Rechtsstaatsförderung in schwierigem Umfeld

26. März 2019   ·   Franziska Rinke

Weltweit schrumpft der Handlungsspielraum von NGOs. Der fachbezogene Ansatz der Rechtsstaatsförderung eröffnet jedoch den Zugang zu Themen, die sonst aus politischen Gründen nicht angesprochen werden können. Hierbei muss sich die deutsche Strategie eng an demokratischen Werten orientieren, da sie andernfalls autoritäre Systeme stärken würde. Außerdem sollte sie verschiedene deutsche Akteure besser miteinander vernetzen.

Debatten

in Zusammenarbeit mit dem RSF-Hub der Freien Universität Berlin

Die Konrad-Adenauer-Stiftung führt in über 100 Ländern Projekte zur Förderung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten durch. In vielen unserer Einsatzländer sind derzeit besorgniserregende Entwicklungen zu beobachten. Vielerorts befindet sich der Rechtsstaat in einem kritischen Zustand.

Shrinking Spaces sind ein globaler Trend 

Die gezielte Einschränkung der Aktivitäten von zivilgesellschaftlichen Akteuren erschwert die Arbeit vor Ort zusätzlich. Diese sogenannten Shrinking Spaces werden mehr und mehr zu einem Problem in vielen unserer Einsatzländer. Dies stellt einen globalen Trend dar. 2018 stellte Freedom House das dreizehnte Mal in Folge Rückschritte im Bereich politischer Freiheiten weltweit fest. Am beunruhigendsten ist dabei laut Freedom House, dass sogar langjährige Demokratien durch populistische Kräfte erschüttert werden, die sich gegen Grundprinzipien wie Gewaltenteilung aussprechen.

Das Schrumpfen von Handlungsspielräumen von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wie der Konrad-Adenauer-Stiftung scheint also nicht lediglich ein Instrument autoritärer Mächte zu sein. Die freiheitliche Demokratie und der Rechtsstaat sind auch in Teilen des Westens unter Druck geraten.

Unterschiedliche Methoden mit demselben Ziel

Die „Kreativität“ der Beschränkungen ist dabei vielfältig. Mit Regularien zur Registrierung, Betätigung und Finanzierung werden NGOs in ihrer Arbeitsweise teilweise erheblich eingeschränkt. Politischen Stiftungen mussten ihre Arbeit in China beispielsweise mit dem Anfang 2017 in Kraft getretenen NGO-Gesetz unter strenger staatlicher Kontrolle neu aufstellen. Nach neuer Gesetzeslage bedarf es einer chinesischen Partnergesellschaft für eine erneute Registrierung und Wiederaufnahme der Arbeit.

Aber nicht nur in China sind NGO-Gesetze „en vogue“, mit ganz unterschiedlicher Ausgestaltung, aber der gleichen Zielrichtung. Nach diesen Gesetzen müssen teilweise Organisationen, die aus dem Ausland finanziert werden, als „ausländische Agenten“ gekennzeichnet werden. Dies verfolgt das klare Ziel, zivilgesellschaftliche Akteure zu stigmatisieren und von deren Zielgruppen zu entfernen.

Einen schweren Schlag gegen die Zivilgesellschaft und den Rechtsstaat stellte die Verurteilung unserer Mitarbeiter in Ägypten im Jahr 2013 dar. Das Gericht hatte ihnen illegale Geldtransfers sowie Arbeiten ohne Lizenz vorgeworfen. Der damalige Büroleiter wurde in seiner Abwesenheit zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt. Das Gericht ordnete außerdem die Schließung des Büros an.

Erst Ende 2018 wurden unsere Mitarbeiter vom Kairoer Berufungsgericht freigesprochen. Gerade das Ausmaß dieser Fälle zeigt, dass einzelne Organisationen machtlos sind. Hier sind Bundesregierung, Parlament und Öffentlichkeit gefordert, Einschränkungen der zivilgesellschaftlichen Aktivitäten mit den entsprechenden Staaten offensiv zu thematisieren und Verbesserungen zu fordern.

