Warum Klimaschutz Krisenprävention ist: Das Beispiel Burkina Faso 03. September 2019 · Stefanie Wesch, Lisa Murken, Kira Vinke In Burkina Faso verschärfen extreme klimatische Bedingungen bestehende Spannungen und Konflikte. Ohne ein besseres Verständnis von regionalen Klimafolgen und deren Auswirkungen auf die Lebensgrundlagen der Menschen und das gesellschaftliche Gefüge greifen Krisenpräventionsmaßnahmen zu kurz. Debatten Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern Prioritäten bis 2021 Der Klimawandel bedroht nicht nur die Ernährungssicherheit und die Existenzsicherung der ländlichen Bevölkerung in Burkina Faso, sondern auch traditionelle Identitäten. Um die Sicherheitslage im Land nachhaltig zu verbessern, müssen sicherheitspolitische Instrumente mit größeren Investitionen in die Klimaanpassung in der Landwirtschaft und besseren Vorhersagen von Ernteverlustrisiken ergänzt werden. Investitionen in tragfähige Anpassungskonzepte, Zugang zu Klimafinanzierung und nicht zuletzt konsequenter Klimaschutz sind nötig, um Sicherheitsrisiken für Millionen Burkinabé zu minimieren. Klimafolgen treffen fragile gesellschaftliche Systeme 2018 traf Burkina Faso erneut eine schwere Dürre, die Ernten stark reduzierte, Futter für Vieh vernichtete und zum Tod von vielen Nutztieren führte. Nicht zuletzt deswegen waren in dem Jahr knapp eine Million Burkinabé auf Nahrungsmittelunterstützung angewiesen. In Kombination mit der wachsenden Terrorismusgefahr in den Grenzregionen Burkina Fasos zu Mali und Niger und den Flüchtlingsbewegungen aus Mali hat sich eine zunehmend dramatische humanitäre Situation entwickelt, die sowohl schnelles Handeln als auch langfristige Lösungsansätze erfordert. Die Verteilung knapper Ressourcen und der Kampf um den Zugang zu Land steigert das Konfliktpotential insbesondere zwischen Ackerbauern und Viehhirten. Die Konfliktreiber im Land sind vielschichtig und ineinander verwoben. Ein zunehmend relevanter Faktor ist der Klimawandel in Verbindung mit anderen menschengemachten Umweltstressoren. Die Sahelstaaten leiden seit Jahrzehnten unter der Degradierung von Böden, wiederkehrenden Dürren und Wetterextremen. Über 80 Prozent der burkinischen Bevölkerung sind in der Landwirtschaft beschäftigt und ihre traditionellen Kenntnisse finden oft keine Anwendungen mehr im sich verändernden Regionalklima. Kleinbauern und Viehhirten stehen zunehmend unter Druck, da ihre Lebensgrundlagen von gesunden Ökosystemen abhängen. Der Klimawandel verschärft Wetterextreme, beispielsweise durch häufigere Dürreperioden, steigende Niederschlagsvariabilität und aus Starkregen resultierende Überschwemmungen. Zudem werden Land und natürliche Ressourcen knapper: Durch Bevölkerungswachstum und fortschreitende Wüstenbildung schrumpfen landwirtschaftliche Nutzflächen. Die Verteilung knapper Ressourcen und der Kampf um den Zugang zu Land steigert das Konfliktpotential insbesondere zwischen Ackerbauern und Viehhirten. Terrorgruppen missbrauchen bestehenden Unmut Da in Burkina Faso einzelne Berufe typischerweise von bestimmten Ethnien ausgeübt werden, instrumentalisieren Konfliktparteien oft ethnische Zugehörigkeiten, um Gruppen zu mobilisieren. So gehen die beiden größten ethnischen Gruppen des Landes, Mossi und Bobo, eher der Bewirtschaftung von Äckern nach, während die Fulbe und Tuareg im Norden des Landes ihren Lebensunterhalt traditionell als Hirten verdienen. Obwohl das multi-ethnische Burkina Faso bisher für ein weitgehend friedliches Zusammenleben verschiedener Volksgruppen bekannt war, kam es bereits in der Vergangenheit immer wieder zu kleineren Wasser- und Landnutzungskonflikten zwischen den beiden landwirtschaftlichen Lebensformen. So entstehen regelmäßig interkommunale