Jede Afrikastrategie muss China mitdenken 02. Juli 2019 · Ingo Henneberg, Julia Gurol Mit dem wachsenden Einfluss Chinas in Afrika droht ein Export dessen autoritären Ordnungsmodells. Die europäische Friedens- und Sicherheitspolitik muss darauf reagieren, u.a. mit mehr Personal für UN-geführte Missionen in Afrika und ausgebauten Trainingsprogrammen für afrikanische JournalistInnen. Debatten Neustart in Brüssel? Ideen für die europäische Friedens- und Sicherheitspolitik Nach den Europa-Wahlen stehen in Brüssel richtungsweisende Entscheidungen bevor. Für die (oder den) neue Hohe Beauftragte für Außenpolitik lassen sich bereits jetzt zwei zentrale Handlungsfelder identifizieren: die europäische Afrikapolitik und der richtige Umgang mit China. Dass China eine strategische Herausforderung darstellt, ist nicht zuletzt seit dem kritischen China-Strategiepapier der EU-Kommission von März 2019 klar. Dies gilt auch im Bereich der Krisenprävention und Konfliktbearbeitung. Denn China baut seinen Einfluss in Afrika langsam aber sicher aus, indem es die Zurückhaltung internationaler Investoren ausnutzt und mit Verweis auf das Prinzip der Nicht-Einmischung mit Diktatoren kooperiert. Chinas autoritäres Ordnungsmodell droht eine attraktive Alternative zu liberalen Demokratien zu werden. Doch autoritäre Gesellschaften tragen wegen fehlender Mechanismen zur Konfliktbearbeitung den Keim gewaltsamer Konflikte in sich. Daher ist es die Aufgabe europäischer Krisenprävention und Friedensförderung den Export des autoritären chinesischen Gesellschaftsmodells einzudämmen. Hierfür braucht die EU eine neue Afrikapolitik, die China als strategische Komponente mitdenkt und sich frei von nationalen Alleingängen macht. Vor allem in drei Bereichen muss die EU in ihrer Afrikapolitik auf die wachsende Rolle Chinas reagieren: bei Friedensmissionen, beim Einfluss auf die Zivilgesellschaft und in Friedensprozessen. China wird zum militärischen Player in Afrika Die Volksrepublik setzt alles daran, sich auch als Sicherheitsakteur in Afrika zu präsentieren. Nicht erst seit dem Start der Belt and Road Initiative (BRI) mausert sich China zum bedeutendsten Handelspartner Afrikas und verändert mit Investitionen und Infrastrukturprojekten den Kontinent. Gleichzeitig setzt die Volksrepublik alles daran, sich auch als Sicherheitsakteur zu präsentieren. Die BRI dient daher nicht nur als ein ökonomisches sondern auch als ein geostrategisches Konzept. Neben einem rapide steigenden Verteidigungsetat, äußert sich dies in der Entsendung von rund 2000 SoldatInnen zur Beteiligung an UN-Friedensmissionen in Afrika. Seit 2017 unterhält China sogar einen eigenen Militärstützpunkt am Horn von Afrika. Durch sein proaktives Vorgehen will Peking chinesische Wirtschaftsgüter in Afrika schützen, seine Truppen kampferprobter machen und das eigene Profil in Afrika ausweiten. Dem sollten die EU und ihre Mitgliedsstaaten deutlich stärker entgegnen, indem sie die Anzahl eigener SoldatInnen, Polizei- und ziviler Kräfte an UN-geführten Missionen spürbar steigern. Derzeit hat die gesamte EU weniger Soldaten entsendet als Nepal, nur etwa 5400 Kräfte. Mit einer Aufstockung seiner Entsendungen könnte die EU mehr Einfluss auf lokale Prozesse nehmen. Ein weiterer Kernbestandteil chinesischer Sicherheitspolitik in Afrika sind Militärkooperationen. Im Januar 2019 verkündete der chinesische Außenminister Wang Yi während eines Treffens mit der Afrikanischen Union (AU) die afrikanischen Standby Forces finanziell und mit militärischem Equipment zu unterstützen. Sollte China künftig noch stärker als Waffenlieferant und Ausbilder für das Militär afrikanischer Staaten fungieren, könnte dies einen negativen Einfluss auf die europäischen Bemühungen zu nachhaltigen Sicherheitssektorreformen bedeuten. Hier sollte die EU regional denken, denn sowohl China als auch die EU halten die Stärkung afrikanischer Regionalorganisationen für zentral. Beide Seiten sollten ihre