Zentral für die Krisenprävention: Ein weltweites Atomwaffenverbot

21. Februar 2017   ·   Susanne Grabenhorst, Xanthe Hall

Ohne einen sichtbaren Fortschritt bei der nuklearen Abrüstung geraten alle Nichtverbreitungsmaßnahmen von Atomwaffen ins Stocken. Die Bundesregierung sollte nicht nur weiterhin multilaterale Abkommen über Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung vorantreiben, sondern sich auch für ein weltweites Atomwaffenverbot einsetzen.

„Die Instrumente der Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung sowie der Vertrauensbildung tragen erheblich zur zivilen Krisenprävention bei. Die wichtigsten Übereinkommen sind der Nukleare Nichtverbreitungsvertrag, die Chemiewaffenkonvention und die Biowaffenkonvention“, heißt es im Aktionsplan Zivile Krisenprävention von 2004. In diesem Jahr könnte ein weiterer wichtiger Vertrag hinzukommen.

Am 24. Dezember 2016 fand in der UN-Generalversammlung in New York eine historische Abstimmung über eine Resolution statt, die fordert, dass 2017 Verhandlungen für ein Atomwaffenverbot beginnen sollen. Eine deutliche Mehrheit von 113 Staaten stimmte für die Resolution, 35 stimmten dagegen, 13 Staaten enthielten sich der Stimme. Bis zum 7. Juli 2017 soll das Vertragswerk ausgehandelt sein. Obwohl die Bundesregierung immer wieder beteuert, dass sie sich für eine atomwaffenfreie Welt einsetzt, votierte Deutschland gegen ein Atomwaffenverbot. In einem Schreiben an mehrere Friedensorganisationen gab das Auswärtige Amt zudem bekannt, dass Deutschland sich auch nicht an den im März beginnenden internationalen Verhandlungen über ein Atomwaffenverbot beteiligen wird.

Ohne Abrüstungsbemühungen keine Nichtverbreitung

Der Aktionsplan der Bundesregierung fokussierte sich auf die Nichtverbreitung von Atomwaffen als präventive Maßnahme. Diese Festlegung lässt jedoch die untrennbare Beziehung zwischen nuklearer Nichtverbreitung und nuklearer Abrüstung weitgehend außer Acht. Ohne sichtbaren Fortschritt bei der Abrüstung sind atomwaffenfreie Staaten immer weniger bereit, Nichtverbreitungsmaßnahmen zu fördern. Sie erwarten von den Atomwaffenstaaten, dass sie ihren Abrüstungsverpflichtungen aus dem Nichtverbreitungsvertrag nachkommen. Ein Verbotsvertrag würde deutlich machen, dass die Atomwaffenstaaten kein unbefristetes Recht auf den Besitz von diesen Waffen haben.

Wenn die Bundesregierung ihren Vorsatz aus dem Aktionsplan Zivile Krisenprävention ernst nimmt, muss sie sich konstruktiv an den UN-Verhandlungen für ein Atomwaffenverbot beteiligen. Damit kann sie signalisieren, dass sie die Sicherheitsbedürfnisse der atomwaffenfreien Staaten (die zum größten Teil Länder des Globalen Südens sind) ernst nimmt. Diese Staaten fühlen sich durch die Atomwaffen weit mehr bedroht als beschützt. Wenn es zu einem Atomkrieg kommen sollte, hätte das weltweit katastrophale Auswirkungen auf das Klima und würde Milliarden von Menschen mit Hungersnöten bedrohen.

Deutschland sollte ein Atomwaffenverbot voranbringen

Deutschland kann bei der Konferenz zur Verhandlung eines Atomwaffenverbots Vorschläge einbringen, wie der Verbotsvertrag mit dem Nichtverbreitungsvertrag zusammenwirken kann. Denn mit einem Verbotsvertrag würde die Abrüstungspflicht im Atomwaffensperrvertrag gestärkt, der seit seiner unbefristeten Verlängerung im Jahr 1995 von den Atomwaffenstaaten als Legitimation ihres Atomwaffenbesitzes fehlinterpretiert wird. Ein Atomwaffenverbot würde zudem das Rüstungskontrollsystem stützen und könnte die festgefahrene Abrüstung vorantreiben.

Das vom damaligen Außenminister Steinmeier mitverhandelte Abkommen über das iranische Nuklearprogramm war ein historischer Durchbruch. Mit dem Abkommen konnte eine weitere atomare Aufrüstung verhindert werden. Zudem zeigt die Vereinbarung, dass internationale Kooperation in der Abrüstungspolitik erfolgreich sein kann.

Ein weiterer wichtiger Schritt, um Frieden in der von Kriegen und Konflikten zerrütteten Region zu fördern, wäre die Umsetzung der Resolution zur Einrichtung einer atomwaffenfreien Zone für die Region im Mittleren und Nahen Osten, die auf der Überprüfungskonferenz des Nichtverbreitungsvertrags im Jahr 2010 verabschiedet wurde. Die geplante Staatenkonferenz zum Thema „Atomwaffenfreie Zone Naher und Mittleren Osten“ kam auf Druck der israelischen Regierung nicht zustande. Die Bundesregierung könnte die Initiative ergreifen und sich für ein Zustandekommen der Konferenz einsetzen.

