„Frieden machen“ und Friedensarbeit darstellen 24. Februar 2020 · Sibel Özdemir Die Bundeszentrale für politische Bildung hat eine Wanderausstellung für Schüler/-innen zur zivilen Friedensarbeit entwickelt. Anstelle langer Informationstafeln werden Besucher/-innen eingeladen, kontroverse Fragen zu Friedensarbeit selbst zu beantworten und in einen Dialog miteinander zu treten. Debatten Krisenarbeit kommunizieren Impulse für die Bundesregierung Trotz des Bedürfnisses und Strebens nach Frieden werden Menschen täglich mit Krieg und Konflikten konfrontiert. Die Schaffung und Bewahrung des Friedens ist eine der wichtigsten Aufgaben der internationalen Politik und sie lässt sich sowohl politisch-ethisch, als auch pragmatisch begründen: Wohlfahrt, politische Freiheit und Selbstentfaltung lassen sich nur in einem friedlichen globalen Umfeld verwirklichen. Einladung zu kontroverser Diskussion: Eine Wanderausstellung zu Friedensarbeit in den Schulen Um Schüler/-innen eine Vorstellung von der Komplexität von Konflikten und dementsprechend auch von der Komplexität friedensstiftender und –erhaltender Maßnahmen zu vermitteln, hat die Bundeszentrale für politische Bildung/bpb auf Anregung des Unterausschusses für Zivile Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und vernetztes Handeln des Deutschen Bundestages die Wanderausstellung „Frieden machen“ entwickelt. Die Ausstellung zeigt der jungen Generation Möglichkeiten der zivilen Konfliktbearbeitung und Friedensförderung auf, die nicht nur fernab von Deutschland eine Rolle spielen, sondern auch ganz konkret auf den Alltag und die Lebensrealität der Schüler/-innen bezogen werden können. Anhand ausgewählter Themenkreise werden Anknüpfungspunkte an die Lebenswelt junger Menschen aufgezeigt und bewusst gemacht (z.B. Erfahrung von Gewalt, Streit, Konflikten, Mobbing, Respektlosigkeit etc.). Dadurch wird die im Alltag gelebte eigene Praxis kritisch reflektiert und das eigene Verhaltensinstrumentarium erweitert (z.B. durch offene Dialogführung, Vorbeugung und Lösung von dauerhaften Konflikten, Mediation, Deeskalationsstrategien u.a.). Die ausgewählten Instrumente der zivilen Friedensarbeit können auch in alltäglichen Konflikten angewendet werden. Die Bundeszentrale für politische Bildung hat damit dieses noch junge und globale Tätigkeitsfeld zum Thema einer Wanderausstellung gemacht. Ein Ziel ist es, die zivile Friedensarbeit sichtbar zu machen, die in ihrer Komplexität und Bedeutung über klassische Formate der Öffentlichkeitsarbeit offenbar schwer zu vermitteln ist und in der Öffentlichkeit gerade dann wenig wahrgenommen wird, wenn sie gelingt. Die Ausstellung arbeitet daher mit ungewöhnlichen, partizipativen und interaktiven Formen und Fragestellungen, um die Konfliktsituationen und Prozesse nicht nur vorzustellen, sondern um bei den Besucher/-innen eine individuelle Einschätzung von politischen Vorgängen in Gang zu setzten. Der Besuch soll zu Austausch und Reflexion über aktuelle politische Fragen anregen. Trotz der Schwere des Themas kann hier gespielt, geraten, lauthals gestritten und ausprobiert werden. Durch spielerische Formate schafft die Ausstellung einen einfachen Einstieg in dieses komplexe Themenfeld. Die Ausstellung, die sich insbesondere an Schüler/-innen ab der Klasse neun richtet, stellt die zentralen Instrumente und Prinzipien ziviler