Zivilgesellschaft in der Krisenprävention und Friedensförderung

26. Oktober 2016   ·   PeaceLab2016-Redaktionsteam

Am 5. Oktober 2016 veranstalteten die Plattform Zivile Konfliktbearbeitung, das Forum Menschenrechte, der Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe und das Konsortium Ziviler Friedensdienst den PeaceLab2016-Workshop Zivilgesellschaft als Akteur zur Prävention von Gewaltkonflikten und für Friedensförderung.

Der Workshop brachte VertreterInnen der Zivilgesellschaft aus Deutschland und aus Partnerländern, der Wissenschaft und der Bundesministerien zusammen, um Fragen nach politischen Rahmenbedingungen und Förderinstrumenten für die Arbeit zivilgesellschaftlicher Akteure nachzugehen. Welche Rolle spielt die Zivilgesellschaft in der Prävention von Gewaltkonflikten und der Friedensförderung? Welche politischen Herausforderungen, welche Dilemmata und Grenzen bestehen bei der Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen? Mit Blick auf die neuen Leitlinien der Bundesregierung zu Krisenengagement und Friedensförderung erarbeiteten die ExpertInnen in drei Arbeitsgruppen Empfehlungen zur Förderung von und Arbeit mit zivilgesellschaftlichen Partnern.  

Die Zusammenarbeit mit der lokalen Zivilgesellschaft sei zentral für eine erfolgreiche Arbeit in der Krisenprävention, Stabilisierung und Friedensförderung, so die TeilnehmerInnen. Lokale zivilgesell­schaftliche Akteure hätten in der Regel eine einmalige Expertise und tiefergehendes Wissen zu Konfliktursachen als externe Akteure. In Friedensprozessen seien sie der Schlüssel dafür, dass die Interessen und Bedürfnisse der Bevölkerung repräsentiert und vermittelt würden. Die Bundesregierung und die deutsche Zivilgesellschaft sollten daher lokale zivil­gesellschaftliche Akteure bei ihrer Analyse des Konfliktkontextes einbeziehen und durch das Bereitstellen von Dialogräumen unterstützen, so die TeilnehmerInnen des Workshops. Die Bundesregierung könne durch Druck auf staatliche Akteure vor Ort den politischen Rückhalt für die Arbeit von Zivilgesellschaft stärken und immer wieder darauf hinwirken, dass lokale zivilgesellschaftliche Akteure in politische Entscheidungen einbezogen würden. Angesichts schwindender Handlungsspielräume („shrinking spaces“) für regierungskritisches zivilgesellschaftliches Engagement in vielen Ländern und Regionen der Welt werde eine entsprechende pro-aktive und kohärente Politik und Prioritätensetzung durch die deutsche Regierung immer wichtiger.

Partnerschaft und Dialog zwischen Staat und Zivilgesellschaft fördern

Die erste Arbeitsgruppe befasste sich mit den Herausforderungen, Erfahrungen sowie Instrumenten und politischen Strategien staatlicher Unterstützung zivilgesellschaftlicher Akteure in der Friedens­förderung. Die grundsätzliche Herausforderung in der Zusammenarbeit bestünde darin, eine starke Partnerschaft zwischen Staat und Zivilgesellschaft aufzubauen. Eine erfolgreiche Partnerschaft ginge über die Bereitstellung finanzieller Ressourcen deutlich hinaus: Vor allem ginge es auch um echte Partizipationsmöglichkeiten und den Austausch von Ideen.  

Dieser Austausch sollte, so die TeilnehmerInnen, durch einen kontinuierlichen Dialog sichergestellt werden. Die Bundesregierung und zivilgesellschaftliche Organisationen müssten gemeinsam die politische Strategie verfolgen, Dialogräume zu schaffen, in denen staatliche und zivilgesellschaftliche Akteure offen über die politischen Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit diskutieren sowie gemeinsam lernen und reflektieren könnten. Dies erfordere auch eine stärkere Einbindung und personelle Ausstattung der deutschen Botschaften vor Ort, um solche Dialogräume anbieten zu können. Für den verstärkten Dialog in Deutschland könne der Beirat Zivile Krisenprävention weitere Ideen zur zukünftigen Gestaltung einbringen, so ein Vorschlag in der Diskussion.  

Für den Aufbau einer Partnerschaft müssten die Bundesregierung sowie deutsche zivilgesellschaftliche Akteure und Implementierungsorganisationen zudem ausreichend Zeit und Geld in die sorgfältige Prüfung und Auswahl von lokalen Partnern investieren. Dafür sei es wichtig, die Erwartungen in Deutschland  anzupassen: Es gäbe keine schnellen, kurzfristigen und billigen Lösungen. Basierend auf der Annahme, dass die Beteiligung der lokalen Zivilgesellschaften zentral für die Lösung von Konflikten ist, müsse sich deutsches Engagement an den Vorstellungen der lokalen Zivilgesellschaft von Frieden und Sicherheit orientieren. Dafür müsse auch Zusammenarbeit mit Partnern erfolgen, die den zivilgesellschaftlichen Organisationen aus Deutschland nicht unbedingt ähnlich sind, aber die lokalen Kontexte und Konflikte besser kennen würden. Die geeigneten Partner unterschieden sich dabei oftmals je nach zeitlichem Kontext des deutschen Engagements. Mit Blick auf die neuen Leitlinien forderten die ExpertInnen, die vielseitigen Funktionen zivilgesellschaftlicher Partner in unterschiedlichen Kontexten anzuerkennen und frühzeitig „change agents“ zu identifizieren und durch verschiedene Kanäle zu unterstützen, um Friedensprozesse in fragilen Kontexten voranzubringen. Gleichzeitig sei es aber auch wichtig, die Kommunikationskanäle mit weniger gleichgesinnten Akteuren (bis hin zu sogenannten „spoilern“) aufrechtzuerhalten.

Menschenrechtsschutz als integraler Bestandteil von Krisenprävention und Friedensprozessen

Wie können und sollten Deutschland und die internationale Gemeinschaft mit dem Trend zur Einschränkung von Handlungsspielräumen („shrinking spaces“) für die Zivilgesellschaft in Partnerländern umgehen? Wie können externe Akteure zu Friedensprozessen und der Förderung von Menschenrechten beitragen? In der zweiten Arbeitsgruppe beschäftigten sich die Teilnehmer mit den Handlungsspielräumen für zivilgesellschaftliche Organisationen in der Friedensförderung und Menschenrechtsarbeit. Die Leitlinien müssten, so die Teilnehmer im Konsens, auch als Referenzdokument für Verhandlungen mit Partnerregierungen ein klares politisches Bekenntnis zur Rolle, Vielseitigkeit und Unabhängigkeit von Zivilgesellschaft sowie eine Verpflichtung, diese zu schützen und fördern, enthalten. Dabei müssten Menschenrechtsschutz und der Schutz von Frauenrechten als integrale Bestandteile von Krisenprävention und Friedensprozessen anerkannt werden.  

Zudem sollten die Leitlinien effektive Standards und Strukturen für eine sinnvolle Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft in Partnerländern sowie in Deutschland schaffen. Die anwesenden ExpertInnen aus der Zivilgesellschaft kritisierten, dass die Beziehungen zur lokalen Zivilgesellschaft und MenschenrechtsverteidigerInnen sowie das deutsche Engagement zu Menschenrechtsfragen vor Ort zu oft vom Interesse individueller BotschaftsmitarbeiterInnen abhingen. Stattdessen sollte die Zusammenarbeit mit der lokalen Zivilgesellschaft integraler Bestandteil der Diplomatenausbildung sein, das Wissensmanagement innerhalb der Botschaften und anderen deutschen Organisationen vor Ort verbessert werden.    

Priorität für langfristige Friedensförderung

Die dritte Arbeitsgruppe ging der Frage nach, wie langfristige Friedensförderung und kurzfristige Stabilisierung im Hinblick auf die Arbeit der Zivilgesellschaft in Deutschland und in Partnerländern vereinbart werden kann. Vor einem möglichen deutschen Engagement in Stabilisierung und Friedensförderung sollten nach Aussagen der TeilnehmerInnen stets hinreichende Analysen der lokalen Kontexte und Konflikte unternommen und so früh wie möglich das Handeln der verschiedenen Bundesministerien koordiniert werden. Lokale Perspektiven und Expertise sollten von Beginn an in diese Analyse- und Koordinationsprozesse sowie später in die Programm- und Projektplanung miteinbezogen werden. Projekte im Bereich der Stabilisierung und Friedensförderung sollten sich dabei zudem an einem do-no-harm-Ansatz ausrichten und konfliktsensibel gestaltet werden.    

Priorität bei Projekten in Friedensförderung und Stabilisierung sollte ein langfristiges Investment in die Friedensförderung sein, so die TeilnehmerInnen der Arbeitsgruppe. Investitionen in langfristige Kapazitäten für die Konflikttransformation sollten dabei frühzeitig – das heißt bereits vor dem Ausbruch einer Krise – unternommen werden und von politischer und institutioneller Unterstützung für die lokale Zivilgesellschaft begleitet werden. Internationale Akteure sollten sich hierzu bereits vor Beginn ihres Engagements koordinieren, um gemeinsame, umfassende Ziele und Visionen für das entsprechende Land zu entwickeln und zu fördern.

Finanzierungsmechanismen überarbeiten 

Alle Arbeitsgruppen kamen zu dem Ergebnis, dass Fördermechanismen und -regeln überarbeitet werden müssten: Der Aufbau und das Erhalten von langfristigen Partnerschaften mit der lokalen Zivilgesellschaft erforderten auch langfristige Finanzierung und Flexibilität von Projektmitteln. Jährliche Projektzyklen und sehr themen- und zielgruppenspezifische Projektfinanzierung stünden dem entgegen. Es müssten außerdem Fördermechanismen gefunden werden, die auch die Unterstützung von kleineren Projekten und NGOs ermöglichten, da sonst immer nur die großen und bekannten NGOs Fördergelder erhalten würden. Langfristig, so waren sich die TeilnehmerInnen einig, müsste der Haushaltsausschuss des Bundestags Änderungen vornehmen. Dafür sollten sich sowohl zivilgesellschaftliche Organisationen in Deutschland als auch die betroffenen Bundesministerien einsetzen, so die TeilnehmerInnen.