Lasst uns eine gemeinsame Sprache finden! Erfahrungen aus der Projektkommunikation der GIZ im Kontext von Krisen und gewaltsamen Konflikten

11. Februar 2020   ·   Andreas Proksch

„Tue Gutes und rede darüber!“ – Dieses alte Sprichwort beschreibt eine zentrale Herausforderung für die Kommunikation zur Arbeit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH. Was bedeutet das konkret, wenn es um die Arbeit der GIZ in Krisen, Konfliktregionen und Postkonfliktsituationen geht? Ein Einblick in die Überlegungen der GIZ.

Es ist für uns der Beginn einer spannenden Reise: Wie kommunizieren wir zu so unterschiedlichen Projekten wie dem Bau eines Krankenhauses im vom IS zerstörten Mossul im Nordirak, der Förderung von jungen Unternehmer*innen im Gasastreifen, der Schaffung einer Wasserversorgung für Haushalte von vertriebenen Familien in Somalia oder einem Bildungsprogramm für syrische Flüchtlinge in der Türkei?  

Im Rahmen der PeaceLab-Debatte um die Kommunikationsaktivitäten der Bundesregierung haben wir uns mit dieser Frage intensiv befasst – und einige spannende Einsichten gewonnen.  

Was waren die Startvoraussetzungen? Die Kommunikationswege in und zur Politik haben sich stark verändert: Soziale Medien und neue Kommunikationsmittel stehen heute allen offen – sowohl als Sender*in als auch als Empfänger*in. Heute ist also praktisch jede*r ein*e Pressesprecher*in! Außerdem verläuft Kommunikation, gerade mit Bezug zu Krisenkontexten, mit hoher öffentlicher Aufmerksamkeit, dezentral – ja geradezu anarchisch. Und insbesondere in Krisenkontexten spielen Falschinformationen und Desinformation eine wachsende Rolle. Ist gezielte und inhaltsreiche Kommunikation vor diesem Hintergrund überhaupt möglich? Viele von uns waren skeptisch.  

Für unterschiedliche Zielgruppen kommunizieren: Vielfältige Formate nutzen  

Wo sollte uns die Reise hinführen? Damit wir darüber Klarheit bekommen, haben wir uns auf drei Prinzipien für die Festlegung der Route geeinigt: Erstens akzeptieren wir, dass wir nicht nur über zentral gesteuerte Meldungen zu unserer Projektarbeit kommunizieren können. Wir verstehen die Vielfalt an Formaten und Kanälen eher als Chance!  

Dabei gilt es aber auch zweitens, Missverständnisse und Risiken zu minimieren. Eine Voraussetzung dafür ist, dass wir den/die einzelne*n Mitarbeiter*in ermutigen, als Botschafter*in unseres Krisenengagements zu wirken. Sie werden entsprechend qualifiziert, damit sie das „Warum“ des Engagements verständlich vermitteln und klare Botschaften kommunizieren.  

Die Zielgruppe, um die es uns hier geht, setzt sich aus Menschen zusammen, die sich für unsere Arbeit interessieren und – auch kritisch – nachfragen. Darunter sind politische Entscheidungsträger*innen und Journalist*innen, aber auch Menschen, die wir im Alltag treffen: Kooperationspartner*innen aus der Zivilgesellschaft, Kontakte in den sozialen Medien, Menschen im Vereinsleben. Kurz: alle Bürger*innen, die uns auf unsere Arbeit ansprechen und Fragen dazu haben. Überzeugen wir sie von der Sinnhaftigkeit unserer Arbeit, werden sie selbst diesen Sinn wiederum in die Gesellschaft tragen. Klare Botschaften für diese heterogene Zielgruppe basieren auf einer „emotionalen Basis“ unserer Kommunikation. Die „emotionale Basis“ nennen wir das „Warum“ unserer Arbeit. Wir orientieren uns bei der Formulierung unserer intrinsischen Motivation und gemeinsamen Haltung am Golden Circle von Simon Sinek.  

Unsere Botschaften müssen sich drittens im heutigen Durcheinander der Informationen behaupten, um überhaupt wahrgenommen zu werden. Wir müssen also vielfältige Kanäle damit bespielen, sie an politische Großereignisse, wie Gipfel oder internationale Prozesse knüpfen, anschlussfähig machen und, wenn nötig, mit Themen verbinden, die gerade von unserer Zielgruppe mit großer Aufmerksamkeit verfolgt werden.  

Die Reise ist lange nicht vorbei. Aber gelernt haben wir bereits einiges:

  • „Why Discovery“ steht immer am Anfang: In intensiven Gesprächen haben viele Mitarbeiter*innen der GIZ im Bereich Krisenengagement ein gemeinsames Verständnis dafür entwickelt, warum sie tun, was sie tun. Dieses „Why erwächst aus den Stärken und Erfahrungen in den Projekten vor Ort und bildet den Ausgangspunkt für jegliche Kommunikation.  
  • Eine „Customer Journey“ dient als Kompass: Gemeinsam haben wir im nächsten Schritt ein Verständnis für die Bedürfnisse und Erwartungen der Zielgruppen unserer Kommunikation entwickelt und Möglichkeiten identifiziert, diesen noch besser gerecht zu werden. Die Customer Journey legt offen, auf welchen Kanälen und über welche Botschaften und Anknüpfungspunkte Kommunikation mit den Adressat*innen stattfindet. Sie gibt uns klare Hinweise darauf, wie in der konkreten Interaktion am besten zu kommunizieren ist.   

