Institutionelle Innovation in der Rechtsstaatsförderung: Regionale Kompetenzzentren

31. Mai 2019   ·   Georg Schlüter, ​Duc Quang Ly

Die Rechtsstaatsförderung braucht neue Wege und Modelle. Eine Innovation, die sich bewährt hat, sind Kompetenzzentren wie das German-Southeast Asian Center of Excellence for Public Policy and Good Governance (CPG). Solche Zentren sind insbesondere eine Antwort auf das ownership-dilemma und die erforderliche Kontextualität der Rechtstaatsförderung.

Debatten

in Zusammenarbeit mit dem RSF-Hub der Freien Universität Berlin

Rechtsstaatsförderung, so argumentieren auch viele Autoren auf diesem Blog, kann nur gelingen, wenn sie kontextsensibel und nachhaltig ist. Dazu braucht es mitunter neuer Wege und Modelle, die über die gängigen Projektlogiken hinausgehen. Eine institutionelle Innovation, deren Kenntnis dazu helfen mag, Perspektiven zu weiten und Argumente zu prüfen, ist das German-Southeast Asian Center of Excellence for Public Policy and Good Governance (CPG), das wesentlich vom Auswärtigen Amt und vom DAAD gefördert wird. Vor zehn Jahren in Thailand entstanden, ist es heute eine in der Region fest verankerte und weit darüber hinaus wirkende Institution, die in vielfacher Hinsicht einen nachhaltigen Beitrag zur Rechtstaatsförderung (RSF) leistet und sich dabei von anderen Akteuren deutlich unterscheidet. Ein Kompetenzzentrum wie das CPG ist insbesondere als Antwort auf zwei zentrale Probleme der RSF interessant: das ownership-dilemma und die erforderliche Kontextualität der RSF.

Das CPG dient dabei (1) der Förderung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten, Frieden und Sicherheit sowie der guter Regierungsführung und Normcompliance, (2) der Vorhaltung eines Fach- und Kompetenzzentrums mit einer allgemeinen Expertise im Bereich Verfassungsrecht, Geopolitik und Governance sowie einer besonderen Regionalexpertise zu ausgewählten Fragen Recht und Politik Asiens betreffend, (3) der Stärkung des deutschen Rechts und der deutschen Rechtswissenschaft in Thailand und der Region, und (4) der Sichtbarkeit des deutschen Engagements in Asien und der Stärkung der Beziehungen zu Deutschland.

Kompetenzzentren funktionieren nur autonom und dennoch lokal verankert und an Realitäten vor Ort angepasst

Die Schaffung des CPG war das Ergebnis eines umfassenden Lernprozesses. Während die Gründer einiges von amerikanischen Think Tanks lernten, diente u.a. das 1993 auf Initiative Präsident Mitterrands gegründete, 2012 aufgelöste französische ‚Maison du Droit‘ in Hanoi/Vietnam als Abgrenzungsmodell. Es bot Richtertrainings, Beratung französischer Experten, Sprachkurse sowie Übersetzungen von französischen Rechtstexten an. Eine Analyse des gleichwohl ausbleibenden Erfolgs ergab drei signifikante Ursachen: den Standort Vietnam mit seinen politischen Begrenzungen, die mangelnde Verankerung in den lokalen Realitäten bei gleichzeitig geringer Handlungsautonomie und die alleinige Fokussierung auf das französische Recht in seiner Breite. Dazu kam die Art und Weise der Maßnahmendurchführung: nicht nah an den Realitäten orientiert, nicht angemessen konzipiert und vermittelt, nicht ausreichend intensiv.

