Heiße Kriege: Klimawandel und Konflikte

25. Januar 2021   ·   Kira Vinke​

Der Klimawandel bedroht den Frieden. Wenn Konflikte und Extremwetterereignisse zusammenkommen, sind die Folgen besonders verheerend. Die Bundesregierung sollte daher Maßnahmen zu Klimafolgen mit ziviler Krisenprävention verbinden, indem sie die internationale Katastrophenhilfe und die Krisenvorsorge der Bundeswehr ausbaut und die Akzeptanz von Präventionsmaßnahmen stärkt.

Über die vergangenen zehn Jahre hat sich die wissenschaftliche Evidenz verdichtet: Klimafolgen können zur Entstehung und Verschärfung von Konflikten beitragen. Langanhaltende Dürren, Extremniederschläge und Tropenstürme gefährden die menschliche Sicherheit und fordern jedes Jahr zahlreiche Todesopfer. Weltweit sterben aufgrund von Naturkatastrophen etwa 60.000 Menschen pro Jahr. Wenn Lebensgrundlagen zusammenbrechen und Ressourcen knapp werden, können sich neue Konfliktkonstellationen bilden und bestehende Spannungen eskalieren. Insbesondere in Ländern, die ethnisch fragmentiert und wirtschaftlich stark von der Landwirtschaft abhängig sind, steigt das Risiko für einen Gewaltausbruch nach einem klimatischen Extremereignis, wie zum Beispiel einer Dürre.

So trug der Klimawandel auch zur Konfliktgenese in Syrien bei. Eine dreijährige Dürre, wie es sie seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen nicht gegeben hat, ging den Demonstrationen, ihrer blutigen Niederschlagung und dem syrischen Bürgerkrieg voraus. Die Trockenheit ließ fast alle Viehherden syrischer Kleinbauern eingehen, führte zu hohen Ernteverlusten und zur Vertreibung von bis zu 1,5 Millionen Menschen aus ländlichen Gebieten in die Städte. Bevölkerungsdruck, steigende Lebensmittelpreise, fehlende soziale Absicherung und insbesondere die jahrelangen Repressionen des diktatorischen Assad-Regimes schürten den Unmut, der schließlich auch im Zuge des Arabischen Frühlings in große Demonstrationen mündete.

Die sicherheitspolitische Relevanz des Klimawandels

Das Beispiel Syriens zeigt auch, wie viele verschiedene Treiber eine Rolle bei der Entstehung eines Konflikts spielen. Der Klimawandel trifft allerdings nicht auf 195 Länder, die in ihrer institutionellen, wirtschaftlichen und sozialpolitischen Beschaffenheit so sind wie Deutschland. Im Gegenteil, ein Großteil der globalen Bevölkerung verteilt sich auf Länder, die weitaus schlechtere Voraussetzungen für ein effektives Krisenmanagement haben als die Bunderepublik. In vielen Ländern schwelen außerdem inter- und intrakommunale Konflikte, die sich bei verschlechternden Rahmenbedingungen und voranschreitender Marginalisierung einzelner Gruppen weiter verschärfen könnten.

Hier können Klimafolgen der sprichwörtliche Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt. Beispielsweise in der Sahelzone sind junge Männer, deren traditionelle Einkommensarten und damit ihre Identität durch den Klimawandel zerstört werden, anfälliger für die Rekrutierung durch extremistische Gruppen. In einer vernetzten Welt bedeutet diese Gemengelage auch, dass der Klimawandel für Deutschland und die Europäische Union sicherheitspolitisch relevant ist. Bislang fehlen jedoch konkrete Strategieansätze zur Prävention der Sicherheitsrisiken des Klimawandels und zur Konfliktbewältigung. Was sollte die Bundesregierung tun, um diese Gefahren zu adressieren?

Treibhausgasemissionen senken und Klimafolgen auch mit ziviler Krisenprävention bewältigen

Grundsätzlich liegt der erste Schritt der Prävention von Klimasicherheitsrisiken in der Vermeidung von Treibhausgasemissionen. Dies betrifft nicht nur die deutsche Industrie, sondern auch alle anderen Sektoren, inklusive des Bereichs Verteidigung. Fortschritte in Richtung CO2-Neutralität im Militär könnten gesamtwirtschaftliche Innovationen, wie zum Beispiel bei Off-Grid-Energiesystemen oder in der Elektromobilität, begünstigen. Ebenso würde bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr eine Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen logistische Vorteile erbringen.

