Rechtsstaatsförderung auf dem internationalen Parkett: Das Beispiel des SDG 16

16. April 2019   ·   Florian Kriener

Die Bundesregierung sollte sich im Rahmen der Rechtsstaatsstrategie dazu verpflichten, auf internationaler Ebene klare Standards festzulegen. Denn nur wenn zwischen Geber- und Empfängerländern über die Ziele der Rechtsstaatsförderung Konsens herrscht, kann diese auch in der Umsetzung gelingen.

Debatten

in Zusammenarbeit mit dem RSF-Hub der Freien Universität Berlin

Rechtsstaatsförderung erfolgt vor allem in Form von Beratungen, Aus- und Weiterbildungen. Das Partnerland, in dem ein Projekt durchgeführt werden soll, sollte mit den Inhalten der Förderung übereinstimmen. Darüber herrscht Konsens. Doch nicht zuletzt die Debatte auf dem PeaceLab-Blog zeigt, wie schwierig es sein kann, sich mit lokalen Akteuren auf gemeinsame Inhalte zu einigen.

Inhalte und Ziele sollten daher idealerweise bereits vorher zwischen den Geber- und Empfängerländern beschlossen sein, zum Beispiel durch völkerrechtliche Dokumente. Um effektive Rechtsstaatsförderung betreiben zu können, muss Deutschland daher stärker auf international verbindliche und wohl durchdachte Standards in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und nachhaltige Entwicklung hinarbeiten und für deren Kohärenz sorgen.

Einigung auf einheitliche Standards

Die wichtigsten Foren, in denen diese Art von internationaler Rechtsstaatspolitik erfolgt, sind die Vereinten Nationen, die EU, die OSZE und der Europarat mit seiner Venice Commission. Hier, und wo immer sich sonst Gelegenheit dazu bietet, sollte die Bundesregierung bei der Schaffung dieser internationalen Standards aktiv, kritisch und innovativ mitwirken und im Anschluss eine effektive Umsetzung durch konkrete Projekte zu gewährleisten. Denn nicht nur die Bundesrepublik bindet sich hierdurch. Alle Geber- und Empfängerländer in der Rechtsstaatsförderung einigen sich auf einheitliche Standards, die in ihren Ländern umgesetzt werden sollen.

Dass das Engagement der Bundesregierung hingegen nicht nach Abschluss eines Dokuments aufhören kann, zeigt das Beispiel des Sustainable Development Goal (SDG) 16. Hier lohnt es, kurz in die Vorgeschichte und dann in die Zukunft zu blicken. Als größte Schwäche der Millennium Development Goals (MDGs) von 2000 galt, dass in ihnen der Aufbau von Rechtsstaatlichkeit nicht erwähnt wurde. Entwicklungshilfeprojekte, die sich an den MDGs ausrichteten, folgten keinem einheitlichen Konzept von Rechtsstaatsförderung und waren daher in dieser Hinsicht ineffektiv, wenn nicht sogar schädlich. Die Berücksichtigung von Rule of Law in Ziel 16 der Sustainable Development Goals (SDG) ist daher bereits ein wichtiger Schritt.

Das Resultat: „typische“ Wortklauberei zwischen Staaten

SDG 16 wurde zunächst durch mehrere Open Working Groups ausgearbeitet und diskutiert. Hierzu waren neben Staaten auch NGOs eingeladen, um ihre Auffassungen in die Diskussionen einzubringen. Zum Ende der Verhandlungen wurden die Vertreter der Zivilgeselschaft hingegen zunehmend ausgeschlossen und es folgte die „typische“ Wortklauberei zwischen den Staaten. Als Resultat lautet SDG 16 (auszugsweise) jetzt:

"Promote Peaceful and Inclusive Societies for Sustainable Development, Provide Access to Justice for All and Build Effective, Accountable and Inclusive Institutions at All Levels".

16.3 Promote the rule of law at the national and international levels and ensure equal access to justice for all

16.7 Ensure responsive, inclusive, participatory and representative decision-making at all levels

16.10 Ensure public access to information and protect fundamental freedoms, in accordance with national legislation and international agreements

Was sich zunächst vielversprechend anhört, ist im Detail nicht widerspruchsfrei.

Der Teufel steckt im Detail

Zum Beispiel wird im SDG 16 der Begriff Access to Justice als Oberbegriff verwendet. Hingegen wird in Target 16.3 der Begriff Rule of Law verwendet. Allerdings bildet Rule of Law nach allgemeiner Auffassung den Oberbegriff, während Access to Justice nur ein Teil hiervon ist. Welche Bedeutung dieser begrifflichen Umkehr zukommt, ist nicht geklärt.

Darüber hinaus ist völlig unklar, ob Access to Justice und Rule of Law auch durch Customary Justice Mechanisms gewährleistet werden können. Der allgemeine, umstrittene, aber nicht näher definiert Begriff des Rule of Law in Target 16.3 bietet hierzu keine Antwort. In Target 16.6 wird der Begriff Institutions angeführt. Im westlichen Verständnis sind hiermit Gerichte und Behörden gemeint. Kann aber auch ein Chief in Ghana eine Institution in diesem Sinne sein? Kann er ein inklusives decision-making ermöglichen wie Target 16.7 fordert? Es gibt Argumente dafür und dagegen.

Solange diese Fragen auf internationaler Ebene nicht gemeinsam entschieden sind, werden sie auf Durchführungsebene immer wieder zu Differenzen führen, die wiederum die effektive Durchsetzung von Projekten gefährden. Wenn verschiedene Partnerländer Projekte zur Rechtsstaatsförderung gemeinsam gestalteten sollen, ist in diesen Fragen Klarheit notwendig. Die Bundesregierung sollte genau darauf hinwirken und sich dazu in der geplanten Strategie verpflichten.

Klarheit auf internationaler Ebene lohnt sich

Um bei dem Beispiel von SDG 16 zu bleiben: Der bevorstehende Review Prozess bietet Gelegenheit für Verbesserungen. Erfreulicherweise hat sich die Bundesregierung der Initiative der Pathfinders for Peaceful, Just and Inclusive Societies angeschlossen. Die Pathfinders wollen konkrete Umsetzungspläne für SDG 16 erarbeiten. Hierbei diskutieren sie auch, welche Vorstellung von Rechtsstaatlichkeit der Förderung zugrunde liegt. Die Ergebnisse werden auf den SDG Review Konferenzen im Juli und September 2019 vorgestellt und umgesetzt. In genau diesen Foren sollte Deutschland daran mitwirken, internationale Standards zur Rechtsstaatsförderung zu klären, gemeinsame Ansätze zwischen Partnerländern zu entwickeln, aber auch Differenzen zu diskutieren. Rechtsstaatsförderung kann auf diese Weise in den multilateralen Beziehungen eine viel höhere Priorität gewinnen als bislang. 

Und dies lohnt sich. Zwar ist der Fortschritt in der Umsetzung von SDG 16 noch verhalten. Die Reviewberichte von 2016, 2017 und 2018 sprechen von einem uneven progress. Allerdings haben in den vergangenen Jahren 25 Länder Freedom-of-Information-Gesetze verabschiedet. Dies ist eine konkrete Forderung aus Target 16.10 und soll transparentere Institutionen gewährleisten. In den Bereichen, in denen die gemeinsamen Ziele klar formuliert sind, zeigen somit die SDGs also Wirkung. Kluge internationale Rechtsstaatspolitik ermöglicht also viel. Die Bundesregierung sollte eine entsprechende Selbstverpflichtung in der geplanten Strategie verankern.

Debatten

in Zusammenarbeit mit dem RSF-Hub der Freien Universität Berlin