Projektabkommen: Ein unterschätztes Mittel der Rechtsstaatsförderung!

26. April 2019   ·   Matthias Kötter

Ohne Unterstützung des Kooperationslands versprechen Rechtsprojekte meist keinen Erfolg, ohne sein Einverständnis verstoßen sie gegen Völkerrecht. Die Bundesregierung sollte stets auf den Abschluss eines Abkommens hinwirken, das die Inhalte des Projekts verbindlich regelt und einen eigenen Beitrag des Kooperationslands vorsieht. Das Projektabkommen wird so zu einem effektiven Mittel der Rechtsstaatsförderung.

Debatten

in Zusammenarbeit mit dem RSF-Hub der Freien Universität Berlin

Projektabkommen sind internationale Verwaltungsabkommen, d.h. völkerrechtliche Verträge, die die Bundesregierung ohne Mitwirkung des Bundestags, meist als Sammelabkommen in der Form des Notenwechsels abschließt. Im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit liegen ihnen Rahmenabkommen zugrunde, die allgemeine Regeln für die Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Kooperationsland enthalten.

Das Projektabkommen benennt verbindlich das Projekt und die von der Bundesregierung mit der Durchführung beauftragte Organisation; außerdem enthält es verschiedene steuerrechtliche Klarstellungen, die die Projektdurchführung betreffen. Hinsichtlich der Einzelheiten des Projekts verweist es auf die Durchführungsverträge - auch Implementationsvereinbarungen genannt -, die die deutsche Durchführungsorganisation mit den von der Regierung des Kooperationslands beauftragten Institutionen abschließt.

Der Abschluss des Projektabkommens sichert das Projekt international verbindlich ab, auch gegenüber den lokalen Behörden des Kooperationslands. Die Absicherung ist freilich umso stärker, je mehr Einzelheiten eines Projekts bereits auf der Regierungsebene bestimmt werden und nicht der Verhandlung der Durchführungsverträge überlassen bleiben.

Das betrifft erstens politisch heikle Fragen, etwa eine für den Erfolg des Projekts unabdingbar erscheinende Zusammenarbeit mit einem lokalen Akteur, der in Opposition zur politischen Führung des Kooperationslands steht.

Das betrifft zweitens die Bestimmung von Bedingungen, die vom Kooperationsland zu erfüllen sind, damit das mit der Leistung verfolgte außenpolitische Ziel erreicht und der zielgerichtete Mitteleinsatz ermöglicht wird. Dazu rechnen auch die (Selbst-)Verpflichtung des Kooperationslands, mit einem eigenen Beitrag zur Verbesserung von Rechtsstaatlichkeit beizutragen, sowie Regelungen für den Fall eines Verstoßes gegen solche Verpflichtungen.

Projektdurchführung ohne Projektabkommen birgt Risiken

Dennoch werden Projekte vielfach ohne internationales Abkommen durchgeführt. Das gilt v.a. für kleinere Einzelprojekte, die nicht Teil eines übergeordneten EZ-Programms oder einer Stabilisierungsmaßnahme sind. Die Projekte werden dann nur in den Durchführungsverträgen und nur von der durchführenden deutschen Organisation mit den lokalen Partnern vereinbart. Doch haben die Durchführungsverträge nicht dieselbe internationale Verbindlichkeit wie das Projektabkommen - was zum Verstoß gegen Völkerrecht führen kann und was Risiken für das Projekt und das Projektpersonal birgt.

Führt die Bundesregierung, selbst oder durch eine Durchführungsorganisation, eine Maßnahme in einem Kooperationsland durch, ist dessen Zustimmung erforderlich. Sonst handelt es sich völkerrechtlich um eine verbotene Intervention. Das gilt für alle Maßnahmen, für die die Bundesregierung die Mittel zur Verfügung stellt und die im Rahmen ihrer außenpolitischen Strategie durchgeführt werden.