Konflikte, wenn Viehhirten ihre Tiere auf den Äckern sesshafter Bauern weiden lassen und deren Erträge zerstören. Ähnlich verhält es sich, wenn Ackerbauern in designiertes Weideland vordringen und dieses bewirtschaften. Denn dadurch wird es Hirten erschwert, bestimmte Passagen auf ihrer Weideroute zu durchqueren. Diese sogenannte Transhumanz, also Wanderweidewirtschaft über weite Distanzen, ist jedoch bei Völkern wie den Tuareg und den Fulbe oft tief in der kollektiven Identität verankert. Somit haben diese Konflikte das Potenzial, Gruppendynamiken zu befeuern und schnell eskalieren zu lassen. Hinzu kommt, dass regionale Ableger von der Al-Qaeda in the Islamic Maghreb (AQIM) und dem Islamic State in the Greater Sahel (ISGS) sich den bestehenden Unmut der Fulbe seit einigen Jahren zu Nutze machen, um besonders in ihren Reihen zu rekrutieren. Maßgeblich tragen dazu zahlreiche, oftmals gewalttätige Konfrontationen mit dem Militär bei, die als Diskriminierung der Fulbe seitens des Staates empfunden werden und so bestehende Sorgen dieser Volksgruppe bestätigen. Während Burkina Faso bisher weniger als andere afrikanische Nachbarn mit ethnischen Spannungen zu kämpfen hatte, droht die Stimmung nun zu kippen. Kapazitätsbildung zum Nexus Klimawandel und Sicherheit Durch ihre semi-nomadische Lebensweise ist die Definition von Landrechten für die Fulbe traditionell erschwert. Trotz verstärkter Bemühungen der Regierung, Landrechte für semi-nomadische Viehhirten zu sichern, sind die Fulbe durch die zunehmende Ausweitung von Ackerbau in ihrem Zugang zu Land bedroht. Die Spannungen zwischen den verschieden ethnischen Gruppen führten 2018 zur Mobilisierung von lokalen Bürgerwehren, die vorgeben, im Sinne der Selbstverteidigung etwaiger ethnischer Gruppen zu agieren. Daraus entstanden ein Brandherd interkommunaler Gewalt und eine zunehmende Marginalisierung der Fulbe. Mittlerweile vergeht kaum eine Woche ohne erneute Attacken auf Dörfer in den Grenzregionen des Landes, welche zuletzt Anfang Juni 19 Todesopfer forderten. Burkina Faso droht in eine Gewaltspirale abzurutschen. Immer mehr Menschen fliehen aus dem Norden des Landes, zunehmend auch in die Hauptstadt Ouagadougou. Die Food and Agriculture Organization (FAO) der Vereinten Nationen schätzt die Zahl der Binnenflüchtlinge auf etwa 220.000. Hinzu kommen 26.000 Geflüchtete aus Mali. Der Nexus zwischen Klimawandel und Sicherheit sollte zum standardisierten Programm der Führungsakademie und anderen Ausbildungszentren der Bundeswehr gehören. Während den Flüchtenden akut Schutz gewährt werden muss, gilt es auch, langfristig die tieferliegenden Konfliktursachen zu adressieren. Eine Möglichkeit für Geberländer wie Deutschland, staatliche Strukturen und insbesondere die Rechtsstaatlichkeit in Burkina Faso über einen längeren Zeitraum zu stärken, ist die Ertüchtigung des Sicherheitssektors. Hier ist es unabdingbar, ein Sensibilisierungstraining für Polizist*innen und Soldat*innen im Hinblick auf lokale Ethnien einzuführen. Eine umfassende Ertüchtigung kann sich positiv auf die Implementierung von Anpassungsmaßnahmen gegenüber dem Klimawandel auswirken, indem sie Korruption Einhalt gebietet und somit Gelder tatsächlich dort ankommen, wo sie benötigt werden. Da die Bundeswehr in mehreren vom Klimawandel betroffenen Gebieten aktiv ist, sollte der Nexus zwischen Klimawandel und Sicherheit zum standardisierten Programm der Führungsakademie und anderen Ausbildungszentren der Bundeswehr gehören. Grundkenntnisse hierzu als Teil der Vorbereitung für Auslandsmissionen zu vermitteln, wäre sinnvoll und zielführend. Vorhandene Anpassungskonzepte stärker fördern Die Bundesregierung kann Anpassung in Burkina Faso über die