Korruptionsbekämpfung als Kernpunkt der Rechtsstaatsstrategie

22. Februar 2019   ·   Daniel Heilmann

Rechtsstaatlichkeit und Korruptionsbekämpfung bedingen sich gegenseitig. Daher muss die Bundesregierung das Thema Antikorruption in ihrer Strategie berücksichtigen und sich besonders auf drei Punkte konzentrieren: (1) Reformen zu besserer Regierungsführung, (2) die Stärkung der Transparenz im öffentlichen Sektor und (3) die Einbindung innovativer Ansätze wie Big Data Tools.

Debatten

in Zusammenarbeit mit dem RSF-Hub der Freien Universität Berlin

Die Integrität des Staates und seiner Organe ist Grundlage aller Rechtsstaatlichkeit. Deshalb gefährdet Korruption den Rechtsstaat und mit ihm das gesamte demokratische Grundprinzip. Sie kann zu negativen Auswirkungen auf wirtschaftlicher, sozialer und politischer Ebene führen. Korruption erschwert die Armutsbekämpfung in Entwicklungsländern und untergräbt soziale Stabilität. Eine deutsche Strategie zur Rechtsstaatsförderung muss sich zwangsläufig mit der effektiven Bekämpfung von Korruption auseinandersetzen. 

Korruption führt zu Vertrauensverlust in Staatsorgane

Im hier verwendeten Kontext bedeutet Korruption den Missbrauch eines öffentlichen Amtes, um einen Vorteil zu erlangen, auf den kein rechtlicher Anspruch besteht. Das eigene Interesse wird in unzulässiger Weise über das Allgemeinwohl gestellt. Eine unabhängige, integre Justiz ist daher für den Rechtsstaat essentiell. Ist die Justiz von Korruption unterwandert, so verliert der Rechtsstaat seine Durchsetzungskraft und wird ineffektiv, da er den Bürgern keine Rechtssicherheit und Gleichheit vor dem Gesetz gewährleisten kann. 

Dies ist in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern der Fall. Korruption ist dort oft eine Folge der Armut und teilweise von unzureichender Bezahlung im öffentlichen Sektor und fehlgeleiteten Interaktionsmechanismen. Doch auch in wohlhabenderen Ländern kann Korruption und mangelnde Rechtssicherheit dafür sorgen, dass Volkswirtschaften stagnieren, wenn z.B. Investitionen ausbleiben und Wettbewerbsbedingungen verzerrt werden.

Auch im Bereich der Legislative und Exekutive ist Korruption ein ernstzunehmendes Problem. In Indonesien z.B. wurde der Sprecher des nationalen Parlaments (DPR) kürzlich verurteilt, da er ca. 170 Millionen USD aus öffentlichen Mitteln veruntreut und unter zahlreichen Parlamentariern verteilt hatte. Das Beispiel verdeutlicht, dass Korruption das Erreichen von Entwicklungszielen erschwert und notwendige Reformprozesse verzögern oder ganz zum Erliegen bringen kann.

Systemische Korruption führt zum Vertrauensverlust der Bürger in die Staatsorgane. Schlimmstenfalls kann das Populisten stärken, wenn die politischen Institutionen verwundbar werden und die öffentliche Verwaltung nicht ordnungsgemäß und verfassungstreu ihre Aufgaben erledigt.

Korruption ist fester Bestandteil autokratischer Strukturen 

In Autokratien ist Korruption oft ein fester Bestandteil der staatlichen Strukturen. Hier führt die Aufweichung der Gewaltenteilung und die Ämter- und Machtkonzentration in wenigen Händen meistens zu korrupten Praktiken. So können auch formal korrekt erlassene Gesetze die Vorteilsannahme von Amtsträgern oberflächlich legal erscheinen lassen. Man spricht dann von einem System, in dem nicht die „Rule of Law“, sondern die „Rule by Law“ gilt. 

In einem funktionierenden Rechtsstaat können sich Amtsträger nicht über das Gesetz stellen, in einem System der „Rule by Law“ ist genau dies angestrebt. Während der Rechtsstaat einem klaren Wertesystem folgt (hierzu gehören Demokratie, individuelle Freiheit, Gleichheit vor dem Gesetz), ist die „Rule by Law“ reiner Legalismus und öffnet dem Missbrauch Tür und Tor. Die Allgemeingültigkeit der Gesetze wird außer Kraft gesetzt; sie ist jedoch wesentliche Bedingung und Folge des Rechtsstaats zugleich. Autoritäre Systeme nutzen dies aus um den Staat zu plündern.