Ungeregelte Projektdurchführung von politischen Verhältnissen abhängig

Der Abschluss eines internationalen Abkommens ist nicht in jedem Fall zwingend erforderlich. Vielmehr kann die Projektdurchführung aufgrund einer generalisierten konkludenten Zustimmung und im Rahmen des jeweiligen Landesrechts insbesondere der Einreise- und Visavorschriften zulässig sein. Allerdings sind die dabei bestehenden Spielräume in vielen Kooperationsländern der deutschen Rechtsstaatsförderung zuletzt immer wieder empfindlich eingeschränkt worden. Vorgaben in NGO-Gesetzen können den Projekterfolg gefährden und eine unzumutbare Situation für die Projektmitarbeiter schaffen, die sich evtl. erheblichen Sanktionen ausgesetzt sehen.

Zum Problem kann insbesondere ein politischer Kurswechsel im Kooperationsland werden, in dessen Folge die Projektarbeit zu einem verbotenen und verfolgten Verhalten wird. Wie im Beispiel der Türkei, wo Projekte zur Förderung von Vielfalt in der Zivilgesellschaft lange Zeit erwünscht und nicht an besondere Anforderungen gebunden waren, bis sie nach der Veränderung des politischen Klimas im Sommer 2016 zur Unterstützung terroristischer Machenschaften erklärt wurden.

Die verbindliche Absicherung des Projekts in einem Projektabkommen kann diese Risiken deutlich verringern. Dagegen können die Durchführungsverträge alleine ein Projektabkommen nicht ersetzen, weil sie keine internationale Verpflichtung des Partnerstaats begründen. Auf einer sicheren internationalen Grundlage zu agieren, ist ein berechtigtes Anliegen der Durchführungsorganisationen und ihrer Mitarbeiter. Insofern ist von einer Schutzverpflichtung Deutschlands für seine Durchführer auszugehen. Die Bundesregierung muss bei allen Projekten auf den Abschluss einer internationalen Vereinbarung bestehen.

Internationale Vereinbarungen bieten Verlässlichkeit

Daran ändern auch verschiedene Einwände nichts, die immer wieder gegen den Abschluss solcher Abkommen vorgebracht werden. Das gilt insbesondere für den Hinweis auf den Zeit- und Mittelaufwand. Denn dabei handelt es sich um eine Frage der politischen Priorisierung. Die Schaffung der Voraussetzungen dafür, dass das Projekt wie geplant durchgeführt werden kann und das Projektpersonal keinen unnötigen Risiken ausgesetzt ist, muss stets Priorität haben.

Gegen den Abschluss eines Abkommens wird auch vorgebracht, dass dieses oft nicht im Interesse der Regierung des Kooperationslands liege, die sich niemals auf den Abschluss einlassen würde, was das Projekt unmöglich mache. Doch spricht gerade der politische Widerstand für die Aufnahme von Verhandlungen, nicht nur, um eine unzulässige Intervention zu vermeiden, sondern v.a. auch, um die für die Projektdurchführung notwendige Unterstützung zu erhalten. Gegen den Willen des Kooperationslands kann das Projekt nicht gelingen, und ob seine Leitung sich auf den Abschluss des Projektabkommens einlässt und die daraus entstehenden Verpflichtungen erfüllt, hängt letztlich alleine von ihrem Interesse an der angebotenen Leistung ab. Gerichtlich durchsetzen lassen sich Projektabkommen nicht, aber auch das spricht nicht gegen sie.

Kooperationsbereitschaft erfordert politischen Willen

Wie eng verknüpft die Machbarkeit und Wirksamkeit eines internationalen Abkommens mit dem Interesse des Kooperationslands an der Zusammenarbeit ist, zeigt ein Beispiel aus einem anderen Politikbereich: den Rückführungsvereinbarungen, die abgeschlossen werden, um Abschiebungen in Länder zu ermöglichen, in denen die Menschenrechtslage unsicher ist. Die Regierung des Ziellands sichert darin zu, rechtsstaatliche Standards im Umgang mit dem Abgeschobenen zu wahren. Weder die Rücknahme des Abzuschiebenden und erst recht nicht seine Sonderbehandlung dürften im Interesse des internationalen Partners liegen. Und doch zeigt die Praxis der Rückführungsvereinbarungen, dass solche Abkommen machbar sind, wenn nur der politische Wille auf beiden Seiten besteht, und dann auch kurzfristig und prioritär.