Weil über Jahrzehnte die globalen Treibhausgasemissionen weiter gestiegen sind, müssen Regierungen parallel zur Dekarbonisierung auch Strategien zur friedvollen Bewältigung von Klimafolgen entwickeln. Diese Strategien sollten über klassische Anpassungsmaßnahmen hinausgehen und Instrumente der zivilen Krisenprävention in Umwelt- und Entwicklungspolitik integrieren. Dafür sollten in Deutschland das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sowie die Internationale Klimaschutzinitiative (IKI) des Bundesumweltministeriums Ansätze wie Environmental Peacebuilding und Mediationsprojekte stärker in ihre Förderbereiche einbeziehen.

Ausbau der internationalen Katastrophenhilfe, Krisenvorsorge und Krisenkommunikation

Weil die Auswirkungen für die betroffene Zivilbevölkerung dort besonders verheerend sind, wo Konflikte und Extremwetterereignisse aufeinander treffen, ist eine schrittweise Ausweitung der Kapazitäten der internationalen Katastrophenhilfe der Bundeswehr über die nächsten zehn Jahre sinnvoll. Deutschland könnte zukünftig sehr viel stärker von Klimafolgen betroffen sein und somit sollten sowohl das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe im zivilen Bereich, als auch die nationale Krisenvorsorge der Bundeswehr durch mehr Mittel und personellen Aufbau ihre Einsatzfähigkeit erhöhen. Zudem ist eine effektive Krisenkommunikation seitens der Bundesregierung zur weiteren Sensibilisierung der Wähler*innen gegenüber den wachsenden Risiken des Klimawandels entscheidend für die Bereitschaft, Steuergelder in präventive Ansätze zu investieren und auch privat aktiv zu werden.

Handlungsoptionen für die Bundesregierung: Der Beirat stößt eine Debatte an

Das bisherige deutsche Engagement im In- und Ausland zum Nexus von Klima und Konflikten hat die Arbeitsgemeinschaft Klima und Sicherheit des Beirats der Bundesregierung Zivile Krisenprävention und Friedensförderung im Rahmen einer Studie exploriert und erste Empfehlungen zur weiteren Verankerung des Themas formuliert. Während die Studie aufzeigt, dass sich Deutschland bereits in verschiedenen Foren zu dem Thema Klima und Sicherheit engagiert, wird ebenfalls deutlich, dass es einen noch strategischeren Ansatz zur Risikominimierung der Klimasicherheitsrisiken bedarf. Dieser setzt beispielsweise eine verbesserte Krisenkommunikation voraus, die auch durch gezielte bildungspolitische Maßnahmen vorangetrieben werden könnte.

Die Studie bietet Anknüpfungspunkte für eine breitere zivilgesellschaftliche Diskussion, die im Rahmen dieser PeaceLab-Debatte einen Auftakt findet. Dabei sollen zivilgesellschaftliche Akteur*innen und internationale Wissenschaftler*innen sowohl regionale Beispiele in der Tiefe diskutieren, als auch Berührungspunkte mit anderen Themen aufzeigen, wie zum Beispiel Geschlechtergerechtigkeit oder der Entwicklung von Frühwarnsystemen. Obwohl die Forschung zum Nexus von Klima und Konflikten gewachsen ist, bestehen weiterhin Unsicherheiten über die zugrundeliegenden Wirkungsmechanismen und Interventionsmomente. Diese kritischen Themen können durch die Vielfalt der Debatten-Autor*innen ausgeleuchtet und mit konkreten Handlungsoptionen belegt werden. Evidenzbasierte Politikberatung wird sich in den kommenden Jahren einer Vielzahl von Fragestellungen annehmen müssen: Wie kann die Bundesregierung ihre Instrumente zur Krisenprävention und Friedensförderung effektiv an die neuen Herausforderungen anpassen und das Thema innerhalb der EU vorantreiben? Welche neuen Selbstverpflichtungen zum Thema Klimawandel und Sicherheit sollte die Bundesregierung mit Hinblick auf die Umsetzung der Leitlinien „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“ eingehen? Und an welcher Stelle können umweltpolitische Interventionen ansetzen, um einer Eskalation von Konflikten vorzubeugen? Um sich diesen und weiteren Fragen zu nähern und an die Leitlinien der Bundesregierung anzuknüpfen, stößt der Beirat der Bundesregierung Zivile Krisenprävention und Friedensförderung diese Debatte an.

Frieden & Sicherheit Klimawandel Krisenprävention

Kira Vinke​

Dr. Kira Vinke ist Co-Vorsitzende des Beirats der Bundesregierung für zivile Krisenprävention und Friedensförderung und Projektleiterin des East Africa Peru India Climate Capacities Projekt am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).