Ein Staat, der systemische Korruption zulässt und an Transparenz und Rechenschaftspflichten nicht interessiert ist, ist kein Rechtsstaat. Auf Dauer zermürbt Korruption den Staat und höhlt ihn aus. Darunter leiden die Schwachen und Unterprivilegierten einer Gesellschaft am meisten, da ihnen der Zugang zu Dienstleistungen, Bildung und Gesundheitssystem oftmals verschlossen bleibt. 

Das scharfe Schwert der Transparenz

Die Bekämpfung von Korruption fordert Staat und Gesellschaft gleichermaßen heraus. Aufgrund starker Beharrungskräfte sind Fortschritte im Kampf gegen Korruption oftmals mühsam. Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung sind eng mit Reformen zu guter Regierungsführung und Rechtsstaatlichkeit verbunden. Hierbei steht ein breites Arsenal an Mitteln zur Verfügung. In der Regel handelt es sich um Verwaltungsreformen, Justizreformen, den Abbau von sinnlosem Formalismus und Bürokratie („Red Tape“), die Einsetzung spezieller Kommissionen und die Verschärfung der Strafverfolgung (z.B. zur Verhinderung von Nepotismus). Ziel ist es, die Optionen von korruptem Handeln für Amtsträger zu verringern. 

Stärkung der Transparenz im öffentlichen Sektor ist eine weitere wesentliche Säule der Korruptionsbekämpfung. Denn Transparenzgebote zwingen staatliche Stellen zur Rechenschaft gegenüber den Bürgern. Zusammen mit einer funktionierenden Justiz ist dies ein scharfes Schwert im Kampf gegen Korruption. Praktisch bedeutet höhere Transparenz z.B. Dokumentationspflichten und die Nachverfolgbarkeit von Zahlungsvorgängen. Auch moderne E-Governance-Systeme sind wichtige Bausteine, um Korruption zu erschweren bzw. gar nicht erst die Möglichkeit zu korruptem Handeln zu eröffnen. 

Neue Ansätze mit Big Data Tools

Die Bundesregierung sollte in ihrer Strategie aber unbedingt auch neue Ansätze der Korruptionsbekämpfung berücksichtigen. Erfolgsversprechend ist z.B. die Einbeziehung von Big Data Tools in die Korruptionsbekämpfung. Diese Methoden können - unter gesetzlich festgelegten Voraussetzungen - große Datensätze auf verdächtige Parameter hin kontrollieren. So können Ermittler Auffälligkeiten schneller und gezielter identifizieren als es mit herkömmlichen Methoden möglich ist. 

Auch im Kontext der Prävention sollte die Bundesregierung vielversprechende Ansätze weiter auszubauen. Hierzu gehören die internationalen Transparenz- und Integritätsinitiativen (z.B. die „Extractive Industries Transparency Initiative“), welche zu einem größerem Problembewusstsein und besserer Selbstkontrolle beitragen. Die bestehenden Initiativen sollte Deutschland als Instrument der Entwicklungszusammenarbeit ausbauen, um Antikorruption in Entwicklungsländern systematisch zu verankern und den Wissenstransfer und Kapazitätenaufbau zu stärken. Hierbei sollten deutsche Akteure einen umfassenden Ansatz verfolgen, der staatliche Institutionen, die Zivilgesellschaft und den privaten Wirtschaftssektor gleichermaßen einbezieht und zur Verbreitung von globalen Standards beiträgt.

Wer Korruption ignoriert, kann keine Wirkung erzeugen

Auf internationaler Ebene ist auch die Stärkung des UN-Abkommens zur Bekämpfung von Korruption aus dem Jahr 2005 ein guter Anknüpfungspunkt, um in die Rechtsstaatsstrategie einzufließen. Da Korruption auch grenzüberschreitende Auswirkungen hat, ist internationale Abstimmung zu ihrer Bekämpfung notwendig und stärkt zugleich Rechtsstaatlichkeit. Denn Rechtsstaat und Korruptionsbekämpfung bedingen sich gegenseitig: nur ein Rechtsstaat verfügt über die notwendigen Mittel um Korruption zu unterbinden - und vice versa kann nur ein Staat ohne systemische Korruption auch ein Rechtsstaat sein.

Eine Strategie der Bundesregierung zur Förderung von Rechtsstaatlichkeit in Entwicklungs- und Schwellenländern, die das Thema Antikorruption umgeht, wird ebenso wenig bewirken wie Projekte, in denen diese Problematik nicht berücksichtigt wird. 

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