Kohärent kommunizieren: Erklären warum und wie wir arbeiten  

Kohärenz ist ein weiterer wichtiger Schlüssel für erfolgreiche Kommunikation. Diese beginnt stets mit einer klaren Botschaft. Für die Kommunikation zum Krisenengagement der GIZ heißt das, dass wir mit folgendem einfachen Satz erzählen, was wir machen, für wen und mit welchem Ziel:  

„Wir unterstützen und befähigen von Krisen betroffene Menschen, damit sie ihre Zukunft dauerhaft eigenständig gestalten können.“  

Diesen Satz muss keine*r auswendig lernen. Doch er stellt das grundlegende gemeinsame Verständnis unseres Tuns dar und ist aus den Stärken unserer Arbeit abgeleitet. Dieses gemeinsame Verständnis – und nicht fixe Sprechpunkte – bilden den Kern einer konsistenten und kohärenten Kommunikation. Auf Grundlage dieses „Warum“ haben wir das „Wie“ entwickelt, also wie wir das „Warum“ verfolgen. Das erfolgt in unserem Beispiel überwiegend durch Friedensförderung. Darauf aufbauend haben wir dann wiederum das „Was“ entwickelt, also welche Ausprägungen diese Arbeit konkret hat, was wir vor Ort genau tun. Damit lässt sich dann beispielsweise der Bau von öffentlicher Infrastruktur als Friedensdividende für die Bevölkerung einordnen und verständlich machen. In dieser Reihenfolge ergibt sich abschließend ein kohärentes Bild, bei dem sich jede konkrete Aktivität am Ende wieder auf das „Warum“ zurückführen lässt.  

Einfache Sprache: Probleme und Lösungen anschaulich  darstellen

Wichtigstes Ergebnis des Perspektivwechsels auf die Seite der Adressat*innen der Kommunikation („Customer“ – also v.a. die Zielgruppe, die interessierte Öffentlichkeit) war die Notwendigkeit, Probleme und Lösungen möglichst plastisch darzustellen. Dies ist keine leichte Aufgabe für eine Fachorganisation, die technisch kommuniziert. Oder: Wie würden Sie beispielsweise folgenden Satz übersetzen?  

„Die Adressierung der Bedarfe besonders vulnerabler Gruppen im Interventionsgebiet leistet einen Beitrag zur Steigerung der Resilienz und wirkt strukturbildend.“  

Hier geht es darum, nah an den Realitäten der Adressat*innen dran zu bleiben. So könnte man beispielsweise formulieren:  

Stellen Sie sich vor, dass Sie Ihr Haus und Ihr Einkommen infolge eines Konfliktes verloren haben. Ihre Kinder können nicht zur Schule gehen und Sie haben keine Möglichkeit, bei schwerwiegenden Erkrankungen schnell medizinische Versorgung zu bekommen. Was würden Sie tun? Wie könnten Sie an der Entwicklung und Verbesserung ihrer Heimat teilhaben und diese mitgestalten?

Hier kommen wir mit maßgeschneiderten Lösungen ins Spiel: Dies kann der Wiederaufbau des Krankenhauses oder der Schule sein, das Training für Lehrer*innen, um mit riesigen Klassengrößen umgehen und auf die Bedürfnisse von traumatisierten Kindern eingehen zu können - oder manchmal auch ganz einfach die Herstellung von Bodenplatten, damit die Zelte im Flüchtlingslager nicht durch die Regengüsse des Winters weggeschwemmt werden. Darüber hinaus bildet die Aufarbeitung der Vergangenheit und die Unterstützung von Versöhnungsinitiativen die Grundlage dafür, dass Menschen wieder in ihre Heimat zurückkehren und dort sicher leben können.“  

An welcher Station unserer Reise sind wir gerade unterwegs? Viele unserer Kolleg*innen können jetzt schnell mal im Austausch mit anderen Akteur*innen im Projektumfeld oder auch im Sportverein, beim Elternabend erklären, was wir in Krisenkontexten machen und bewirken. Es geht uns nicht darum, unsere Art der Kommunikation von Grund auf zu verändern, sondern auf die erhöhte Aufmerksamkeit bezüglich unserer Aktivitäten im Kontext von Krisen und gewaltsamen Konflikten vorbereitet zu sein. Entscheidend ist dabei, dass wir die gemeinsame Haltung zu unserem Engagement teilen. Daraus ergibt sich dann eine klare Botschaft und eine gemeinsame Sprache, die anschließend auf die jeweilige Situation oder den Anwendungsfall angepasst werden muss.   

Danke, dass Sie sich für diese Reise Zeit genommen haben. Wir freuen uns, mit Ihnen weitere Weggefährt*innen für das wichtige Anliegen des Krisenengagements zu finden!

Entwicklungszusammenarbeit Kommunikation

Andreas Proksch

Andreas Proksch ist seit September 2015 Bereichsleiter des Bereichs Sektor- und Globalvorhaben (GloBe) in der GIZ. Von 2007 bis 2015 hat er den Bereich Afrika und von 2001 bis 2007 die Unternehmensentwicklung der GTZ geleitet. Er hat insgesamt 17 Jahre im Ausland gearbeitet, in Nepal, Pakistan, Ecuador und Vietnam.