Mobilität und Netzwerke: Für mehr deutsche Jurist/innen in internationalen Missionen

17. Januar 2019   ·   Constanze Schimmel-Khalfallah

Die Bundesregierung sollte die Mobilität von deutschem Personal zwischen Entwicklungszusammenarbeit und friedenssichernden Missionen fördern, ihre Förderungsmaßnahmen ausweiten und gezielt Führungskräfte in diesem Bereich unterstützen. Außerdem sollte sie eine Community of Science & Practice für Rechtstaatlichkeitsförderung gründen, die Praktiker und Wissenschaftler interdisziplinär für Fachdialoge zusammenbringt.

Debatten

in Zusammenarbeit mit dem RSF-Hub der Freien Universität Berlin

Die Bundesregierung möchte die deutsche Beteiligung an den Rechtstaatskomponenten internationaler Missionen, insbesondere der EU und der Vereinen Nationen, weiter ausbauen. Doch wie kommen deutsche Juristinnen und Juristen derzeit in die Vereinten Nationen oder in zivile Missionen der EU bzw. der OSZE? Und wie kann die Bundesregierung diese Zugänge fördern?

Der Wandel des Berufsbildes „ziviler Experte“

Die erste Zugangsmöglichkeit besteht über eine deutsche Organisation bzw. ein Auswahlverfahren. Hier ist insbesondere die Rolle des Zentrums für internationale Friedenseinsätze hervorzuheben. 2017 wurde das Sekundierungsgesetz reformiert: Die im ZIF-Expertenpool registrierten „zivilen Experten“ können nun als „Langzeitsekundierte“ mit einem deutschen Arbeitsvertrag in v.a. EU- bzw. OSZE-Missionen geschickt werden. Diese Gesetzesänderung war der Endpunkt eines langen Transformationsprozesses, der – längst überfällig – dem Wandel des Berufsbildes „ziviler Experte“ Folge trug.

Oft geht der deutsche „zivile Experte“ eben nicht mehr nur ein- oder zweimal für ein paar Jahre ins Ausland und kehrt danach nach Deutschland zurück. Das Berufsfeld hat sich sozusagen verselbständigt, d.h. „zivile Experten“ gehen oft von einer in die nächste Mission. Das geänderte Sekundierungsgesetz ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Doch um wirklich sicherzustellen, dass eine Sekundierung tatsächlich ein attraktives Gesamtpaket für hochqualifizierte Fachkräfte darstellt, sollte die Bundesregierung dieses noch weiter verbessern.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Wer nämlich nicht nur die Beteiligung allgemein, sondern gezielt auch die Beteiligung am mittleren oder höheren Management erhöhen will, muss sich Folgendes bewusst sein: Es gibt hochqualifiziertes, sekundiertes Personal, das sich, sobald es um Familienplanung geht, von der Arbeit in Friedensmissionen verabschiedet, und an Einsatzorte und Organisationen abwandert, die ihnen ein Leben mit Familie ermöglichen bzw. erleichtern. Da Sekundierungen auch keine wirklichen Ausgleichszahlungen (wie im UN-System vorhanden) für den Einsatz an non-family duty stations vorsehen, werden für einen gewissen Zeitraum Einsätze z.B. in EU-Missionen uninteressant. Dies gilt für alle Experten, die sich nach mehreren Posten in hardship duty stations, einen anderen Lebenskontext – zumindest für ein paar Jahre – wünschen, aber insbesondere für Frauen, die nach einer Schwangerschaft nur schwer wieder in eine solche hardship duty station zurückkönnen, an die man von Seiten der Organisation seine Familie nicht mitbringen darf (strictly non-family).

Die Bundesregierung sollte über Maßnahmen nachdenken, die Mobilität zwischen den Systemen fördern, z.B. der deutschen Entwicklungszusammenarbeit und den Sekundierungen, sowie durch gezielte Maßnahmen v.a. auch weibliches hochqualifiziertes Personal für Führungsrollen im System zu behalten und zu fördern. Dies könnte einerseits durch attraktive Familienzuschüsse erreicht werden, die es erleichtern, die Familie im nächstgelegenen „sicheren“ Land anzusiedeln, sowie regelmäßige Flüge zu diesem Ort beinhalten bzw. zur Überbrückung einiger Jahre den Einsatz z.B. in Ministerien oder im Hauptquartier der internationalen Organisationen ermöglichen, damit die Karriere nicht notwendigerweise unterbrochen werden muss.

Junior Professional Officer-Programme ausbauen

Ein weiterer Schwachpunkt an dem jetzigen System der Sekundierungen ist, dass „zivile Experten“ durch das ZIF nur vereinzelt an UN-Missionen im Rahmen von sog. non-reimbursable loan agreements sekundiert werden. Einer der Gründe hierfür ist im UN-System zu suchen, das Sekundierungen nur unter engen Kriterien akzeptiert. Allerdings gibt es andere Regierungen, die solche Entsendungen für einen gewissen thematischen Schwerpunkt möglich machen (siehe z.B. NORCAP). Die Bundesregierung sollte über eine ähnliche Initiative für Rechtstaatsförderung nachdenken.