Das CPG als Beispiel für ein regionales Kompetenzzentrum in der RSF 

Beim Design des CPG haben sich insoweit vier Eigenschaften bewährt: Erstens verbindet das Zentrum in seiner Tätigkeit Theorie und Praxis, ist in Forschung, Ausbildung, Fortbildung und verschiedenen Beratungsformaten aktiv. Zweitens ist das Zentrum eine Stelle, die einerseits zentrale Bereiche der RSF, anderseits aber auch die normativen und politischen Lagen vor Ort fachlich abdeckt. So reflektiert es als Instanz der RSF zugleich seinen eigenen Wirkkontext. Drittens ist es interdisziplinär, wenn auch im Schwerpunkt juristisch ausgerichtet. Viertens ist das CPG als ein deutsch-thailändischer Hybrid mit einer ‚institutionalisierten ownership‘ versehen, wird gleichzeitig aber vollständig autonom im Sinne seiner Zwecksetzung betrieben.

Im Einzelnen: Das CPG ist ein institutionell eigenständiges, durch drei deutsche und die führende thailändische Rechtsfakultät gebildetes Zentrum mit Sitz in Bangkok. Als regionale Drehscheibe für die internationale Politik und Wirtschaft bietet Bangkok die größten politischen Freiräume und damit den noch immer optimalen EZ-Standort in Asien. Hier verbindet das CPG als Forschungsinstitut und Kompetenzzentrum, das zugleich als Think Tank und Serviceprovider fungiert, Theorie und Praxis, ist regional und interdisziplinär (im Schnittfeld von Recht und Politik) ausgerichtet und weltweit vernetzt. Durch eine als Stiftung thailändischen Rechts organisierte Schwesterinstitution, die ‚Asian Governance Foundation‘, ist seine Handlungsfähigkeit in Zeiten der ‚shrinking spaces‘ zusätzlich gesteigert. Insgesamt ermöglicht die lokale Einbettung und Verankerung nicht nur größere Sachnähe, sondern auch einen deutlich besseren Zugang zu relevanten Partnern als rein deutsche Stellen ihn genießen – und das nicht nur in Thailand, sondern auch regional, im Süd-Süd-Dialog.

Mit rund zehn Mitarbeitern, einem Kreis assozierter Hochschullehrer der Partneruniversitäten, zahlreichen als fellows und associates institutionell verbundenen Akademikern und Praktikern unterschiedlicher Disziplinen aus Europa, Amerika und Asien, sowie einem weit verzweigten Partnernetzwerk hält das CPG eigene Expertise vor, kann aber jederzeit auch zusätzliche Expertise generieren, koordinieren, und verstärkend fruchtbar machen.

Dabei wird das CPG in drei verzahnten Wirkdimensionen tätig, die sich mit den Schlagwörtern ‚Fach-‘, ‚Regional-‚ und ‚Deutschlandzentrum‘ beschreiben lassen. Zu ihnen läuft die RSF gewissermaßen quer. Der Nachhaltigkeit und Effizienz des Zentrum dient die wechselseitige Verstärkung der einzelnen Wirkdimensionen:

Zum Bespiel mögen in einem Beratungsprojekt die fachliche Expertise ‚Geopolitik‘ oder ‚Verfassungsrecht‘ mit der Regionalexpertise ‚Asien‘ zusammenfallen oder in einem Trainingsprojekt für Richter die rechstvergleichende Kompetenz zum Verhältnismäβigkeitsprinzip als des wohl erfolgreichsten deutschen ‚Rechtsexports‘ aktiviert werden.

Die Reputation des CPG als Fach- und Regionalzentrum ist wiederum Erfolgsbedingung für seine Aktivitäten als ‚Deutschlandzentrum‘, das Impulse zur Verbreitung des deutschen Rechts, der deutschen Sprache, Kultur und Geschichte setzt. So erst wird oftmals das Interesse an einer Ausbildung in Deutschland geweckt und außerdem eine optimale Vorbereitung geboten.

Vor allem ist die genaue Kenntnis der Gegebenheiten vor Ort – Stichwort ‚Regionalzentrum‘ – eine Bedingung dafür, lokale Partner angemessen erfassen und Projekte insgesamt angemessen in ihrem Kontext einschätzen zu können.

Die komplexe und abgestimmte Struktur des Zentrums ermöglicht den Aufbau eines heterogenen und weitgespannten Netzwerks und ein besonders effzientes Kosten-Nutzenverhältnis in der Aufgabenwahrnehmung.

