Klima-Sicherheit im VN-Sicherheitsrat: Mit mehr Wissen und mehr Glaubwürdigkeit mehr erreichen

02. Februar 2021   ·   Judith Nora Hardt, Michael Brzoska​, Alina Viehoff​

Die Bundesregierung sollte die Bemühungen zum Themenkomplex Klimawandel und Sicherheit auch nach der Mitgliedschaft im VN-Sicherheitsrat ausbauen. Hierfür sind die Stärkung der Wissensbasis, die Entwicklung eines breiten Sicherheitsverständnisses und die Verbindung von Maßnahmen zur Minderung der Folgen des Klimawandels mit Instrumenten zur Krisenprävention wichtig.

Die Bundesregierung hat sich mit viel Einsatz um die Verankerung des Klimawandels als Querschnittsthema auf der Tagesordnung des Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (SRVN) bemüht, eine der Prioritäten während ihrer Mitgliedschaft in diesem Gremium. Die Bilanz zum Ende der zweijährigen Amtsperiode (2019-2020) fällt dennoch gemischt aus. Insbesondere ist es der Bundesregierung nicht gelungen, eine entsprechende Resolution im SRVN zu verabschieden. Stattdessen musste sie sich mit einer kurzen Erklärung (dem Joint Statement von Juli 2020) von zehn der fünfzehn Mitgliedstaaten des SRVN zufriedengeben, in der die Gefahren des von Menschen verursachten Klimawandels für die internationale Sicherheit und das Konfliktgeschehen benannt werden.

Die stärkste Opposition gegen eine Resolution zu klimabedingten Sicherheitsrisiken im SRVN kam von der Trump-Administration, die keinen Beschluss zum Klimawandel akzeptieren wollte, doch auch andere Staaten hatten Einwände. So lehnten neben den ständigen Mitgliedern China und Russland auch Indonesien und Südafrika (2019-2020 im SRVN) die Befassung des Sicherheitsrates mit der Thematik ab, obwohl sich der Klimawandel auch in diesen Ländern vielfach und stark auswirkt. Letztere befürchten, dass der Klimawandel als Vorwand für militärische Interventionen genutzt werden könnte, und möchten die Ausweitung der im SRVN behandelten Themen vermeiden.

Trotz dieser Hürden sollte sich die Bundesregierung auch in Zukunft für die Behandlung des Themenkomplexes Klimawandel und Sicherheit engagieren. Zwei Faktoren erscheinen uns von vorrangiger Bedeutung: zum einen die verstärkte Unterfütterung der Debatte mit mehr Wissen über die Zusammenhänge zwischen Klimawandel, Frieden und Konflikt und zum anderen die Stärkung der Glaubwürdigkeit der Position Deutschlands in Sachen Sicherheitsrisiken und deren Bearbeitung.

Dazu formulieren wir Empfehlungen auf fünf unterschiedlichen Ebenen.

1. Den Zusammenhang von Klimawandel und Krisenprävention im VN-Sicherheitsrat und darüber hinaus verankern

Eine offizielle Anerkennung des Klimawandels durch die vorrangige multilaterale Institution zur Sicherung von internationaler Sicherheit und Frieden, den SRVN, wird seit 2007 diskutiert und ist in Anbetracht der vielfachen Gefahren und Auswirkungen des Klimawandels überfällig. Auch nach seiner endenden Mitgliedschaft sollte Deutschland die im SRVN vertretenen Staaten, die die Behandlung des Themas voranbringen wollen, u.a. Frankreich, UK und die nichtständigen Mitglieder St. Vincent and the Grenadines und Niger (2020-2021 im SRVN), diplomatisch weiterhin unterstützen. Darüber hinaus sollte die Bundesregierung an ihrem in den Leitlinien „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“ von 2017 formulierten Ziel festhalten, das Thema in weiteren internationalen Organisationen zu verankern. Insbesondere die weitere Stärkung von Debatten und Strategien im Rahmen der Europäischen Union ist ein guter Schritt, der auch mit der Beförderung des Themas im SRVN verbunden werden sollte.