Förderprogramme im Sicherheitsbereich stärker aufeinander abstimmen. Zusätzlich sollten die EU und ihre Mitgliedsstaaten Demokratie, Good Governance, Rechtstaatlichkeit und Menschenrechte weiterhin separat fördern. Afrikanische Zivilgesellschaften unterstützen – Europäische Alternativen bieten Chinas ist mittlerweile führend im Bereich digitaler Technologien und benutzt diese im Inland, um Oppositionsbestrebungen zu unterdrücken und die eigene Macht zu sichern. Hierzu zählen die Abschottung des chinesischen Internets, alternative (zensierte) Onlineangebote, das im Test befindliche Social-Credit-System sowie die Etablierung von vollständig digitalisierten (und überwachten) Smart Citys. Im Ausland setzt China auf alternative Deutungsangebote zu klassischen westlichen Medien, um die eigene Soft Power zu stärken: Die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua ist weltweit stark präsent und wird von vielen afrikanischen Medien genutzt. Die Afrikaedition der Zeitung China Daily liegt kostenlos in weiten Teilen Afrikas aus. Zudem werden immer mehr Konfuzius-Institute gegründet, afrikanische Medien aufgekauft und afrikanische JournalistInnen zu "Presseschulungen" nach China eingeladen. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten müssen als Antwort darauf in ihrer strategischen Kommunikation stärker für das eigene Ideal einer freien und demokratischen Gesellschaft einstehen. Konkret sollten sie mehr Trainingsprogramme für afrikanische JournalistInnen anbieten. Projekte wie das 2016 von Euronews initiierte Africanews sind ein wichtiger Schritt zu Stärkung der afrikanischen Medienlandschaft und sollten stärker unterstützt werden. Sollten sich mit chinesischen Technologien erfolgreich Kriminalität bekämpfen lassen, könnte dies ein gefährliches Signal an afrikanische Gesellschaften senden. Mit dem Export des Smart City-Systems und der Kooperation des Mobilfunkkonzerns Huawei mit der AU nutzt China seine Technologien, um direkten Einfluss in Afrika zu nehmen. Sollten sich mit diesen Technologien erfolgreich Kriminalität bekämpfen und Ordnung aufrechterhalten lassen, könnte dies ein gefährliches Signal an afrikanische Gesellschaften senden. Insbesondere autoritäre Machthaber könnten es sich zum Vorbild nehmen, um Oppositionsbewegungen zu bekämpfen. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten sollten hier für alternative Angebote sorgen und europäische Unternehmen mit Exportgarantien unterstützen, sich in Afrika zu engagieren und Zukunftstechnologien zu exportieren. Denkbar wären auch EU-Subventionen, um europäische Produkte im Vergleich zu China konkurrenzfähig zu machen. Der Export von europäischen Überwachungstechnologien muss jedoch sehr restriktiv gehandhabt werden. China wird seiner gewachsenen Verantwortung nicht gerecht Im Unterschied zu europäischen Staaten ist China in Afrika zwar wirtschaftlich und militärisch stark vertreten, in Friedensprozessen aber kaum präsent. Die EU ist mit großem Abstand der engagierteste internationale Akteur auf dem Kontinent. Praktisch keine internationale Friedensbemühung findet ohne EU-Beteiligung statt und sie ist der Hauptfinanzier sowohl der zahlreichen afrikanischen Integrationsprozesse als auch der Afrikanischen Friedens- und Sicherheitsarchitektur. China dagegen beteiligt sich zwar mittlerweile häufiger an internationalen Friedensbemühungen wie zum Beispiel in Internationalen Kontaktgruppen, bleibt bisher jedoch zumeist passiv. Damit wird China seiner gewachsenen Verantwortung nicht gerecht. Um dem entgegenzuwirken, sollte die EU versuchen, gemeinsam mit ausgewählten progressiven afrikanischen Ländern wie Botsuana oder Ghana Druck auf China auszuüben. Die Haltung gegenüber China unterscheidet sich in Afrika stark; auf regionaler Ebene haben sich die afrikanischen Staaten allerdings vielfach zu universellen Werten bekannt. Mediation und die Friedensförderung setzen eine kohärente, international abgesprochene