Prävention und Friedensförderung auf dem Prüfstand: Vier Jahre Leitlinien

28. April 2021   ·   Bodo von Borries, Natascha Zupan

Die Bundesregierung hat in ihrem Umsetzungsbericht der Leitlinien künftige Schwerpunkte formuliert und Fortschritte zu den Selbstverpflichtungen dokumentiert. Die Frage nach der tatsächlichen Wirkung durchgeführter Maßnahmen und verwendeter Mittel kommt jedoch zu kurz. Die beteiligten Ressorts sollten einen konkreten Umsetzungsplan entwickeln und den Fokus auf Prävention legen.

Im Juni 2017 verabschiedete das Kabinett die Leitlinien „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“. In einer Welt im Umbruch sollte Deutschlands Handeln in Krisen und für Frieden „früher, entschiedener und substantieller“ werden. Dies ist eine hohe Messlatte, die von der Bundesregierung selber gesetzt wurde.

Vier Jahre später liegt nun der Bericht über die Umsetzung der Leitlinien vor. Damit steht erstmals eine Übersicht über die Fortschritte der von der Bundesregierung selbst formulierten 50 Einzelverpflichtungen zur Verfügung. Allerdings fehlt noch eine Gesamtsicht auf die Wirkungen der bisherigen Maßnahmen sowie der eingesetzten finanziellen und personellen Ressourcen. Konnten die Ressourcen in den letzten vier Jahren substantiell gesteigert werden? Haben die geschaffenen Strukturen zu einer verbesserten Ressortabstimmung und mehr Kohärenz geführt? Und insbesondere: Hat sich das Gewicht von krisenreaktivem Handeln auf präventives und friedensförderndes Handeln verschoben?

In vier Jahren sollen die Leitlinien erneut überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Dabei werden diese Fragen eine wichtige Rolle spielen. Für die nächsten vier Jahre formuliert der Umsetzungsbericht vier Schwerpunkte: einen Ausbau der Fähigkeiten der EU zu Krisenbewältigung; zweitens einen stärkeren Fokus auf vorbeugendes Handeln; drittens eine Integration der Wechselwirkungen von Klimakrise und Frieden und Sicherheit; sowie viertens die Berücksichtigung globaler Gesundheitskrisen in Strategien und Instrumenten der Krisenprävention. Bisher sind diese Schwerpunkte noch nicht mit Zielen, Zielgrößen oder Ressourcen und besonderen Maßnahmen beschrieben.

Der Beirat Zivile Krisenprävention und Friedensförderung hat den Umsetzungsbericht in einer eigenen Stellungnahme kommentiert und dabei vier Empfehlungen formuliert.

1. Wirkungen besser erfassen

Die Bundesregierung sollte ihren angekündigten Weg, über Wirkungen zu lernen, konsequent weiterverfolgen. Dafür begann bereits eine erste ressortgemeinsame strategische Evaluierung zum Engagement im Irak. Eine ehrliche Wirkungsanalyse aus 20 Jahren Engagement in Afghanistan, die angesichts der vielen öffentlichen Mittel und dem personellen Einsatz von großem politischem Interesse ist, steht hingegen nach wie vor aus. Strategische Lernerfahrungen sollten aus Sicht des Beirats generell Teil einer fachöffentlichen Diskussion werden und dafür Strukturen wie die Hubs zu Mediation, Rechtstaatsförderung oder Sicherheitssektorreform, der PeaceLab-Blog und der Beirat genutzt werden. Dabei geht es zum einen darum, die Umsetzungspraxis anzupassen und zu verbessern. Zum anderen bieten diese Strukturen Raum für kritische Analysen und fachpolitische Beratung.

2. Prävention aufwerten

Zu dem Bereich des frühen Handelns schlägt der Beirat unter anderem eine Friedensverträglichkeitsprüfung vor. Auch sollten weitere Ressorts, wie etwa das Umwelt- oder Wirtschaftsministerium, einbezogen werden in bestehende ressortübergreifende Abstimmungs- und Koordinationsmechanismen aus Auswärtigem Amt, Innen- und Verteidigungsministerium sowie Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

3. Prävention und Friedensförderung ausbauen

Um den Gesamtfortschritt der Leitlinien besser beurteilen und die bestehenden Selbstverpflichtungen sowie die neuen Schwerpunkte gezielt umsetzen zu können, sollten die Ressorts einen gemeinsamen Umsetzungsplan für die nächsten vier Jahre erstellen. Dieser sollte konkrete Aufbauziele mit Personalstärken und wichtige Implementierungsschritte enthalten.

4. Ressortgemeinsame Strategien umsetzen

Die ressortgemeinsamen Sektorstrategien zu Rechtsstaatsförderung, Sicherheitssektorreform und Vergangenheitsarbeit und Versöhnung bieten die Gelegenheit, das deutsche friedenspolitische Profil zu stärken und eine Führungsrolle in einzelnen Konflikten zu übernehmen. Sie sollten mit zusätzlichen Mitteln aus unterschiedlichen Ressorts unterstützt und von Zivilgesellschaft wie Wissenschaft eng begleitet werden.

Der Beirat möchte eine Debatte auf dem PeaceLab-Blog mit folgenden Fragen anregen:

  • Was hat sich durch die Leitlinien verändert – was nicht? Konnte die Bundesregierung „schneller, substantieller und entschiedener handeln“? 
  • Wie sollte ein Ausbauplan für Prävention und Friedensförderung ausgestaltet werden? Welche konkreten Ziele und Maßnahmen sollte er umfassen? 
  • Wie werden in der bisherigen Umsetzung die zivilgesellschaftlichen Ansätze und Erfahrungen in Wert gesetzt und gestärkt? Haben sich neue Beteiligungs- und Kooperationsformen staatlicher und nichtstaatlicher Akteure ergeben? 
  • Wie kann die Bundesregierung vernetztes Handeln für Prävention, Frieden und Sicherheit im Sinne der Leitlinien ausbauen? Welche Prioritäten sollten dabei in den kommenden Jahren im Zentrum stehen? Welche Rolle können Deutschlands Partnerschaften (z.B. mit anderen EU-Mitgliedstaaten) spielen?

Wir freuen uns auf markante Beiträge und eine lebhafte Diskussion.

Politikkohärenz Friedensförderung Krisenprävention

Bodo von Borries

Bodo von Borries ist Abteilungsleiter beim Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe Deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO e.V.) und Mitglied im Beirat Zivile Krisenprävention und Friedensförderung (Co-Federführung der AG Umsetzung Leitlinien).

Natascha Zupan

Natascha Zupan ist Leiterin der Arbeitsgemeinschaft Frieden und Entwicklung (FriEnt) und Mitglied im Beirat Zivile Krisenprävention und Friedensförderung (Co-Federführung der AG Umsetzung Leitlinien).