2. Austausch und Institutionalisierung vorantreiben

Die Bundesregierung sollte bereits bestehende Foren im Umfeld der Vereinten Nationen (VN), in denen sich AkteurInnen zu Klima-Sicherheit austauschen können, finanziell und durch Initiativen auf diplomatischer Ebene politisch stärken. Dazu ist die Intensivierung des von Deutschland und dem Inselstaat Nauru im Jahr 2018 initiierten Dialogs zwischen den Staaten der Group of Friends on Climate and Security innerhalb der VN notwendig. Die Unterstützung des UN Climate and Security Mechanism, eine institutionsübergreifende Initiative zur Förderung des Austauschs zum Nexus von Klimawandel und Sicherheit, sollte auf Dauer sichergestellt und erweitert werden. Zudem sollten auf die Finanzierung des ersten Klima- und Sicherheitsexperten der VN im Rahmen der Friedensmission UNSOM in Somalia durch Deutschland weitere Angebote für praktische und auf den jeweiligen Kontext abgestimmte Maßnahmen folgen. 

3. Die Wissensbasis zum Zusammenhang von Klimawandel, Sicherheit, Frieden und Konflikt verbessern

Die Bundesregierung hat sich im SRVN zur Schaffung einer besseren Informationsbasis als Entscheidungsgrundlage für den Sicherheitsrat ausgesprochen. Dies ist ein wichtiger Schritt, der konkretisiert und durch personelle und finanzielle Unterstützung geeigneter Initiativen und Foren umgesetzt werden sollte. Die vom Auswärtigen Amt geförderte Climate and Security-Expertengruppe ist dafür ein guter Ansatz. Neben der wichtigen Rolle von Think Tanks sollte auch die Anbindung politischer Akteure an die aktuelle Forschung zu Klimawandel, Frieden und Konflikt sichergestellt werden. Hierfür sind die systematische Stärkung der Wissenschaft sowie ihr Austausch mit der Politik sowohl national als auch international zentral. Um zu gewährleisten, dass aktuelle Erkenntnisse zum Thema in die entscheidenden internationalen Institutionen und an EntscheidungsträgerInnen vermittelt werden, sollte die Bundesregierung einen interdisziplinären ExpertenInnenbeirat berufen. Zudem sind internationale Dialoge, in denen Wissenschaft, Politik und PraktikerInnen der Friedens-, Umwelt- und Entwicklungszusammenarbeit zusammenkommen, ein weiteres grundlegendes Instrument zur Stärkung wissenschaftlich fundierter Entscheidungsfindung. Die bisher zweifach veranstaltete Berlin Climate Security Conference könnte auch in Zukunft ein wichtiges Forum dafür bieten. 

4. Der Gefahr der „Versicherheitlichung“ vorbeugen

Als Korrektiv zu der von KritikerInnen formulierten Sorge einer einseitigen Fixierung auf die Folgen des Klimawandels für Konflikte und Sicherheitsbedrohungen sollte die Bundesregierung die Komplexität des Themas betonen. Es ist nicht der Klimawandel allein, der ein Problem für Frieden und Sicherheit darstellt, sondern die Kombination mit zahlreichen anderen Faktoren, wie politische Ausgrenzung und fehlenden konfliktschlichtenden Institutionen. Militärische Mittel zur Eindämmung der Folgen des Klimawandels sind daher ungeeignet. Stattdessen sollte Deutschland Aktivitäten zur substantiellen Minderung und Anpassung an den Klimawandel sowie der Katastrophenvorsorge unterstützen. Parallel dazu sollten diese Aspekte auch mit klassischen Strategien und Instrumenten der kurzfristigen und langfristigen Krisenprävention wie Mediation und Förderung von Rechtsstaatlichkeit verknüpft werden. Diese Ansätze sollten auch im Mittelpunkt der Aktivitäten des SRVN stehen, wofür in einem aktuellen Policy Report konkrete Vorschläge gemacht werden.

Diese Maßnahmen dürften zudem besonders überzeugen, wenn sich die Fälle erfolgreicher Entschärfung von Umweltkonflikten durch den unterstützenden Einsatz von Instrumenten der zivilen Konfliktbearbeitung häufen. So sollte die Bundesregierung einschlägige Initiativen, in denen die Verbindung von Friedenskonsolidierung und Krisenprävention mit Klimaschutzmaßnahmen erprobt wird, unterstützen und finanzieren, wie zum Beispiel die des VN-Entwicklungsprogramms und von Nichtregierungsorganisationen wie Accord in Südafrika. 