Verhandlungslinie voraus und hier hat China erheblichen Nachholbedarf. Es hat in den letzten Jahren zwar vereinzelt mit Mediationsversuchen begonnen, diese sind jedoch oft an eigenen Interessen ausgerichtet, einseitig und nicht mit den UN-Mediationsgrundsätzen vereinbar. Das kann fatale Konsequenzen haben: Fehlt eine einheitliche Linie, so sind Konfliktparteien in der Lage, internationale Akteure gegeneinander auszuspielen und so eine Verhandlungslösung zu torpedieren. Daher sollte die EU China früher in Friedensprozesse einbinden und proaktiv nach gemeinsamen Strategien suchen. Dazu sollte die EU darauf drängen, dass China seinen Einfluss positiv zur Krisenbewältigung nutzt. Eine EU-Afrikastrategie muss China mitdenken Diese drei Punkte verdeutlichen, dass die EU eine neue Afrikastrategie braucht, die China als strategische Komponente mitdenkt. Hierbei sollte die EU unterscheiden zwischen jenen Politikfeldern, in denen die Interessen der EU und China konkurrieren, und jenen, in denen komplementäres Handeln möglich ist. Dort, wo sich Interessen überschneiden, sollte sie proaktiv nach gemeinsamen Strategien mit China suchen. Nur so kann sichergestellt werden, dass internationale Friedensbemühungen nicht unterlaufen werden, sondern die EU und China komplementär in Afrika handeln. Das lässt sich jedoch nur dann umsetzen, wenn die EU eine kohärentere Politik betreibt, das heißt ihre Friedensbemühungen und ihr Eintreten für Menschenrechte nicht durch eigene Uneinigkeit und nationale Alleingänge hintertrieben wird. Dazu sind eine transparente Afrikapolitik, die Aufarbeitung des Kolonialismus und die Begegnung Afrikas auf Augenhöhe notwendig, nicht nur in Form der AU sondern auch in Fragen der Handelspolitik. Die EU muss zeigen, dass sie ein ehrlicher Partner Afrikas sein will. Debatten Neustart in Brüssel? Ideen für die europäische Friedens- und Sicherheitspolitik Europäische Union Friedensförderung Sub-Sahara Afrika Menschenrechte Europa Ingo Henneberg Ingo Henneberg forscht an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg zur regionaler Friedens- und Sicherheitskooperation sowie Friedensprozessen mit besonderem Fokus auf Afrika. Twitter: @IngoHenneberg Julia Gurol Julia Gurol forscht an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg sowie dem Center for Applied Research in Partnership with the Orient (CARPO) zu EU-China Beziehungen und chinesischer Außenpolitik. Twitter: @JuliaGurol
Artikel Die "Europäische Friedensfazilität": Gute Idee mit großen Risiken Die Idee einer "Europäischen Friedensfazilität" (EPF) könnte eine gute Lösung sein, um die Finanzierung von militärischen Maßnahmen von Entwicklungsgeldern zu trennen. Doch sie birgt auch Risiken. In den Verhandlungen zur EPF sollten die EU-Mitgliedsstaaten unter anderem sicherstellen, dass die Fazilität die afrikanische Friedens- und Sicherheitsarchitektur nicht schwächt. Julian Bergmann, Mark Furness • 29. Mai 2019
Artikel Augen auf bei der Partnerwahl! Regionalorganisationen als Partner für die Friedenssicherung Krisenbewältigung kann nur mit regionalen Partnern gelingen. Die Bundesregierung sollte auf Multilateralismus und Regionalorganisationen statt auf Hegemonialstaaten setzen. Regionale Zusammenarbeit birgt große Potentiale für die Friedenssicherung, wenn diese eine gemeinsame Strategie verfolgt, über genügend Kapazitäten verfügt und koordiniert abläuft. Ingo Henneberg • 06. März 2017
Artikel Mehr Polizei für die GSVP: Die Dienstherren sind gefragt Das Aufgabenspektrum der Polizei innerhalb der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik wandelt sich und erfordert stärker spezialisierte Teams und gemeinsame Trainings für Beamt*innen aus verschiedenen Ländern. Deutschlands Bekenntnis zur zivilen GSVP muss hierbei auch in der Zahl der Entsendungen deutlich werden. Eine Group-of-Friends mit Innenpolitikern aus Bund und Ländern könnte hierfür an Lösungen arbeiten. Philipp Neubauer • 17. Juni 2019