Die deutschen Gerichte bis hin zum Bundesverfassungsgericht halten die Rückführungsvereinbarungen auch für verlässlich, wenn die Zusage (1) individuell auf die betreffende Person bezogen und inhaltlich hinreichend bestimmt ist und die äußeren Bedingungen (2) formal und (3) institutionell erwarten lassen, dass der Aufnahmestaat sich dauerhaft an die Verpflichtung halten wird. Was die Form angeht, wird eine diplomatische Verbalnote verlangt. Nur ausnahmsweise soll eine schriftliche Zusicherung von Stellen unterhalb der Regierung ausreichen, wenn die Einhaltung anderweitig gesichert ist, etwa durch flankierende Maßnahmen wie ein Monitoring in der Form von Haftbesuchen oder Berichtspflichten des jeweiligen Ziellands.

Diese Erfahrungen lassen sich auf die Projektabkommen übertragen. Zu bedenken ist freilich, dass die Regierungen der Kooperationsländer, die deutsche Rechtsstaatsförderung empfangen, meist unsichere Vertragspartner sind. Die Kontexte sind von Fragilität und hoher Dynamik geprägt und die Rechtsdurchsetzung im Innern scheitert nicht selten an Korruption oder anderen Formen des Machtmissbrauchs und am fehlenden Vertrauen der Bevölkerung in den Staat und das Recht. Die Einhaltung der Verpflichtungen aus dem Projektabkommen ist dann unter Umständen nicht zu erwarten. Hier kann jedoch auf Erfahrungen mit internationalen Vereinbarungen und den Bedingungen ihrer Wirksamkeit aus anderen Politikbereichen zurückgegriffen werden.

Verbindliche Zusicherungen des Partnerlands im Projektabkommen

Soweit von der Verlässlichkeit der Projektabkommen auszugehen ist, sollte in ihnen auch ein relevanter eigener Beitrag des Kooperationslands zur Herstellung von Rechtsstaatlichkeit vereinbart werden. Außerdem sind Regelungen über Folgen eines Verstoßes gegen eingegangene Verpflichtungen vorzusehen. Solche Formen von Konditionalität erzeugen sicher nicht dieselbe Verbindlichkeit wie ein nach nationalem Recht geschlossener Vertrag, können aber doch Handlungsdruck gegenüber dem Kooperationsland erzeugen.

Die Bundesregierung sollte den Abschluss von Projektabkommen als einen eigenständigen und relevanten Teil ihrer Rechtsstaatsförderungspolitik begreifen und die Verhandlungen dazu nutzen, gemeinsam mit dem Kooperationsland Ziele zu definieren und Gegenleistungen und Bedingungen zu vereinbaren. Ein solcher instrumenteller Einsatz von Projektabkommen wird es erforderlich machen, die Wirksamkeit dieses Mittels weiter zu erforschen, Erfahrungen zu verarbeiten und zu generalisieren. Nur ein reflexiver Instrumentengebrauch ermöglicht es, Maßnahmen richtig zu dosieren, realistische Ziele zu bestimmen und Wirkungen abzusehen. Die Wirkungsforschung bei den internationalen Organisationen wie der Weltbank kann hier als Vorbild dienen. Aber für die Rückführungsvereinbarungen gilt letztlich nichts anderes: Sie werfen ebenfalls Fragen hinsichtlich der Bedingungen ihrer Wirksamkeit auf, die noch weiter zu untersuchen sind.

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in Zusammenarbeit mit dem RSF-Hub der Freien Universität Berlin

Partner Rechtsstaatsförderung

Matthias Kötter

Dr. iur. Matthias Kötter leitet seit 2017 gemeinsam mit Dr. Gregor Walter-Drop das RSF-Hub.