Arbeit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) vor Ort, sowie über die Unterstützung regionaler Anpassungsprojekte fördern. Dies geschieht bereits, sollte aber programmatisch, personell und finanziell weiter ausgebaut werden. Konkret hat die Bundesregierung verschiedene Optionen sich einzubringen: Zum einen könnte sie Projekte fördern, die Klimarisiken mindern, z.B. Bewässerungssysteme für den trockenen Norden Burkina Fasos. Zum anderen sollte sie zur Stärkung von Wetterindexversicherungen beitragen. Hier kann sie die bereits bestehende InsuResilience Partnerschaft nutzen, um den Versicherungsschutz für Kleinbauern vor Wetterextremen in Burkina Faso auszuweiten, der trotz einiger Pilotinitiativen bisher unzureichend ist. Ein wichtiger Ansatz ist zudem der Aufbau und die Verbesserung von Klimafrühwarnsystemen, um klimatische Bedrohungen für Ernährungssicherheit frühzeitig erkennen und so Konfliktpotentiale mindern zu können. Hierbei kann auf bereits bestehende Begleitforschung zur Gestaltung eines Klimafrühwarnsystems zurückgegriffen werden. Die Internationale Klimaschutzinitiative der Bundesregierung, die diese und andere Projekte fördert und aus dem CO2-Emissionshandel finanziert wird, könnte ausgeweitet werden, beispielsweise durch eine höhere CO2-Bepreisung. Das würde den Handlungsspielraum von Akteuren in den Partnerländern vergrößern. In der Internationalen Klimafinanzierung sollten insbesondere ökosystembasierte Ansätze und ganzheitliche Anbausysteme unterstützt werden, die auch Bodendegradierung und Wüstenbildung bekämpfen und auf kommunalen Strukturen aufbauen. Beispiele sind etwa die vom alternativen Nobelpreisträger und Burkinabé Yacouba Sawadogo entwickelte Zaï-Methode oder die Farmer Managed Natural Regenaration (FMNR) Methode, deren Erfinder Tony Rinaudo ebenfalls 2018 mit dem Right Livelihood Award ausgezeichnet wurde. Größere Investitionen in Anpassung an den Klimawandel Neben technischer Beratung ist insbesondere die Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen eine große Herausforderung für Burkina Faso. Die Bundesregierung könnte – über die bestehende Entwicklungszusammenarbeit hinaus – die Bereitstellung weiterer Mittel zum Zwecke der Klimaanpassung prüfen und z.B. ihre Zahlungen in den UN Adaptation Fund erhöhen. Ebenfalls wäre es sinnvoll, die Kapazitäten im Land zur Antragsstellung für bestimmte Finanzierungsmechanismen auszubauen, wie etwa den Green Climate Fund oder den Adaptation Fund. Dies könnte Kurse zur Stellung von Projektanträgen beinhalten, oder konkrete technische Unterstützung bei der Ausarbeitung eines Antrags. Denn über diese Fonds werden zwar finanzielle Hilfen für Anpassungsprojekte bereitgestellt, dafür werden aber weit fortgeschrittene Projektanträge erwartet, deren Erarbeitung Fachkenntnisse sowie erhebliche finanzielle Ressourcen erfordern. Des Weiteren ist der Ausbau von Hochwasserschutzwällen in der Region unabdingbar. Saisonale Flüsse treten bei Starkregenereignissen über die Ufer und können Ernte und Vieh mit sich reißen. Insofern ist es bei der Implementierung weiterer Klimaanpassungsmaßnahmen wichtig, Klimaszenarien mit zu berücksichtigen, da beispielsweise nach heutigem Gefahrenstand gebaute Hochwasserschutzwälle nicht unbedingt zukünftigen Extremniederschlägen standhalten werden. Nachhaltiger Wissens- und Technologietransfer zum Aufbau lokaler Anpassungskapazitäten Weiterhin muss es Ziel sein, die Anpassungskapazität Burkina Fasos zu stärken und lokale Akteure zu befähigen. Traditionelle Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel werden in Burkina Faso seit Jahrzehnten erfolgreich angewendet, doch ihr Potenzial ist noch nicht ausgeschöpft. Es mangelt beispielsweise an Regenwasserspeicherung sowie dringend