation soll im Fall einer Bedrohung des Friedens aktiv werden? Welche Organisation soll von Deutschland oder der EU zuerst angesprochen oder unterstützt werden? Fast zwangsläufig entstehen hier Reibungsverluste und es wird enorm viel Zeit zur Koordinierung benötigt.

In Afrika wurden mit der African Peace and Security Architecture (APSA), welche die AU mit verschiedenen kleineren Regionalorganisationen verbindet, wichtige Schritte hin zu einer besseren Koordinierung eingeleitet. Diese ist jedoch weder umfassend, noch sind wichtige Fragen wie das Verhältnis untereinander oder das zur UN geklärt. Für andere Weltregionen fehlen ähnliche Bestrebungen bisher fast völlig. Grundsätzlich könnten Regionalorganisationen die UN sinnvoll ergänzen. Zum Teil findet eine Form der Arbeitsteilung statt. Mehrfach wurden z.B. Stabilisierungsmissionen durch schnell agierende Regionalorganisationen begonnen und nach einer Zeit durch umfassendere UN-Missionen abgelöst. Ob dies zu einer Form des Subsidiaritätsprinzips oder anderen Arten produktiver Kooperation führt, ist allerdings noch weitgehend unklar.

Um hier Fortschritte zu machen und die internationale Ordnung aktiv zu gestalten, sollte die Bundesregierung ihre Erfahrungen in einer Vielzahl multilateraler Institutionen einbringen und konkrete Vorschläge zur Arbeitsteilung und Kooperationsformen zwischen verschiedenen Ebenen der multilateralen Zusammenarbeit machen. Sie sollte auf solche Organisationen setzen, die zum einen eine gute Erfolgsbilanz haben und zum anderen den europäischen Grundüberzeugungen am nächsten kommen. Sind mehrere Organisationen in einer Krise aktiv, sollten sich diese in jedem Fall auf gemeinsame Ziele und Vorgehensweisen einigen. Eine Form der Zusammenarbeit, die die Bundesregierung fördern könnte, können internationale Kontaktgruppen sein, in denen verschiedene Akteure ihre Aktivitäten abstimmen und zu einer kohärenten Gesamtstrategie zusammenführen. Damit solche Kontaktgruppen arbeitsfähig sein können, sollten in ihnen hauptsächlich Regionalorganisationen und nicht Einzelstaaten vertreten sein – dies ist bislang zu selten der Fall.

Regionalisierung darf nicht zur Erosion menschenrechtlicher Standards führen

Wie aufgezeigt ist die fortschreitende Regionalisierung der internationalen Beziehungen kein Nachteil. Regionalorganisationen können die Vereinten Nationen in der Friedenssicherung sinnvoll ergänzen und die Grundpfeiler für eine friedliche regionale Zusammenarbeit legen. Regionalisierung kann jedoch auch zur Relativierung bestehender demokratischer und menschenrechtlicher Standards und einer Fragmentierung der internationalen Ordnung führen. Deutschland hat ein hohes Interesse an einer starken UN und der Festigung der internationalen Ordnung, daher sollte sich die Bundesregierung bei allen Gelegenheiten weiterhin deutlich für universell geltende Werte und globale Normen einsetzen.

Vereinte Nationen Friedensförderung Partner

Ingo Henneberg

Ingo Henneberg forscht an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg zur regionaler Friedens- und Sicherheitskooperation sowie Friedensprozessen mit besonderem Fokus auf Afrika. Twitter: @IngoHenneberg