Mehr Austausch zwischen Ressorts und Implementierern in der Rechtsstaatsförderung

31. Januar 2019   ·   Viktoria Vogt

Damit Rechtsstaatsförderung von der Planung bis zur Umsetzung erfolgreich sein kann, müssen die zuständigen Ressorts der Bundesregierung und die implementierenden Organisationen offen miteinander kommunizieren und sich auch Fehler eingestehen können. Langfristig fördert das eine Kontextsensibilität, die noch immer nicht ausreichend in der Praxis angekommen ist.

Debatten

in Zusammenarbeit mit dem RSF-Hub der Freien Universität Berlin

Die Rechtsstaatsförderung stellt einen Schwerpunkt deutscher Außenpolitik dar. Die Leitlinien der Bundesregierung räumen ihr als Handlungsfeld in Krisen- und Konfliktkontexten darum zu Recht gesonderte Bedeutung ein. Doch die praktische Realität der deutschen Rechtsstaatsförderung wirft immer wiederkehrende Fragen und Probleme auf.

Die Idee, Rechtsstaatlichkeit könne im Kontext des Partnerlandes durch reine Transplantation beispielsweise deutscher Rechtsnormen gefördert werden, ist seit langem überholt. Rechtsstaats-förderung darf nicht Systeme kopieren, die sich zwar in anderen Kontexten möglicherweise bewährt haben, jedoch nicht an lokal bestehende Vorstellungen von Recht anknüpfen. Wenn sie effektiv an den Bedarfen der Menschen vor Ort ansetzen will, muss sie stattdessen lokale Gegebenheiten beachten, mit einem klaren Verständnis der Rechtsrealitäten der Zivilbevölkerung konzipiert sein und relevante, auch nichtstaatliche, Rechtsakteure einschließen. Um diese vielschichtigen Einflussfaktoren beurteilen zu können, erfordern Rechtsstaatsförderungsmaßnahmen in der Entstehungsphase ein erhöhtes Maß an interdisziplinärer Analyse. Denn fundamentale Fragen zum Projektdesign lassen sich mit juristischen Methoden allein nicht zufriedenstellend beantworten, sondern müssen durch zum Beispiel sozialwissenschaftliche oder ethnologische Fragen komplettiert werden. 

Kontextsensibilität nicht nur in der Forschung sondern auch in der Praxis

Im Kontext von Krisen und Konflikten durchgeführte Rechtsstaatsförderung findet unter teilweise extrem volatilen Bedingungen statt. Die Qualität der Kooperation mit dem Gastland kann dann stark von der Handlungsfähigkeit und vom politischen Willen der Partnerregierung abhängen: Maßgeblich ist hier zum Beispiel die tatsächliche Veränderungsbereitschaft im Gastland, die manchmal sogar an einzelnen Personen hängen mag. Neben grundlegenden Fragen wie den lokalen Vorstellungen von Recht prägen politische Vorzeichenwechsel, eine stark polarisierte oder schwankende öffentliche Meinung über den Reformbedarf oder wieder aufflammende bewaffnete Konflikte die Arbeitsrealitäten derjenigen Organisationen, die die Projekte implementieren. Die Liste möglicher Einflussfaktoren ließe sich beliebig erweitern.

All dies sind für die Forschung keine neuen Erkenntnisse, in der Praxis sind sie jedoch noch zu wenig angekommen. Deshalb bedarf es eines Paradigmenwechsels: weg vom Transplantat hin zur tatsächlich am Kontext orientierten, maßgeschneiderten Rechtsstaatsförderung. Wenn Rechtsstaatsförderung wirklich unter den skizzierten Gegebenheiten kontextsensibel durchgeführt werden soll, dann braucht es auf Seiten der Bundesregierung eine neue Bereitschaft dafür, Anforderungen an Planung, Durchführung und strategische Ausrichtung von Projekten in diesen Kontexten anzupassen.

Kommunikation zwischen beteiligten Akteuren: offener, besser, mehr

Beginnend mit der Sichtbarkeit der strategischen Ausrichtung scheint eines klar: Organisationen, die Projekte der Rechtsstaatsförderung durchführen wollen, müssen wissen, welche Strategien die einzelnen Ressorts der Bundesregierung thematisch in Bezug auf einzelne Partnerländer und Regionen sowie methodisch hinsichtlich der Verwendung einzelner Instrumente verfolgen. Nur wenn Projektimplementierer die Prioritätensetzung der Bundesregierung nachvollziehen können, können sie Projekte vorschlagen, die diese in ihrer Politik zielgenau unterstützt. Dafür müssen sich die Ressorts und die community of practice regelmäßig und strukturiert austauschen; der Austausch muss sich dabei sowohl an den haushaltsrechtlichen Regelungen, am Engagement von EU, UN und dem anderer internationaler Akteure als auch an den politischen Veränderungen in den Partnerländern orientieren.