Friedensarbeit vor, setzt sich aber auch mit ihren Kontroversen auseinander: Soll man sich überhaupt in Konflikte anderer Länder und Gesellschaften einmischen? Wie könnte ein Eingreifen aussehen und wann ist es erfolgreich? Wichtig ist dabei die grundsätzliche Frage, was überhaupt unter Frieden zu verstehen ist und ob man Frieden wirklich „machen“ kann. Nicht vor Komplexität zurückschrecken: politische Realitäten klar benennen Die Wanderausstellung „Frieden machen“ berücksichtigt „Zivile Friedensarbeit“ in ihren unterschiedlichen Dimensionen, trägt der Vielfalt von Akteuren/-innen, Instrumenten und Tätigkeitsfeldern Rechnung. Zeitlich unterscheidbare Phasen der Friedensarbeit wie Prävention, aktive Konfliktbearbeitung und Friedenskonsolidierung werden ebenso dargestellt wie die Perspektiven staatlicher und nicht-staatlicher, lokaler und internationaler Akteure/-innen. Sie wendet sich in exemplarischer und verdichteter Form den zentralen Kontroversen und Dilemmata internationaler Friedensarbeit zu und arbeitet diese anschaulich auf. Dabei wird keine bestimmte Friedens- oder Konflikttheorie zugrunde gelegt, vielmehr werden Vorstellungen von Frieden und seiner Herstellbarkeit in ihrer ganzen kontroversen Vielfalt präsentiert. Durch diese Perspektivenvielfalt eignet sich das Thema „Zivile Friedensarbeit“ in besonderer Weise, einem breiten Publikum exemplarische Einblicke in Herausforderungen zu ermöglichen, die sich aus der globalen Verflochtenheit heutiger Politik ergeben. Friedensarbeit findet nicht nur in weit entfernten Ländern statt; friedensfördernde Ansätze aus internationalen Konfliktgebieten werden in zwischen auch in Deutschland verfolgt. Durch die Auswahl und Darstellung internationalisierter Konflikte wie der Ukraine oder Afghanistan wird sichtbar, dass die Auswirkungen von Kriegen und Gewalt nicht an Staatsgrenzen halt machen. Der deutsche Anteil an der zivilen Friedensarbeit wird entsprechend der politischen Realitäten in internationale Zusammenhänge eingebettet. Es soll unter anderem verdeutlicht werden, dass Friedensarbeit nicht nur in weit entfernten Ländern stattfindet, sondern friedensfördernde Ansätze aus internationalen Konfliktgebieten inzwischen auch in Deutschland verfolgt werden. Darüber hinaus legt die Ausstellung Wert auf eine geschlechtersensible und postkoloniale Perspektive. Inhalte auf das Publikum zuschneiden und keine einfachen Antworten präsentieren Das Vermittlungskonzept der Ausstellung ist darauf ausgerichtet, im Handlungsraum Schule anzuknüpfen. Sie ist erfahrungs-, problem- und schülerorientiert aufgebaut, gleichwohl werden die Bedarfe von Lehrern/-innen mitgedacht, ohne dass diese im Vordergrund stehen. Die Ausstellung kann von Kleingruppen, Schulklassen im Verbund, aber auch von Einzelbesuchern/-innen besucht werden. Didaktisch leitend für die Ausstellung ist die Auseinandersetzung mit „Dilemma-Situationen“ und zentralen Kontroversen, zu denen sich die Besucher/-innen im Rahmen unterschiedlicher Perspektivübernahmen immer wieder neu positionieren können. Dabei wird besonders darauf geachtet, nicht den Eindruck entstehen zu lassen, dass eine bestimmte Auffassung von ziviler Friedensarbeit nahegelegt werden soll. Der Anspruch der Ausstellung ist es, einen grundlegenden Zugang zu den Kernfragen des Themas zu eröffnen und bei den Besuchern/-innen den