5. Für ein zukunftsfähiges Sicherheitskonzept eintreten

Die Bundesregierung benennt den Klimawandel im Weißbuch zur Sicherheitspolitik als beeinflussenden Faktor für Krisen, jedoch nur im Kontext traditioneller Sicherheitspolitik. Andere Dokumente zur deutschen Politik der Prävention und Bewältigung von Konflikten, wie die Leitlinien, zeigen ein umfassenderes Verständnis von Sicherheit. Deutschland sollte sich deswegen nicht nur für eine verbesserte Koordination und Kooperation innerhalb der Umwelt-, Außen-, Entwicklungs- und Verteidigungsressorts sowie im Bereich Krisenprävention und Katastrophenschutz einsetzen, sondern auch für ein breiteres Konzept von Sicherheit.

Neueste Forschungserkenntnisse zeichnen einen Wandel der Sicherheitskonzepte der Mitgliedstaaten des SRVN, inklusive Deutschlands, in den letzten Jahren nach. Noch sind die meisten einem traditionellen Sicherheitsverständnis verbunden, aber Konzepte wie das der menschlichen Sicherheit gewinnen an Gewicht. Auch die Anerkennung der existentiellen Bedrohungen des Klimawandels für Umwelt und Menschheit beginnt die Debatten auf SRVN- und EU-Ebene zu formen. Ein umfassendes und zukunftsfähiges Sicherheitskonzept muss noch entwickelt werden. Dies sollte auf den vorhandenen Konzepten zur erweiterten und menschlichen Sicherheit aufbauen, aber auch ökologische Aspekte miteinbeziehen. Es ist dabei unabdingbar, dass die Zusammenhänge zwischen Klimawandel, Frieden und Konflikten auch in lokalen Situationen als Problem globaler gesellschaftlicher Verantwortung betrachtet und multilateral vernetzt angegangen werden. Die aktuellen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Krisen, Konflikte, Friedensprozesse und Sicherheit verstärken die Notwendigkeit zur Neuorientierung der Sicherheitspolitik.

Begonnenes Engagement mit Weitblick weiterentwickeln

Deutschland hat wie schon 2011 die Debatte um den Klimawandel als umfassendes Problem für Frieden und Sicherheit im SRVN- und VN-Kontext stärken können, auch wenn es das angestrebte Ziel einer Resolution nicht erreichte. Weiterer Fortschritt erfordert die Konsolidierung bisheriger Erfolge und die Einrichtung weiterer Möglichkeiten zur Informationsgewinnung und -vermittlung. Gefordert ist außerdem die Ausarbeitung eines umfassenderen Sicherheitsverständnisses zur Stärkung der eigenen Glaubwürdigkeit als bedeutender Akteur für Frieden und Sicherheit und um dem Anspruch einer „Führungsrolle bei der Lösung weltweiter Krisen“ gerecht zu werden. 

Dieser Text basiert auf den Ergebnissen des Forschungsprojekts „Climate Change and Security in the United Nations Security Council“, das durch das Auswärtige Amt finanziert und in Anbindung an das Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik und an die Forschungsgruppe „Climate Change and Security“ an der Universität Hamburg von 2019-2020 durchgeführt wurde.

Eine englische Version des Artikels ist auf der Webseite des Centre Marc Bloch veröffentlicht.

Vereinte Nationen Frieden & Sicherheit Klimawandel

Judith Nora Hardt

Judith Nora Hardt ist Forscherin am Centre Marc Bloch in Berlin und ist am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik (IFSH) und der Forschergruppe Climate Change and Security an der Universität Hamburg (CLISE) assoziiert.

Michael Brzoska​

Michael Brzoska ist Senior Research Fellow am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik (IFSH) an der Universität Hamburg.

Alina Viehoff​

Alina Viehoff ist Forscherin mit Fokus auf Kritische Sicherheitsstudien und Politische Geographie.