Mehr und bessere Kommunikation zwischen Ressorts und Projektimplementierern ist zwar besonders in der Planungsphase wichtig, sollte sich jedoch durch den gesamten Projektzyklus ziehen. Insbesondere im Kontext von Konflikt und Krisen profitiert Rechtsstaatsförderung von einer offenen Kommunikation über etwaige das Projektziel gefährdende Risiken, ganz gleich ob sie auf Seiten der Partnerregierung oder beim Projektimplementierer selbst entstehen. Ressorts und Projektimplementierer müssen sich darüber bewusst sein, dass Rechtsstaatsförderung als solche durch bestimmte Kontextbedingungen mit Blick auf das anvisierte Ziel wirkungslos werden kann. So können Ziele verfehlt werden, etwa wenn in Verfassungsberatungen der politische Wille für Veränderungen im Gastland fehlt oder weitergebildete Richterinnen und Richter gar nicht erst ernannt werden.

Da Rechtsstaatsförderung kein Selbstzweck ist, muss die Durchführbarkeit und Erreichbarkeit der gesetzten Ziele unter den gegebenen Bedingungen des Partnerlandes in einem offenen Dialog zwischen Projektimplementierer und Ressorts stetig eruiert werden. Damit aber die Kommunikation hoher Risiken nicht zwingend zur Ablehnung eines Projekts führt, müssen die Ressorts intern ihre Bereitschaft und Fähigkeit prüfen, entsprechende Risiken einzugehen und die notwendige Risikominimierung und -kontrolle zu begleiten. Werden Projekte nicht bewilligt, so müssen sie die Gründe dafür anhand der geltenden internen Standards und Strategien ebenfalls klar darstellen.

Realistische und messbare Ziele setzen und sich Fehler eingestehen

Die gesetzten Ziele können allerdings selbst zum Problem werden. Berichtspflichten, die Auflage, die projektinterne Logik anhand sogenannter starrer LogFrames darstellen zu müssen und der Versuch, die Anschlussförderung sichern zu wollen, stellen Projektimplementierer vor ein Dilemma: Sie sehen sich häufig gezwungen, Ziele entweder so weit zu fassen, dass der eigene Einfluss auf die Gesamtentwicklung im Partnerland kaum nachzuvollziehen ist, oder so eng zu fassen, dass die Ziele mit Teilmaßnahmen gleichgesetzt werden und ein Scheitern zumindest auf dem Papier kaum möglich ist. Solche vagen Ziele führen auf Seiten der Ressorts spätestens bei der Evaluierung zu einer unklaren und schwer zu interpretierenden Faktenlage: Hatte das Projekt nun einen tatsächlichen Einfluss im Sinne der strategischen Zielsetzung? Dadurch wird es nicht nur schwerer, Einzelmaßnahmen zu bewerten, sondern es versperrt auch den Blick auf eine längerfristige Analyse der Ergebnisse zur Frage, welche Maßnahmen unter welchen Bedingungen funktionierten – und welche nicht. Ein strukturierter Wissensstand dazu würde zukünftiges politisches Handeln informierter und effektiver gestalten. Deswegen müssen zu Beginn des Projektes realistische und messbare Ziele zwischen Implementierer und Ressort vereinbart werden.

Dies setzt auf beiden Seiten eine offene Fehlerkultur voraus. Die Ressorts müssen sich bewusst sein, dass das Handeln des Projektimplementierers im Krisen- und Konfliktkontext mit erheblichen Risiken und darum zum Teil mit intensiver und häufiger Nachsteuerung verbunden ist. Dieser Mehraufwand für die Ressorts, der ohne Zweifel entsteht, ist jedoch nicht unbedingt auf mangelhafte Planung des Projektimplementierers zurückzuführen, sondern das Resultat kontinuierlicher Analyse der sich verändernden Kontextbedingungen. Projektimplementierer wiederum sollten LogFrames oder ähnliche Vorgaben nicht als zeitaufwendige Schreibübung, sondern als Rahmen für eine mehrstufige Auseinandersetzung mit der eigenen Projektplanung begreifen. 

Implementierer im Gastland besuchen und Arbeitsbeziehungen vertiefen

Bei aller Forderung nach Offenheit und Verständnis für die individuellen Kontextgegebenheiten bleiben die Arbeitsrealitäten von Angestellten der Ressorts und den von Projektimplementierern Entsandten und lokal Beschäftigten häufig sehr verschieden. In der Vergangenheit hat sich aber gezeigt, dass Projektbesuche im Gastland zu genau diesem vertieften Verständnis der maßgeblichen Realitäten vor Ort geführt haben. Dieses Verständnis zu entwickeln ist nicht nur bedeutsam für diejenigen Angestellten der Ressorts, die für die politische Steuerung verantwortlich sind, sondern auch für die, die sich um die reine Verwaltung der Projekte kümmern. Diese dort erzielten Kontakte und Beobachtungen legen den Grundstein für die vertiefte Zusammenarbeit, die dieser Beitrag fordert und die wir für eine effektivere Rechtsstaatsförderung benötigen.

Debatten

in Zusammenarbeit mit dem RSF-Hub der Freien Universität Berlin

Partner Rechtsstaatsförderung

Viktoria Vogt

Viktoria Vogt ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt RSF Hub von Freier Universität Berlin und Auswärtigem Amt (AA) und arbeitet im Referat S03 des AA zu Projekten der Rechtsstaatsförderung.