Fachbezogener Ansatz eröffnet Zugänge

Bis es zu Änderungen auf politischer Ebene kommt, ist es aus unserer Sicht dennoch wichtig, vor Ort den verbleibenden Handlungsspielraum auszufüllen. Unserer Erfahrung nach eröffnet der fachbezogene Ansatz in unseren Rechtsstaatsprogrammen über klug reflektierte Themen Zugänge, die für Deutschland sehr wichtig sein können. Gerade in politisch schwierigen Konstellationen, wie etwa in der MENA Region, hat sich die Arbeit in unserem Rechtsstaatsprogramm in den letzten Jahren als wegbereitend erwiesen.

Eine gut funktionierende Herangehensweise war hierbei die Vorbereitung eines fachlichen Experten-Dialogs zu ganz konkreten Themen im Kerngebiet der Rechtsstaatsarbeit unter Einbindung internationaler Erfahrungen. Dies reicht von Themen des Aufbaus einer Verwaltungsgerichtsbarkeit bis hin zu Inhalten und Methoden der Richterausbildung oder Fragen richterlicher Unabhängigkeit. Diese Beispiele verdeutlichen: Wenn gesellschaftspolitische Themen aus politischen Gründen nicht bearbeitet werden können, können unsere Rechtsstaatsprogramme diese oft auf akademisch-rechtswissenschaftlicher Ebene angehen.

Der Zivilgesellschaft kommt eine entscheidende Funktion als Entfaltungsraum politischer Ideen und Konzepte zu. Ihre Akteure sind als Watchdogs von fundamentaler Bedeutung, etwa wenn sie vor Ort oder im Ausland über Verstöße gegen zentrale Normen von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit berichten. Deutsche Außen- und Entwicklungspolitik sollte daher die wertegebundene Demokratie- und Rechtsstaatsförderung noch stärker in den Vordergrund ihres außenpolitischen Handelns stellen.

Reine Governance-Förderung kann autoritäre Regime stärken

Es reicht nicht aus, wenn Demokratie- und Rechtsstaatsförderung in einer eher wertefreien Governance-Förderung aufgeht, mit dem Ziel, Ineffizienzen und Korruption in staatlichen Organen zu bekämpfen. Stattdessen sollte der Fokus auf die aktive Förderung und Verteidigung der materiellen Kernprinzipien eines funktionsfähigen demokratischen Rechtsstaats gelegt werden. Deutsche Rechtsstaatsprogramme müssen insbesondere die Gewaltenteilung stärken und auf eine unabhängige Justiz hinarbeiten. Die Verankerung von Rechtstaatsarbeit und Politik ist hierbei unerlässlich.

Dies soll natürlich nicht heißen, dass Governance-Förderung obsolet ist. Idealerweise sollten beide Förderarten komplementär zueinander funktionieren und sich gegenseitig in ihrer Wirkung verstärken. Aber: Eine Governance-Förderung ohne materielle Demokratie- und Rechtsstaatsförderung birgt die Gefahr, autoritäre Regime noch weiter zu stärken, indem sie leistungsfähige staatliche Institutionen fördert.

Im Bereich der Rechtsstaatsförderung sollte die Bundesregierung darüber hinaus die verschiedenen deutschen Akteure in einen besseren Austausch bringen. Eine klare und ressortübergreifende Zusammenarbeit sowie ein kontinuierlicher, vernetzter Austausch sind dringend nötig. Derzeit finden auf Ministeriumsebene vereinzelt Austauschrunden statt. Hier kommen verschiedene Akteure der Zivilgesellschaft und Durchführungsorganisationen mit Wissenschaftlern und Ministerialbeamten zusammen. Doch dies geschieht eher ad hoc und zufällig. Es ist daher nicht überraschend, dass sich dieses Bild in den Einsatzländern vor Ort fortsetzt. Im Ausland könnten Botschaften die Initiative ergreifen und Raum schaffen für Diskussionsforen, um handelnde Akteure der Rechtsstaatsförderung an einen Tisch zu bringen. Dies würde nicht nur die Netzwerke stärken, sondern auch den Schutz der einzelnen Akteure vor Ort erhöhen.

Debatten

in Zusammenarbeit mit dem RSF-Hub der Freien Universität Berlin

Zivilgesellschaft Rechtsstaatsförderung

Franziska Rinke

Dr. Franziska Rinke ist Koordinatorin der Rechtsstaatsprogramme (Lateinamerika, Asien, Subsahara-Afrika, Südosteuropa und Nord-Afrika/Naher Osten) der Konrad-Adenauer-Stiftung.