Austausch sowie Reflexionen über aktuelle politische Fragen anzuregen. Es soll u. a. vermittelt werden, mit welchen grundlegenden gesellschaftlichen Herausforderungen die Anliegen von ziviler Krisenprävention und Konfliktbearbeitung konfrontiert sind und dass sich das Engagement für zivile Friedensarbeit dennoch grundsätzlich lohnt. Friedensarbeit greifbar machen: Die Form sollte den Inhalt widerspiegeln Die Ausstellung ist auf 200 qm verteilt und modular aufgebaut. Die verwendeten Gitterboxen aus Stahl sind gleichzeitig feingliedrig und robust, weisen einerseits Transparenz und doch Undurchsichtigkeit auf, sind beweglich und zugleich schwer: ein Bild, das sich gut eignet für die komplexe und prozesshafte „Baustelle Frieden“. Die Ausstellung beinhaltet partizipative und interaktive Formate und Fragestellungen. Texte stehen – anders als im Kontext der meisten Lernangebote zur politischen Bildung – in dieser Ausstellung nicht im Vordergrund. Sie arbeitet stattdessen mit Animationsfilmen, interaktiven Elementen und Spielen, Comics und Grafiken, Globen, Interviews und Hörstationen. Die sieben Fragestellungen bzw. Stationen der Ausstellung sind: 1) Eingreifen oder nicht?; 2) Mit oder ohne Waffen?; 3) Wer soll handeln?; 4) Wo eingreifen?; 5) Was tun?; 6) Was ist Frieden?; 7) Bleiben oder gehen?. Interaktive Stationen bieten viel Raum für Diskussionen und Partizipation: Die Besucher/-innen können in Plan- und Geschicklichkeitsspielen die eigenen friedensstiftenden Fähigkeiten testen. Sie sind aufgefordert, aktuelle politische Entscheidungen zu reflektieren, zu diskutieren und gemeinsam zu entscheiden, in welchen Regionen sie selbst eingreifen würden. Der partizipative Ansatz setzt einen ständigen Austausch über die vermittelten Themen und Fragestellungen voraus. Immer wieder fordert daher die Ausstellung ihr Publikum auf, die Stationen um eigene Gedanken und Vorschläge zu ergänzen und Themenaspekte zu diskutieren. Auf diese Weise wächst die Ausstellung mit ihren Besucher/-innen. Von der Ausstellung ins Klassenzimmer Für die Begleitung der Ausstellung hat die bpb den „Falter Aktuell – Frieden machen“ als Unterrichtsmaterial entwickelt, das eng mit der Ausstellung korrespondiert. Es enthält fünf verschiedene, kopierfähige Arbeitsblätter zum Thema. Anhand der Maßnahmen und Zielvorstellungen verschiedener Akteure/-innen werden die Handlungsmöglichkeiten sowie Herausforderungen von "Friedensmacher/-innen" in konkreten Friedensprojekten beleuchtet. Zudem werden Werkzeuge ziviler Friedenssicherung auch hinsichtlich ihrer Wirksamkeit vorgestellt. Schließlich bezieht sich die Wandzeitung der „Falter“-Rückseite auf die konkrete Erfahrungswelt der Schüler/-innen, indem gefragt wird, wo und wie sie Frieden erleben und beeinflussen. Des Weiteren erhalten sie Anregungen, wie sie sich selbst zum/zur Konfliktlotsen/-in ausbilden lassen können. Darüber hinaus wurden für Lehrer/-innen besondere Handreichungen entwickelt. Durch diese Materialien sollen Lehrkräfte eine Hilfestellung zur Ausstellung erhalten, die Vertiefungsmöglichkeiten, mögliche Fragestellungen etc. beinhaltet. Nicht präsentiert bekommen, sondern selbst erfahren: so kann Friedensarbeit erfolgreich kommuniziert werden Beim Projekt „Frieden machen“ ging es von Beginn an nicht einfach darum, Wissen zu präsentieren, sondern ein Angebot zu entwickeln, mit