Das Risiko eines nuklearen Schlagabtausches steigt

Der Konflikt zwischen der NATO und Russland hat sich im Zuge der militärischen Interventionen in Syrien gefährlich zugespitzt. Auf beiden Seiten haben Provokationen zugenommen – atomare Drohgebärden eingeschlossen. Die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) thematisiert das Risiko eines nuklearen Schlagabtausches aufgrund der derzeitigen politischen Krise zwischen Russland und der NATO. In der im September 2016 erschienenen Studie „Amerikanische Russland-Politik und europäische Sicherheitsordnung“ schreibt der Autor Dr. Peter Rudolf: „Zum ersten Mal seit Ende des Ost-West-Konflikts gibt es in der NATO wieder Überlegungen, Übungen mit Blick auf Szenarien durchzuführen, in denen es zu einer nuklearen Eskalation kommen könnte. Die Gefahr eines Nuklearkriegs in Europa als Ergebnis einer Kriseneskalation droht zurückzukehren.“

Auch die Ukraine-Krise hat die internationalen Bemühungen um Abrüstung und Rüstungskontrolle geschwächt und gefährdet die „Grundpfeiler europäischer Sicherheitsstruktur“ wie die NATO-Russland-Grundakte, den Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE-Vertrag), an dem Russland seine Teilnahme zunächst ausgesetzt hat, und den Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme (INF-Vertrag). Bereits 2001 sind die USA aus dem ABM-Vertrag ausgetreten, um ihr Raketenabwehrsystem bauen zu können. Damit hat Europa einen wichtigen Vertrag zum Schutz gegen Wettrüsten verloren.

Ein Abzug von US-Atomwaffen aus Deutschland wäre ein wichtiger Schritt

Seit 2010 gibt es zwischen Russland und den USA keine Abrüstungsgespräche mehr. Stattdessen investieren sowohl die USA, Großbritannien und Frankreich als auch Russland Milliarden in die Modernisierung ihrer nuklearen Arsenale. Das betrifft auch die US-Atombomben des Typs B-61, die auf dem deutschen Fliegerhorst in Büchel gelagert werden und im Kriegsfall von deutschen Kampfjetpiloten abgeworfen werden sollen. Trotz eines gegenteiligen Parlamentsbeschlusses vom 26. März 2010 hält die Bundesregierung an den in Rheinland-Pfalz stationierten US-Atomwaffen und deren „Modernisierung“ fest. Ein Abzug der Atomwaffen aus Deutschland wäre ein wichtiger Abrüstungsschritt.

Gerade angesichts der erneuten Konfrontation zwischen NATO und Russland ist eine atomare Abrüstung in Europa notwendiger denn je. Das NATO-Vorhaben, neue, zielgenauere und flexibel einsetzbare Waffen mit atomaren Sprengköpfen zu entwickeln und zu stationieren, läutet eine neue gefährliche Runde der atomaren Aufrüstung ein. Die Bundesregierung könnte sich innerhalb der NATO für ein Ende der Doktrin der nuklearen Abschreckung und den Verzicht auf eine atomare Erstschlagoption stark machen. Nach der Atomvereinbarung mit dem Iran wäre ein Verzicht auf das NATO-Raketenabwehrsystem in Osteuropa zudem ein wichtiger Beitrag zur Entspannung.

Rüstungskontrolle und Abrüstung systematisch in Konfliktbearbeitung integrieren

Die Forderung von Ute Finckh-Krämer, Rüstungskontrolle und Abrüstung systematisch in die verschiedenen Dimensionen der Konfliktbearbeitung einzubeziehen, wird von unserer friedenspolitischen Ärzteorganisation unterstützt. Die Abgeordnete hatte in ihrem Beitrag zur Debatte um die neuen Leitlinien vorgeschlagen, Fragen der Rüstungskontrolle und der Abrüstung in einen Frühwarnmechanismus zu integrieren.

Abrüstung und Rüstungskontrolle und die damit verbundenen Verhandlungsprozesse tragen dazu bei, eine Eskalation von Konflikten zu verhindern, und fördern weltweit Frieden und Sicherheit. Statt der NATO-Doktrin der atomaren Abschreckung zu folgen und damit in der Logik des Kalten Krieges zu verharren, sollte sich die Bundesregierung für eine frühzeitige Konfliktbearbeitung, zivile Krisenprävention und mehr Engagement in der Entwicklungszusammenarbeit sowie einen verstärkten Einsatz von zivilen ExpertInnen bei Friedenseinsätzen der UN, der EU oder der OSZE einsetzen.

Die Stärkung bestehender multilateraler Abkommen über Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung muss weiterhin einer der Grundpfeiler deutscher Außenpolitik sein. Das beinhaltet, den geplanten Verbotsvertrag für Atomwaffen neben dem Nuklearen Nichtverbreitungsvertrag und der Chemie- und Biowaffenkonvention als ein wichtiges internationales Übereinkommen in den neuen Leitlinien zu unterstützen.

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Susanne Grabenhorst

Susanne Grabenhorst ist Vorsitzende der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW).

Xanthe Hall

Xanthe Hall ist IPPNW-Abrüstungsexpertin.