Handlungsformen der RSF können dabei sehr unterschiedlich sein. Dazu gehören neben Forschung und unterschiedlichen Formaten der Rechts- und Policyberatung, Trainings für Praktiker, die Juristenausbildung bzw. Förderung asiatischer Akademiker, die Produktion/Übersetzung von Quellenmaterial und verschiedene Publikationsformate, Maßnahmen der Bewusstseinsbildung, oder die Unterstützung von stakeholdern durch die Zurverfügungstellung einer Plattform für die eigene Profilierung bzw. die Hilfe bei der Kontaktaufnahme, Vernetzung oder dem Zugang zu Resourcen.

Maβnahmendesign in übergreifenden Prozessen, nicht nur in Einzelprojekten 

Alle am Zentrum verfolgten Maβnahmen sind Teil übergreifender Prozesse. Ein Beispiel: Im Bereich der Juristenausbildung werden Vorlesungen zum deutschen Recht auf Englisch, eine Fremdsprachenausbildung ‚Deutsch‘ und ‚Schools‘ zu einzelnen Themenbereichen wie ‚Menschenrechte und Entwicklung‘ angeboten, die ebenso auf ein Studium in Deutschland vorbereiten wie die ständig mögliche Teilnahme an Konferenzen, Seminaren und Workshops oder die Mitarbeit an Forschungs- und Beratungsprojekten. Dazu kommt ein deutschlandbezogenes Kultur- und studien- bzw. berufsbezogenes Beratungsangebot, wobei Studenten und Berufsträger an den deutschen Partneruniversitäten mit z.T. großem Aufwand betreut werden. Dem Zentrum bleiben sie als Alumni weiterhin oft eng verbunden, – auch im Arbeitsalltag des CPG in ihren Funktionen als Richter, Beamte und Politiker. Eine solche Verzahnung akademischer und praxisbezogener Arbeit bei recht genauer Kenntnis der gegebenen Bedürfnisse und Fähigkeiten ist eine weitere Bedingung für den Erfolg eines solchermaßen organisierten RSF.

Fazit

Ein angemessen aufgestelltes Fachzentrum vor Ort kann sich als lernende Struktur sowohl im Hinblick auf die Inhalte als auch die Bedingungen der RSF ständig weiter entwickeln.

Im Unterschied zu vielen Organisationen der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit kann ein Kompetenzzentrum wie das CPG mit seiner lokalen Verankerung und Vernetzung im Ergebnis langfristig, flexibel und vielgestaltig auf Prozesse einwirken, die es aus der ‚Mitte des Geschehens‘ schöpfend und zugleich aus einer breiter gefassten und tiefer eingestellten Perspektive zu erfassen vermag. Im Verhältnis zu einzelnen entsandten Experten verfügt es über mehr lokales Wissen, einen eingespielten Apparat und die Möglichkeit, seine Ziele in einem breit gefächerten Maßnahmenspektrum über eng gefasste Projektlogiken hinausgreifend zu realisieren. Im Verhältnis zu anderen Institutionen der RSF wird es zudem als Katalysator, Verstärker, Integrationsinstanz, Mediator und Transformator genutzt.

Durch die Abrufbarkeit einer ständig zunehmenden Beratungskompetenz in einer geopolitisch wichtigen Region wie Asien und eine entsprechend anwachsende ‚soft power‘ erhält die Nachhaltigkeit der Förderung derartiger Zentren eine weitere Dimension.

Debatten

in Zusammenarbeit mit dem RSF-Hub der Freien Universität Berlin

Rechtsstaatsförderung

Georg Schlüter

Georg Schlüter ist ein in Deutschland und Südostasien tätiger Rechtsanwalt und Berater, der einige Jahre in der Entwicklungszusammenarbeit bzw. Rechtsstaatsförderung gearbeitet hat.

​Duc Quang Ly

Duc Quang Ly ist Projektmanager des German-Southeast Asian Center of Excellence for Public Policy and Good Governance (CPG), an der Faculty of Law, Thammasat Universität.