Task Force Takuba in Mali: Verpasste Chance für die europäische Außenpolitik

28. Mai 2020   ·   Gesine Weber

Eine deutsche Beteiligung an der von Frankreich initiierten Task Force Takuba zur Terrorismusbekämpfung spielte im Rahmen der Bundestagsdebatten um die Mali-Mandate der Bundeswehr kaum eine Rolle. Das ist problematisch, denn die Task Force politisch zu unterstützen, aber die Risiken anderen zu überlassen, ist inkonsequent und schadet der gemeinsamen europäischen Außenpolitik.

Dass die europäische Strategie zur Terrorismusbekämpfung in der Sahelzone eine Trendwende braucht, zeichnet sich bereits seit Monaten ab: Der Kampf gegen die vor allem in Mali ansässigen Terrorgruppen ist nur mäßig erfolgreich, immer wieder gibt es Anschläge, die Lage ist komplex und verschlechtert sich zusehends. Obwohl die Akzeptanz in der Bevölkerung für die Präsenz ausländischer Kräfte abnimmt, stellen zahlreiche Expert*innen nicht in Frage, dass die internationale Unterstützung zur Stabilisierung der Sicherheitslage in der Sahelzone unerlässlich ist. Während die UN-Mission MINUSMA vor allem die Einhaltung des Friedensabkommens überwachen und Zivilist*innen schützen soll und die europäische Mission EUTM Aufgaben bei der Reform des Sicherheitssektors übernimmt, war Frankreich seit Anfang 2013 mit seiner Mission Barkhane, der Nachfolgemission der ursprünglich eingesetzten Mission Serval, der einzige europäische Staat, der sich über logistische Unterstützung hinaus aktiv militärisch an der Terrorismusbekämpfung im Sahel beteiligte.

Nachdem Frankreich über fast ein Jahr versucht hatte, europäische Partner für den Einsatz von Spezialeinheiten zur Terrorismusbekämpfung zu gewinnen, konkretisierten sich die Pläne zur Schaffung der Task Force „Takuba“ im Herbst 2019. Im Laufe des Sommers – sofern angesichts der Entwicklung des weltweiten Ausbruchs des Corona-Virus realistisch – wollen nun europäische Staaten erste Spezialkräfte in diese Task Force unter französischem Kommando nach Mali entsenden, die ab Beginn des kommenden Jahres voll einsatzfähig sein sollen. Die Task Force soll dazu beitragen, die Geschwindigkeit der Operationen vor Ort zu erhöhen, um insbesondere den sogenannten Islamischen Staat effektiver zurückdrängen zu können; so sollen rund 20 Drohnen des Typs Reaper zur Luftüberwachung eingesetzt werden, um Ziele schneller identifizieren zu können. Außerdem wird die „schnelle Selbstständigkeit der lokalen Streitkräfte“ angestrebt, wobei bisher nicht klar ist, ob Takuba in diesem Rahmen auch etwa Beratungstätigkeiten übernehmen soll. Eine Ausweitung der Kapazitäten in der Luft durch den Einsatz von Helikoptern ist bisher nicht vorgesehen, allerdings soll weitere logistische Unterstützung durch Takuba bereitgestellt werden.

Während Belgien, Dänemark, Estland, die Niederlande und Portugal bereits die militärische Unterstützung der französischen Kräfte zugesagt haben und Schwedens Parlament eine solche Beteiligung prüft, unterstützt Deutschland wie drei weitere Staaten die Schaffung der Task Force Takuba zwar politisch, plant aber nicht, eigene Soldaten zu schicken. Zugespitzt ist die deutsche Position damit: „Terrorismus bekämpfen finden wir gut, Waffen benutzen wollen wir dafür aber nicht.” Eine Task Force zur Terrorismusbekämpfung nur politisch zu unterstützen, dabei die Risiken anderen zu überlassen und den Einsatz im Falle des Erfolgs dann als integralen Bestandteil der Strategie zu loben, ist inkonsequent und trägt nicht zur Wahrnehmung Deutschlands als glaubhafter Akteur bei. Dass eine Beteiligung an Takuba offensichtlich weder ernsthaft geprüft noch in den Debatten um die Bundeswehrmandate in Mali im Bundestag eine wirkliche Rolle spielte, ist aus drei Gründen problematisch. 

