Auf unmöglicher Mission? UN-Vermittlung in Libyen, Syrien und dem Jemen

19. Juli 2018   ·   Muriel Asseburg, Wolfram Lacher, Mareike Transfeld

Die Bürgerkriege in Libyen, Syrien und dem Jemen widersetzen sich besonders hartnäckig den Vermittlungsversuchen der UN. Um die Erfolgschancen von verhandelten Konfliktregelungen zu erhöhen, sollte Deutschland sich dafür einsetzen, dass UN-Vermittler in den Konflikten unparteiisch bleiben und inklusive Verhandlungsformate etablieren, die auch Foren für den Interessenausgleich zwischen Groß- und Regionalmächten bieten.

Verhandlungslösungen für Bürgerkriege sind bekanntermaßen nicht nur schwer zu erreichen, sondern auch notorisch für ihre Fragilität. Wie schwer sich internationale Vermittler dabei tun, Frieden zu schaffen, zeigen die momentan größten Konfliktherde in der arabischen Welt: Syrien, Libyen und der Jemen.

In allen drei Fällen versuchen die UN, Abkommen zu vermitteln, die auf einen Frieden durch Machtteilung abzielen. Doch in keinem der drei vorliegenden Fälle ist es den UN gelungen, die Konflikte zu beenden oder auch nur signifikant zum Schutz der Zivilbevölkerung beizutragen. Libyen ist trotz eines Machtteilungsabkommens politisch gespalten; im Jemen verzögerte ein solches Abkommen lediglich den Ausbruch der Gewalt. In Syrien kam es noch nicht einmal zu Verhandlungen über eine Machtteilung.

Wie erklären sich diese Schwierigkeiten, und was kann die Bundesregierung tun, um UN-Vermittlungsbemühungen größere Erfolgschancen einzuräumen?

Regional- und Großmächte befeuern die Konflikte

Die drei Fälle zeigen, dass geopolitische Umbrüche in der Region die Konfliktregelung erheblich erschweren. Durch die immer deutlicher zutage tretende multipolare Unordnung werden Bürgerkriege internationalisiert. Solange die Konfliktparteien auf externen Beistand zählen können, setzen sie auf militärische statt auf politische Lösungen. Externe Unterstützer fachen die Konflikte weiter an – selbst dann, wenn sie (wie die USA in Syrien) eigentlich Verhandlungen herbeiführen wollten.

Zudem kommt es in allen drei Konflikten zu direkten Interventionen von Regionalmächten: In Syrien intervenieren der Iran, die Türkei und Israel; im Jemen sind Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) militärisch beteiligt; und in Libyen sind es Ägypten und die VAE. So sind die Konflikte auch zu komplexen Stellvertreterkriegen mutiert.

Damit einher geht ein Trend zu fragmentierten Konfliktkonstellationen: In allen drei Fällen handelt es sich um Mehrparteienkonflikte. Ständig wechselnde Allianzen verhindern die Entstehung einer Pattsituation. Die lokalen Konfliktparteien verändern sich im Laufe der Auseinandersetzungen stark – etwa durch vielfache Abspaltungen oder Radikalisierung. Im Ergebnis haben die ursprünglichen Bürgerkriegsparteien entweder kaum Interesse an den von den UN angebotenen Formaten oder sind kaum mehr relevant.

Mangelnder Einfluss der UN-Vermittler

Ein weiterer Grund für den ausbleibenden Erfolg der UN-Vermittler ist, dass sie sich nur sehr begrenzt auf Zwangsmaßnahmen wie Sanktionen gegen Konfliktparteien stützen können, weil der Sicherheitsrat gespalten ist oder weil Sanktionen nicht konsequent durchgesetzt werden. 

So ignorierten vor allem Ägypten und die VAE das für Libyen vom UN-Sicherheitsrat beschlossene Waffenembargo. Selbst EU-Mitgliedstaaten unterlaufen immer wieder die von der EU und den USA verhängten Sanktionen, etwa gegen Vertreter des syrischen Regimes. Der syrische Geheimdienstchef General Ali Mamlouk wurde beispielsweise trotz Einreiseverbots Anfang 2018 in Italien empfangen.

Schwächen im Vermittlungsansatz

Die UN-Vermittler bewegen sich also in einem äußerst schwierigen Umfeld. Doch zum Scheitern ihrer Bemühungen trugen auch Schwächen im Vermittlungsansatz selbst bei. In allen drei Fällen schlossen die Verhandlungsformate wichtige Konfliktakteure aus: Im Falle Syriens war dies die PYD, die heute rund ein Viertel des Territoriums kontrolliert. In Libyen wurden die zahlreichen bewaffneten Gruppen des Landes kaum in die Gespräche eingebunden. Im Jemen waren die Huthis und die Autonomiebewegung im Süden vom Machtteilungsabkommen ausgeschlossen. Außerdem hielten die UN-Vermittler in Libyen und dem Jemen an Einheitsregierungen fest, selbst nachdem diese längst keine Einheit mehr repräsentierten und zu Konfliktparteien geworden waren. Damit büßten sie ihre Unparteilichkeit ein.