nötigen Bewässerungsinfrastrukturen. In Kombination haben diese Maßnahmen das Potential die zunehmende Niederschlagsvariabilität abzufedern. Allerdings haben auch diese Methoden in Zeiten des Klimawandels klare Grenzen. Somit ist es sinnvoll, über Kanäle des Auswärtigen Amtes oder der GIZ zunehmend auch in die Befähigung von Subsistenzbauern zu investieren. Land-Management-Praktiken müssen modernisiert und knappe Ressourcen, wie etwa Finanzmittel, priorisiert werden. Hier können Wissens- und Technologietransfer, sowie Ausbildung von burkinischen Klimaforscher*innen und Agronom*innen einen wichtigen Beitrag leisten. Über Wege der internationalen Zusammenarbeit muss sichergestellt werden, dass wissenschaftliche Erkenntnisse zum Thema Landwirtschaft auf dem Feld ankommen. Hier empfiehlt es sich, regionale Trainer*innen auszubilden, welche das angeeignete Wissen in Form von Workshops in entlegenere Kommunen weitergeben können. Dazu gibt es bereits erfolgreiche Projekte, wie das gemeinsame Vorhaben der GIZ und der Afrikanischen Union „CAADP: Förderung der beruflichen Bildung in der Landwirtschaft“. Das Programm ist nunmehr in zwölf afrikanischen Ländern aktiv und bildet dort landwirtschaftliche Fachkräfte aus. Solche Ansätze werden allerdings verstärkt auch in Staaten nötig, die sich bereits in Konfliktsituationen befinden. Da in besagten Ländern oftmals nicht das gesamte Staatsgebiet von Konflikten betroffen ist, wäre es möglich, ähnliche Projekte in stabileren Landesregionen zu initiieren, um von dort ein Netzwerk an Trainer*innen aufzubauen. Deutscher Klimaschutz ist auch Friedensförderung im Ausland Nicht zuletzt braucht es konsequentes politisches Handeln in Europa, um die globale Klimakrise einzudämmen. Die Bundesregierung und jede*r Einzelne ist gefordert, die Emissionen schnellstmöglich zu senken. Die Sustainable Development Goals (SDGs) können nur dann verwirklicht werden, wenn Entwicklungsfortschritte nicht durch Klimafolgen zunichte gemacht werden. Für eine größtmögliche Politikkohärenz sollte Deutschland daher bis zum Zeithorizont der SDGs, also im Jahr 2030, den Kohleausstieg vollzogen haben. Debatten Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern Prioritäten bis 2021 Entwicklungszusammenarbeit Sub-Sahara Afrika Klimawandel Stefanie Wesch Stefanie Wesch ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und forscht zum Zusammenhang zwischen Klimawandel und gewalttätigen Konflikten. Lisa Murken Lisa Murken ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) in der Arbeitsgruppe „Anpassung in Agrarsystemen“. Kira Vinke Dr. Kira Vinke ist Co-Vorsitzende des Beirats der Bundesregierung für zivile Krisenprävention und Friedensförderung und Projektleiterin des East Africa Peru India Climate Capacities Projekt am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).
Artikel Vorwärts in die Vergangenheit? Frieden braucht Partner Die Bilanz des Friedensgutachtens 2019 ist ernüchternd: Globale Institutionen, internationale Verträge und Menschenrechte geraten verstärkt unter Druck. Davon ist Europa besonders betroffen, denn es verliert massiv an Gestaltungskraft. Deutschland sollte innovative Formate der Rüstungskontrolle entwerfen und neue Wege bei der Stabilisierung von Kriegs- und Nachkriegsgesellschaften gehen. Herausgeber des Friedensgutachtens • 13. August 2019
Artikel Jede Afrikastrategie muss China mitdenken Mit dem wachsenden Einfluss Chinas in Afrika droht ein Export dessen autoritären Ordnungsmodells. Die europäische Friedens- und Sicherheitspolitik muss darauf reagieren, u.a. mit mehr Personal für UN-geführte Missionen in Afrika und ausgebauten Trainingsprogrammen für afrikanische JournalistInnen. Ingo Henneberg, Julia Gurol • 02. Juli 2019