Nicht Frankreich allein für europäische Interessen eintreten lassen

Erstens ist die Takuba-Mission genauso im deutschen wie im französischen Interesse. Dass neben Frankreich fünf weitere europäische Staaten Spezialkräfte in die Task Force entsenden, mag man als erfolgreiches Lobbying Frankreichs innerhalb der europäischen Sicherheitspolitik deuten, da gerade Präsident Macron immer wieder die Notwendigkeit betont, dass sich „willige und fähige Staaten” auch militärisch stärker engagieren. Diese Deutung greift allerdings zu kurz: Die Entsendung europäischer Spezialkräfte zeigt viel eher, dass in Europa erkannt worden ist, dass Lippenbekenntnisse zum französischen Engagement nicht reichen, um europäische Sicherheitsinteressen im Sahel zu verteidigen. Die Kommission mag das Engagement Frankreichs als „essentiellen Beitrag zur europäischen Sicherheit” wertschätzen und andere europäische Staaten logistische Unterstützung für die Mission Barkhane leisten; jedoch kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Ergebnisse bisher hinter den Erwartungen zurückbleiben und die Sahelzone, nicht zuletzt wegen des Erstarkens des IS in der Region, zunehmend relevant für die europäische Sicherheit ist.

Bereits in seinen Schlussfolgerungen im Mai 2019 hat der Rat der EU deutlich unterstrichen, dass die Sahelzone „eine strategische Priorität für die EU und ihre Mitgliedstaaten“ ist. In der Sahelzone sehenden Auges einen Raum fragiler oder gar gescheiterter Staatlichkeit entstehen zu lassen, bietet dem transnationalen Terrorismus als Rückzugsort einen wichtigen operativen Dreh-und Angelpunkt und öffnet gleichermaßen dem organisierten Verbrechen in Form von Waffen- und Menschenschmuggel Tor und Tür – und zwar auf Grund der starken Vernetzungsfähigkeit terroristischer und krimineller Milizen nicht nur zu angrenzenden Staaten in der Sahelzone, sondern möglicherweise auch zur EU. Diese Strukturen nicht entstehen beziehungsweise weiter wachsen zu lassen, dürfen die EU-Mitgliedstaaten nicht allein dem militärischen Engagement Frankreichs überlassen, sondern müssen dies als eine gemeinsame Aufgabe begreifen. 

Takuba wäre ein notwendiger Teil in einem vernetzten Ansatz

Zweitens würde eine würde eine Beteiligung an Takuba folglich dem deutschen Anspruch eines vernetzten sicherheitspolitischen Ansatzes gerecht. Ein stärkeres Engagement europäischer Staaten und die Unterstützung von Mali und Niger sind wichtige Bestandteile einer langfristigen und umfassenden europäischen Strategie zur Befriedung der Region. Die Europäer*innen werden irreguläre Migration aus der Sahelzone als zentrale Herausforderung für die Region und die EU nur dann in den Griff bekommen, wenn es gelingt, vor Ort tatsächlich menschliche Sicherheit zu gewährleisten. Dazu muss wirtschaftliche Zusammenarbeit mit einem sicherheitspolitischen Ansatz Hand in Hand gehen, der Ausgangsbedingungen für ein Leben frei von Mangel und Furcht schafft, wie es das BMZ beschreibt. Im Falle der Sahelzone gehört dazu auch eine konsequente und nachhaltige Strategie zur Terrorismusbekämpfung. Die Ausweitung des Mandats der Bundeswehr in der europäischen Ausbildungsmission (EUTM), ist deswegen ein wichtiger Schritt. So wird die bilaterale Ausbildungsmission Gazelle im benachbarten Niger in das Mali-Mandat der Bundeswehr integriert, außerdem soll sich die Bundeswehr am Aufbau eines neuen Ausbildungszentrums näher an den Kampfgebieten im Norden Malis beteiligen. Dass das neue EUTM-Mandat die „Begleitung bis auf taktische Ebene“, wenn auch ohne exekutive Befugnisse, vorsieht und damit deutsche Soldat*innen an der einsatznäheren militärischen Beratung und Ausbildung teilnehmen werden, ist ein wichtiges politisches Signal nicht nur an Frankreich. Die Entscheidung zeigt auch, dass Deutschland bereit ist, mit seinen Fähigkeiten langfristig zur europäischen Strategie zur Stabilisierung der Sahelzone beizutragen.

