Aufarbeiten, anerkennen, ahnden: Eine neue Strategie der Vergangenheitsarbeit für nachhaltigen Frieden 18. September 2018 · Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Auswärtiges Amt, Bundesministerium der Verteidigung, Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, Bundesministerium der Finanzen, Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Die Bundesregierung wird in den nächsten Monaten eine ressortübergreifende Strategie zu Vergangenheitsarbeit und Versöhnung (Transitional Justice) entwickeln. Die zuständigen Ressorts laden Zivilgesellschaft und Fachleute ein, sie dabei mit Beiträgen auf dem PeaceLab-Blog zu begleiten, zu unterstützen und kritisch zu fordern. Debatten Vergangenheitsarbeit Ideen für eine Strategie der Bundesregierung in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Frieden und Entwicklung Erfolgreiche Vergangenheitsarbeit ist von zentraler Bedeutung für nachhaltige Friedens- und Versöhnungsprozesse. Das gilt insbesondere nach der Beendigung von anhaltenden bewaffneten Auseinandersetzungen oder nach der Überwindung von staatlich verantworteten Unrechtssystemen. Die Aufarbeitung, Anerkennung und rechtsstaatliche Ahndung von begangenem Unrecht unterstützen den Aufbau demokratischer, rechtsstaatlicher Institutionen und tragen als wichtige Elemente der Konflikttransformation zur Versöhnung und zur Prävention von Gewalt sowie Achtung und Gewährleistung von Menschenrechten bei. Die Bundesregierung will das kohärente und gemeinsame Handeln der einzelnen Ressorts in diesem Bereich stärken und Synergieeffekte zwischen verschiedenen Politikfeldern nutzen, um Frieden, Stabilität und nachhaltige Entwicklung systematischer zu fördern. Hintergrund und Bedarf für eine deutsche Strategie Die Leitlinien der Bundesregierung „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“ (2017) benennen die Unterstützung von Vergangenheitsarbeit als ressortübergreifende Aufgabe und kündigen die Erstellung einer ressortgemeinsamen Strategie an. Die Bundesregierung möchte sich dabei künftig konzeptionell an den vier Handlungsfeldern der international anerkannten Joinet-Prinzipien (Gerechtigkeit, Wahrheit, Entschädigung, Garantien der Nicht-Wiederholung) orientieren und für ein umfassendes Verständnis der Aufarbeitung von begangenem Unrecht, das auf der Unteilbarkeit der Menschenrechte beruht und strukturelle Ursachen von Gewalt und Fragilität berücksichtigt, eintreten. Deutschland schließt sich damit seinen wichtigsten multilateralen und bilateralen Partnern an, von denen viele in den letzten Jahren Konzepte und Strategien zu Transitional Justice verabschiedet haben. Herausforderungen Eine Strategie zu Vergangenheitsarbeit muss veränderten Kontexten Rechnung tragen. Nachdem in den 1990er Jahren Aufarbeitungsprozesse weltweit überwiegend im Übergang von autoritärer Herrschaft zu Demokratie stattfanden, sind sie nun zu einem zentralen Bestandteil des internationalen Engagements vor allem in Nachkriegssituationen und Friedensprozessen geworden. Hinzu kommt die extrem hohe, auch globalisierungsbedingte Komplexität heutiger Konflikte, die häufig Zielkonflikte und Dilemmata für Maßnahmen der Vergangenheitsarbeit hervorruft. Diese Konflikte sind mehr denn je geprägt von fragiler Staatlichkeit, asymmetrischer, innerstaatlicher und grenzüberschreitender Gewaltausübung sowie langer Dauer. Die Bundesregierung entwickelt eine Strategie zu Vergangenheitsarbeit. Sie lädt Zivilgesellschaft und Fachleute herzlich ein, sie mit Beiträgen auf dem PeaceLab-Blog zu begleiten und gerne auch kritisch zu fordern. Nicht einzelne Maßnahmen, sondern ein Gesamtansatz ist demnach geboten. Dieser muss kontext-, kultur- und geschlechterspezifisch sein, bereits bestehende Verfahren der Konfliktlösung, lokale Selbstverantwortung und das wechselseitige Wirken staatlicher und nicht-staatlicher Akteure berücksichtigen. Politische und justizielle Prozesse und Institutionen sind dabei ebenso relevant wie Aufbau neuen Vertrauens in den betroffenen Gesellschaften. Vergangenheitsarbeit als Feld besonderer deutscher Verantwortung Vor dem Hintergrund des Umgangs mit der eigenen Geschichte weist Deutschland besondere Erfahrungen im Bereich Vergangenheitsarbeit auf. Die zahlreichen staatlichen und zivilgesellschaftlichen Initiativen zur Aufarbeitung von Krieg und Diktatur in der Bundesrepublik Deutschland sowie die Anerkennung und Entschädigung von Opfern im Rahmen der Wiedergutmachung zeigen dabei auch, welche Komplexität und welche Dauer Vergangenheitsarbeitsprozesse in einer Gesellschaft aufweisen. Des Weiteren hat sich Deutschland frühzeitig mit dem Zusammenwirken von Vergangenheitsarbeit, Friedensförderung und Entwicklungszusammenarbeit befasst. Mittlerweile blickt die deutsche Außen-, Sicherheits-, und Entwicklungspolitik auf über zwei Jahrzehnte staatlicher und zivilgesellschaftlicher Ansätze der Vergangenheitsarbeit und Versöhnung in zahlreichen Kooperationsländern zurück. Bei der Aufarbeitung der Rolle von Streitkräften und deren Reform ist zudem die Expertise der Verteidigungspolitik wichtig. Debattieren Sie mit! Wie sollte die Bundesregierung ihre Ziele im Bereich der Vergangenheitsarbeit künftig verfolgen? Welche Zielkonflikte und Dilemmata ergeben sich allgemein in der Praxis der Vergangenheitsarbeit – und wie sollte Deutschland mit diesen umgehen? Unter welchen Bedingungen sollte die Bundesregierung sich im Bereich der Vergangenheitsarbeit engagieren – und wann nicht? Welche Konzepte und „lessons learned“ internationaler Partner sind auch für die deutsche Debatte relevant? Welche Erfahrungen im Schnittstellenbereich zu Rechtsstaatsförderung, Sicherheitssektorreform und Mediation sollten für eine kohärente Ausrichtung beachtet werden? Wir laden Zivilgesellschaft und Fachleute herzlich ein, uns in den nächsten Monaten mit Beiträgen auf dem PeaceLab-Blog bei diesen Überlegungen zu begleiten, zu unterstützen und gerne auch kritisch zu fordern. Debatten Vergangenheitsarbeit Ideen für eine Strategie der Bundesregierung in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Frieden und Entwicklung Friedensförderung Zivilgesellschaft Frieden & Sicherheit Transitional Justice Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Herr Dr. Stefan Oswald, Leiter der Abteilung 2, Marshallplan mit Afrika; Flucht und Migration Auswärtiges Amt Herr Rüdiger König, Abteilungsleiter für Krisenprävention, Stabilisierung, Konfliktnachsorge und Humanitäre Hilfe Bundesministerium der Verteidigung Herr Dr. Géza Andreas von Geyr, Abteilungsleiter Politik Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat Herr Thomas Binder, Leiter der Abteilung G, Grundsatz und Planung Bundesministerium der Finanzen Herr Uwe Schröder, Leiter der Abteilung V, Föderale Finanzbeziehungen, Staats- und Verfassungsrecht, Rechtsangelegenheiten; Historiker-Kommission Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz