Den eigenen Waffen begegnen

07. Dezember 2016   ·   Livianne Smukalla

Passen Krisenprävention und Rüstungslieferungen zusammen? Dieser Frage gingen am 27. Oktober knapp 100 Studierende im Austausch mit Experten aus Wissenschaft und Politik an der Universität Heidelberg nach. Organisiert wurde die Veranstaltung vom Bundesverband Sicherheitspolitik an Hochschulen (BSH) im Rahmen der PeaceLab2016-Debatte.

In der Neuen Aula der Universität steht in jeder Ecke eine Gruppe junger Menschen im Halbkreis um einen der vier Experten. Die Gespräche sind angeregt und ernst zugleich. An die einstündige Workshop-Phase schließt eine gemeinsame Podiumsdiskussion an, die vom Herausgeber des Adlas Online-Magazins für Außen- und Sicherheitspolitik, Stefan Dölling, moderiert wird. Die Mehrheit im Saal äußert sich kritisch zu den deutschen Rüstungslieferungen, insbesondere wenn die Empfängerstaaten als instabil gelten. Rüstungsexporte könnten zwar nicht generell als illegitim beurteilt werden, sagt Dr. Max Mutschler vom Bonner International Center for Conversion (BICC), allerdings sei die breite Verfügbarkeit von Waffen ein zentrales Problem in Konflikten. Dass Waffen äußerst langlebig seien und über Umwege in die falschen Hände geraten könnten, „merken wir jetzt im Jemen, in Mali, in Syrien und in Libyen.“ Das seien die Folgen von Entscheidungen, die Jahrzehnte zurücklägen und aus denen wir lernen müssten, fordert Dr. Mutschler: „Waffenexporte sind eine wichtige Stellschraube, an der wir drehen können, um Konflikte zu verhindern.“

Auch Oberst a.D. Reinhard Barz, zuletzt Kommandeur des VN-Ausbildungszentrums der Bundeswehr, hält Rüstungsexporte in fragile Staaten für gefährlich und rät zu Vorsicht bei Waffenexporten. Das Beispiel Mali zeige, dass Waffenlieferungen und Ertüchtigung eine kurzfristige Lösung zu sein scheinen. Aber „kein Bundeswehrsoldat will in einem Auslandseinsatz deutsche Waffen auf sich selbst gerichtet sehen.“ Daher spiele die Auswahl und Prüfung der Ausbildungspartner und Waffenempfänger eine wichtige Rolle. Als Vertreter des Auswärtigen Amts bekräftigt Dr. Georg Schulze Zumkley, die Aufgabe der Bundesregierung sei „sicherzustellen, dass Waffen nicht in die falschen Hände geraten“. Mit Verweis auf die Unterstützung der Peschmerga im Nordirak vertritt er die Auffassung, dass es „in einer Welt, in der Waffen in den falschen Händen sind, auch Waffen in guten Händen braucht.“

Dr. Marcel Dickow von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) mahnt hingegen an, „in Situationen, in denen hoher Handlungsdruck besteht wie in Mali oder im Nordirak, genauer und kritischer hinzuschauen und an anderen Stellen zu überlegen, ob Lieferungen wirklich sinnvoll sind, wie zum Beispiel nach Katar oder Saudi Arabien.“ Hinzu komme, dass sich zukünftige politische Entwicklungen nur schwierig vorhersehen lassen - den Arabischen Frühling habe keiner kommen sehen, und die Waffen, die kurz zuvor noch an Ägypten geliefert worden waren, seien auf einmal in Libyen wieder aufgetaucht. Dr. Schulze Zumkley merkt an dieser Stelle mit Blick auf die Studierenden im Publikum an, dass „wir mehr Regionalwissen und Kenntnisse der Akteure vor Ort brauchen“, um die Auswirkungen von Waffenexporten besser absehen zu können.

Laut Dr. Dickow trage außerdem das Fehlen einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU dazu bei, dass anstatt einer europäischen Rüstungsexportpolitik nationale Exportabhängigkeit und Konkurrenz unter den EU-Staaten herrschen würden, die den Preiskampf und die gegenseitige Unterbietung förderten und zur breiten Verfügbarkeit von Waffen führten. Hinzu komme, so Dr. Mutschler, dass Waffenlieferungen aus nicht-kommerziellen Gründen auch das Resultat der Desillusion nach gescheiterten militärischen Interventionen seien.

Passen Krisenprävention und Rüstungslieferungen also zusammen? „Im Prinzip ist es das Gleiche wie immer“, sagt einer der Teilnehmenden, „Rüstungsexporte haben eben Vor- und Nachteile und jeder Fall ist unterschiedlich - eine eindeutige Antwort gibt es einfach nicht.“ Wenn die Bundesregierung aber ihre Krisenprävention auf den Prüfstand stellen möchte, müsse sie auch die deutsche Rüstungsexportpolitik auf den Prüfstand stellen, fordert Dr. Mutschler abschließend.

Bis zum Frühjahr 2017 will die Bundesregierung neue Leitlinien für das deutsche Krisenengagement und Friedensförderung entwickeln. Dabei soll auch die Öffentlichkeit einbezogen werden. Unter dem Stichwort „PeaceLab2016“ werden hierfür in ganz Deutschland unterschiedliche Veranstaltungen angeboten. Thematisch passt das genau zur Ausrichtung des BSH: „Als Verband möchten wir aktuelle außen- und sicherheitspolitische Prozesse begleiten und Studierenden die Chance geben, ihre Meinungen einzubringen“, sagt BSH-Bundesvorsitzender Jan Fuhrmann. Auch im Netz seien mehrere tausend Nutzer auf die Veranstaltung aufmerksam geworden und konnten der Diskussion über einen Live-Stream auf Facebook folgen. „Die Veranstaltung war ein Erfolg und die Debatte sehr differenziert, was bei diesem Thema selten der Fall sei. Wir benötigen mehr solcher Debatten!“, sagt Fuhrmann.