Doch gerade in diesem Zusammenhang ist es eine verpasste Chance, dass eine militärische Teilnahme an der Task Force Takuba zur Terrorismusbekämpfung in Deutschland nicht ernsthaft diskutiert und geprüft wurde. Durch ihre Aufklärungs-und Ausbildungskomponenten hat Takuba das Potential, MINUSMA und EUTM sinnvoll zu ergänzen und einen effektiven Beitrag zur Terrorismusbekämpfung zu leisten. Deutschland betont immer wieder, global Verantwortung übernehmen zu wollen; in Mali hieße das konkret, Teil einer umfassenden Lösungsstrategie zu sein und damit auch zur Terrorismusbekämpfung beizutragen.

Auch wenn die deutsch-französische Sicherheitskooperation von einem solchen Engagement profitieren würde, wäre eine militärische Beteiligung an der Task Force Takuba weder als außenpolitisches Geschenk an Frankreich zu sehen, noch als Aufgabe einer skeptischen Haltung gegenüber der französischen Terrorismusbekämpfung. Eine Beteiligung würde im Gegenteil dazu beitragen können, dass sich Deutschland gegenüber Frankreich effektiver für eine nachhaltige politische Strategie in der Sahelzone einsetzen könnte. Denn bei aller berechtigten Kritik an der französischen Schwerpunktsetzung auf die militärische Terrorismusbekämpfung ist es nachvollziehbar, dass Paris Kritik an der eigenen Strategie zurückweist, wenn dieser von den Akteuren kommt, die sich weder selbst den gleichen Risiken aussetzen, noch klare Gegenvorschläge machen.

Takuba als „Window of Opportunity“ für umfassende europäische Außenpolitik

Drittens könnte die Task Force Takuba mit deutscher Beteiligung ein Mittel für die Europäer sein, sich als kollektiver Akteur in der Krisenprävention beziehungsweise der Lösung von Sicherheitskrisen zu etablieren. Durch ihr klares Mandat zur Terrorismusbekämpfung wirkt Takuba nicht nur unterstützend zur UN-Mission MINUSMA, sondern vor allem als Ergänzung zur EUTM, in deren Rahmen die EU die malischen Streitkräfte sowie die G5-Eingreiftruppen berät und unterstützt, und die trotz berechtigter Kritik als eine der erfolgreichsten europäischen Missionen gilt. Die Entsendung von europäischen Spezialkräften in die Task Force Takuba könnte also dazu beitragen, gemeinsam als Europäer*innen eine umfassende Strategie zur Krisenlösung „an allen Fronten” umzusetzen. Die militärische Beteiligung in Mali ist für die Europäer*innen damit auch ein Türöffner, sich im Dialogprozess stärker als einheitlicher Akteur einzubringen und beispielsweise malische Initiativen für Gespräche mit Jihaddist*innen zu unterstützen.

Der Einsatz der Task Force Takuba ist dabei auch ein zentraler Beitrag zur Weiterentwicklung der europäischen Sicherheitspolitik: Wo es den Europäer*innen oft schwer fällt, sich innerhalb der EU auf eine gemeinsame Linie zu verständigen, können Formate wie Takuba – ähnlich wie die 2018 ins Leben gerufene europäische Interventionsinitiative – dazu führen, dass willige und fähige europäische Staaten gemeinsam einen konkreten Beitrag zur europäischen Sicherheit leisten, anstatt durch das Einstimmigkeitsprinzip auf EU-Ebene blockiert zu sein. Damit stellen solche Strukturen keine Dopplung oder Konkurrenz, sondern eine sinnvolle Ergänzung zum Engagement der EU dar. Die sicherheitspolitische Kooperation außerhalb der EU-Strukturen und damit ein Europa der zwei Geschwindigkeiten in der Sicherheitspolitik ist Ausdruck einer realpolitische Notwendigkeit; gleichzeitig sind positive Synergien genauso wie Spillover-Effekte der zwischenstaatlichen Kooperation auf die GSVP möglich. Aus diesem Grund hätte eine militärische Beteiligung Deutschlands an der Task Force Takuba auch bedeutet, dass man in Berlin ein Window of Opportunity für die europäische Verteidigungspolitik erkennt, das die Europäer*innen gerade vor dem Hintergrund möglicher zukünftiger Handlungsfelder nicht verstreichen lassen sollten.