Auch das Junior Professional Officer-Programm des BFIO ist zunächst einmal ein deutsches Auswahlverfahren, an das sich noch ein Auswahlverfahren der Vereinten Nationen anschließt. Hin und wieder findet man im JPO-Programm auch Stellen in UN-Friedensmissionen. Diese sollte die Bundesregierung ausbauen. Abhängig von der UN-Organisation werden zwar in der Regel JPOs dann bei Weiterbewerbungen auf andere Posten innerhalb des UN-Systems nicht als interne Kandidaten betrachtet, trotzdem kann die einschlägige Berufserfahrung die Bewerbungschancen erhöhen. Außerdem sollte man entsprechend des SARC-Programms auch nicht nur an P2, sondern auch an P3-Stellen denken und insbesondere Stellen in der Koordinierung bei sogenannten integrierten UN-Missionen besetzen, in denen der Deputy Secretary-General der Mission sowohl die Aufgabe des UN Resident Coordinator als auch des humanitären Koordinators übernimmt.

Wer zur UN möchte, braucht Netzwerke 

Eine zweite Zugangsmöglichkeit besteht darin, dass sich externe (d.h. nicht bereits im UN-System beschäftigte) deutsche Juristen selbst bei den Vereinten Nationen auf Posten bewerben. Ohne vorherige einschlägige Berufserfahrung ist dies schwierig. Probleme mit der UN-Rekrutierung wurden bereits vielerorts besprochen und diskutiert. Ohne Netzwerk ist es nicht einfach, sich gegen andere Bewerber durchzusetzen, da selbst bei Kandidaten, die auf einem Judicial Affairs-Roster stehen, der Hiring Manager oft Personen bevorzugt, die er bereits kennt.

Hier sollte die Bundesregierung ein thematisches Netzwerkes zur Rechtsstaatsförderung für internationale oder regionale Friedensmissionen schaffen, durch die Botschaften vor Ort die Kandidaturen auf P3- oder P4-Ebene unterstützen sowie deutsche Juristen aktiv ansprechen, die sich bereits in einem Land (für z.B. eine NGO) befinden. Eine Möglichkeit, die sich nicht regelmäßig, aber in gewissen Abständen bietet, sind die Stellenausschreibungen der UN für bestimmte thematische Roster. Hier könnte man für ein bestehendes Netzwerk deutscher Kandidaten besondere Vorbereitungsseminare anbieten.

Drittens können sich interne (d.h. sich bereits im UN-System befindliche) deutsche Juristen auf Posten in UN-Missionen bewerben. Es wäre wichtig, diese Deutsche besser mit den anderen Kategorien von Bewerbern zu vernetzen, um z.B. Mentoring-Programme bzw. Empfehlungen für Stellenbewerbungen zu ermöglichen. Hierdurch könnte insbesondere eine deutsche Beteiligung auf P3 bzw. P4-Ebene gestärkt werden.

Darüber hinaus bieten sich für Berufseinsteiger Nachwuchsprogramme wie z.B. das UN Volunteer-Programm, das Mercator Kolleg für internationale Aufgaben oder das (in der Regel unbezahlte) Praktikantenprogramm der UN an. Für Doktoranden nach dem Zweiten Staatsexamen kann unter Umständen aber eine Förderungslücke bei deutschen Stipendienprogrammen bestehen, da ein Hochschulabschluss in der Regel nicht länger als zwei Jahre zurückliegen soll.

Community of Knowledge & Practice für Rechtstaatsförderung gründen

Es ist unumgänglich – sowohl für die Zugangschancen als auch die Karriereentwicklung – über ein informelles Netzwerk zu verfügen. Große jährliche Konferenzen sind hierzu nicht unbedingt notwendig, allerdings sollte gezielt eine Community of Knowledge & Practice für Rechtstaatsförderung gegründet werden, in der Praktiker, Wissenschaftler und Politikverantwortliche regelmäßig zusammenkommen, ihr Netzwerk pflegen sowie sich in Fachdiskursen mit praktischen Fragestellungen auseinandersetzen. Somit wird ein konstanter Austausch von Praxis und Wissenschaft gewährleistet. Hier sollte der Schwerpunkt auf praktische Aspekte der Arbeit zur Rechtstaatsförderung gelegt und gezielt Regionalkompetenzen gestärkt werden. In dieses Netzwerk sollte die Bundesregierung v.a. Personal einzubinden, das im Feld eingesetzt ist und oft nur einen schlechten Zugang zu solchen Netzwerken hat. 

Das Anforderungsprofil einer Tätigkeit in der Rechtstaatsförderung in internationalen oder regionalen Friedensmissionen setzt mehr voraus, als Gesetzesentwürfe kommentieren zu können. Gefragt sind: Pragmatismus, strategisches und disziplinübergreifendes Denken, (interkulturelles) Kommunikationsgeschick sowie Erfahrung in Aufbau und Stärkung von Justizapparaten, Projektmanagement, und insbesondere in der Arbeit mit einer oft durch den Konflikt traumatisierten Zivilbevölkerung. Genau diese Aspekte sollten in der Community of Science and Practice thematisiert werden.

Debatten

in Zusammenarbeit mit dem RSF-Hub der Freien Universität Berlin

Vereinte Nationen Rechtsstaatsförderung

Constanze Schimmel-Khalfallah

Dr. Constanze Schimmel-Khalfallah ist derzeit für die Max Planck Stiftung für internationalen Frieden und Rechtsstaatlichkeit in Bamako, Mali, in der Beratung der malischen Regierung zur Verfassungsreform tätig.