dessen Hilfe Schüler/-innen gemeinsam mit ihren Lehrern/-innen ins Gespräch kommen. Die bpb hat sich bei der Vermittlung dieses komplexen Themas bewusst für eine Ausstellung entschieden. Beim Projekt „Frieden machen“ ging es von Beginn an nicht einfach darum, Wissen zu präsentieren, sondern ein Angebot zu entwickeln, mit dessen Hilfe Schüler/-innen gemeinsam mit ihren Lehrern/-innen ins Gespräch kommen. Eine Ausstellung verhandelt nicht nur ein Thema, sie öffnet und definiert einen Raum. Als Wanderausstellung öffnet sie diesen Raum genau dort, wo die Diskussionen ohnehin geführt werden: in der Schule. Erst in der Ausstellung treten die Schüler/-innen wirklich in einen Dialog mit ihren Klassenkamerad/-innen und erst die Begegnung mit anderen Menschen oder mit Exponaten kann in ihnen etwas auslösen. Die Ausstellung soll dazu animieren, Inhalte nicht passiv zu rezipieren, sondern aktiv zu erschließen und so „Frieden machen“ durch eigene Beiträge wachsen zu lassen. Auch in den Ministerien sollte die Erkenntnis wachsen, dass Friedensarbeit in Schulen kommuniziert werden sollte. Die Bundesregierung könnte von Konzeption und Durchführung dieser Ausstellung lernen, wie sie ihr Friedensengagement für die Menschen greifbar und somit auch debattierbar machen kann. Die Wanderausstellung „Frieden machen“ tourt seit Ende 2017 bundesweit durch Schulen und andere öffentliche Einrichtungen. Weitere Informationen zur Ausstellung und Buchung finden Sie hier. Der „Falter Aktuell“ kann für die Vor- oder Nachbereitung des Ausstellungsbesuchs genutzt werden, er funktioniert aber auch unabhängig von der Ausstellung und kann kostenlos bestellt werden. Debatten Krisenarbeit kommunizieren Impulse für die Bundesregierung Friedenseinsätze Kommunikation Frieden & Sicherheit Sibel Özdemir Sibel Özdemir ist Referentin bei der Bundeszentrale für politische Bildung und verantwortlich für die Ausstellung „Frieden machen“.
Artikel Berlin braucht eine „Friedensfabrik“ – Eine zentrale Anlaufstelle für Informationen und Austausch zu Krisenprävention und Friedensförderung Weder das zivile Friedens- und Krisenengagement der Bundesregierung noch die dazugehörige Fachdiskussion sind sichtbar für die breite Öffentlichkeit. Die Schaffung einer „Friedensfabrik“ als Ort des Informierens, Lernens und kontroversen Austausches in Berlin könnte Meinungsbildung und Wissenstransfer ermöglichen. Cornelia Brinkmann • 12. Februar 2020
Artikel Lasst uns eine gemeinsame Sprache finden! Erfahrungen aus der Projektkommunikation der GIZ im Kontext von Krisen und gewaltsamen Konflikten „Tue Gutes und rede darüber!“ – Dieses alte Sprichwort beschreibt eine zentrale Herausforderung für die Kommunikation zur Arbeit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH. Was bedeutet das konkret, wenn es um die Arbeit der GIZ in Krisen, Konfliktregionen und Postkonfliktsituationen geht? Ein Einblick in die Überlegungen der GIZ. Andreas Proksch • 11. Februar 2020
Artikel Frieden in die Schulen: Transparente, authentische und kontroverse Ansätze für die Friedenspädagogik Friedensbildung gehört in die Schulen. Dafür sollte die Bundesregierung mehr Informationen und Materialien zur Verfügung stellen und ihre Herausforderungen in der Friedenspolitik transparenter kommunizieren. Kontroversen sind notwendig und erwünscht. Uli Jäger • 04. Dezember 2019