Europäische Sicherheit als Regime kollektiver Sicherheit?

Genau vor dem Hintergrund dieser Herausforderungen in der EU wäre es auch wichtig gewesen, deutlich intensiver die verfassungsrechtliche Frage zu einer deutschen Beteiligung an Takuba zu debattieren.

Bei Mandaten zur Beteiligung an internationalen Missionen wie etwa der MINUSMA oder der EUTM, deren Verlängerung in wenigen Wochen ebenfalls ansteht, kann sich die Regierung auf Artikel 24 GG in Verbindung mit der Entscheidung zu „Out of Area“-Einsätzen (1994) und dem Lissabon-Urteil (2009) des Bundesverfassungsgerichts berufen, wonach ein Einsatz der Bundeswehr „außer im Verteidigungsfall nur in Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit erlaubt” ist. Während das Bundesverfassungsgericht die Gemeinsame Sicherheits-und Verteidigungspolitik (GSVP) 2009 noch nicht als ein solches System gemeinsamer Verteidigung anerkannte, relativierte es letztes Jahr mit seinem Urteil zum Anti-IS-Einsatz im Irak diese Auffassung: Demnach sieht das Gericht es als vertretbar an, die EU als ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einzuordnen. Auslandseinsätze auf Basis von Artikel 42.7 des Lissabon-Vertrags (EU-Beistandsfall) wären mit Einschränkungen möglich. Ob allerdings die Kooperation europäischer Staaten unter französischer Führung zu einem solchen System kollektiver Sicherheit zählt, ist fraglich: Da bereits die Europäische Interventionsinitiative (EI2), in deren Rahmen europäische Staaten nur unter Koordinierung eines Sekretariats flexibel militärisch kooperieren, wohl kaum als solches System gelten könnte, ist für die Task Force Takuba eine ähnliche Einschätzung wahrscheinlich.

Doch wäre sich die Bundesregierung im Laufe des letzten Jahres politisch über eine Beteiligung an Takuba einig gewesen, hätten auch andere Lösungen debattiert werden können – etwa ein Mandat des Europäischen Rats für Takuba oder eine entsprechende noch weitere Ausweitung des Mandats für EUTM. Auch darüber hinaus ist die Diskussion über gemeinsame Auslandseinsätze außerhalb bestehender Strukturen nicht neu: Laut einer Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags aus dem Jahr 2016, die anlässlich des umstrittenen Bundeswehreinsatzes zur Ausbildung der kurdischen Peschmerga erstellt wurde, wäre hier eine Aktivierung des Artikel 87a Abs.2 GG denkbar, der „den verfassungsrechtlichen Verteidigungsbegriff mit völkerrechtlich erlaubter Gewaltanwendung” gleichsetzt, sodass „ein Auslandseinsatz (…) folglich immer schon dann verfassungskonform [wäre], wenn er auch völkerrechtskonform ist”. Da die französische Mission Barkhane auf Einladung der malischen Regierung in der Sahelzone agiert, ist die Völkerrechtskonformität dieses Einsatzes nicht umstritten.

Eine solche Argumentation der Bundesregierung hätte Anlass gegeben für eine breitere Debatte, die nicht nur juristisch, sondern auch politisch der Frage nachgeht, wie deutsche und europäische Verteidigung zu verstehen sind. Genau diese Debatte zu führen ist vor dem Hintergrund immer komplexerer Herausforderungen und der Notwendigkeit abgestimmten europäischen Handelns dringend nötig.

Europäische Union Stabilisierung Frieden & Sicherheit Mali CSDP

Gesine Weber

Gesine Weber schreibt regelmäßig für den französischen Think Tank Groupe d’Etudes Géopolitiques zur europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. @gesine_weber