In allen drei Fällen wurden international legitimierte Ziele aufgrund der militärischen Entwicklungen rasch obsolet, definieren aber weiterhin das Mandat der Vermittler: In Syrien waren dies eine Machtteilung und ein politischer Übergang, obwohl die Rebellen den Bürgerkrieg längst verloren hatten. In Libyen hielten die UN-Sonderbeauftragten zu lange an einem Verhandlungsrahmen auf Basis der zwei Parlamente fest, obwohl diese handlungsunfähig waren und die tatsächlichen Konfliktparteien nicht mehr repräsentierten. Im Jemen beharrte die UN-Mission auf Abed Rabbo Mansur Hadi als „legitimem“ Präsidenten, obwohl dieser kaum mehr über Rückhalt im Lande verfügte. Damit aber bieten die von den UN-Vermittlern verfolgten Ansätze immer weniger Chancen auf eine verhandelte Konfliktregelung.

Drei Stellschrauben für Deutschland

Die Schlussfolgerung kann nicht lauten, in ähnlich komplexen Konflikten künftig auf Vermittlungsversuche zu verzichten. Die Weltgemeinschaft ist zum Handeln verpflichtet. Wie kann also Deutschland dazu beitragen, dass internationale Vermittlungen effektiver gestaltet werden, selbst wenn die Kontextbedingungen Erfolge erschweren? Hierfür gibt es drei wichtige Stellschrauben, die die Bundesregierung während ihrer Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat angehen kann:

Erstens sollte der UN-Sicherheitsrat seine Mandate nicht nur auf die Vermittlung zwischen direkten Bürgerkriegsparteien beschränken. Vielmehr sollten die Mandate von Anfang an auch Foren vorsehen, die einen Interessensausgleich zwischen allen relevanten Mächten erlauben bzw. in denen sie zumindest Regeln der Konfliktaustragung verhandeln können.

Zweitens sollten Machtteilungsabkommen inklusiv sein: Sie müssen alle relevanten Vertreterinnen und Vertreter der Konfliktparteien einbinden und diesen ausreichend Anreize bieten, sich an geschlossene Abkommen zu halten. In diesem Sinne sollte Berlin einen Konsens im Sicherheitsrat anstreben, der Vetoakteuren unter den Regionalmächten prinzipiell und entschlossen entgegentritt.

Drittens müssen UN-Vermittler es vermeiden, Partei zugunsten von Einheitsregierungen zu ergreifen, die aus Machtteilungsabkommen hervorgegangenen sind, wenn diese zu Konfliktparteien werden, Abkommen unterlaufen und den Konflikt anfachen.

Unterstützung durch bilaterale und multilaterale Diplomatie

Darüber hinaus sollte die Bundesregierung auf europäischer Ebene verhindern, dass EU-Mitgliedsstaaten die Vermittlungsbemühungen der UN unterminieren – etwa indem sie Sanktionen unterlaufen oder direkt mit Konfliktparteien kooperieren, die Konfliktregelungen missachten. Dies gilt z.B. für die Unterstützung einiger westlicher Staaten für den libyschen Kriegsherrn Khalifa Haftar oder für mangelhaft konditionierte Waffenlieferungen an Saudi-Arabien oder die Türkei.

Vielmehr sollten Deutschland und seine europäischen Partner ihren Einfluss dafür nutzen, verhandelte Konfliktregelung zu unterstützen. Sanktionen sind hierbei ein wichtiges Instrument. Zudem sollte sich die Bundesregierung im Sicherheitsrat und darüber hinaus darum bemühen, den UN-Vermittlern den nötigen Freiraum und Zeitrahmen für Verhandlungen zu gewähren: Derzeit gefährdet der enge Partner Frankreich mit einer unilateralen Vermittlungsinitiative ohne inhaltlichen Mehrwert die Arbeit des UN-Sondergesandten in Libyen.

Solange UN-Missionen nicht einen Ausgleich zwischen den Interessen aller erlauben, sollte die Bundesregierung auch ihr Gewicht in die Waagschale werfen, um in bilateralen Gesprächen und in Foren wie dem EU/E4-Format mit dem Iran zu Jemen darauf hinzuwirken, Eskalationen zu vermeiden, Spielregeln für die Konfliktaustragung zu etablieren, Kriegsvölkerrecht zu wahren und den Schutz der Zivilbevölkerung in den Mittelpunkt zu stellen.

*Dieser Blogbeitrag beruht auf der Studie "Mission Impossible? UN-Vermittlung in Libyen, Syrien und dem Jemen", die im Juli 2018 bei der SWP erschienen ist.

Naher Osten & Nordafrika Frieden & Sicherheit UN-Sicherheitsrat Syrien

Muriel Asseburg

Dr. Muriel Asseburg ist Senior Fellow in der Forschungsgruppe Naher/Mittlerer Osten und Afrika der Stiftung Wissenschaft und Politik.

Wolfram Lacher

Dr. Wolfram Lacher ist Wissenschaftler in der Forschungsgruppe Naher/Mittlerer Osten und Afrika der Stiftung Wissenschaft und Politik.

Mareike Transfeld

Mareike Transfeld ist Doktorandin an der Berlin Graduate School Muslim Cultures and Societies