Klimawandel, Migration und Menschliche Sicherheit in Peru: Deutschland sollte Forschung zu Lösungsansätzen fördern

01. Februar 2021   ·   Jonas Bergmann

Wasserknappheit und Überflutungen führen in Peru bereits jetzt zu Verarmung, Binnenmigration und Menschlicher Unsicherheit. Um die Verschärfung und Entstehung neuer Konflikte zu verhindern und evidenzbasierte Lösungsstrategien voranzutreiben, sollte Berlin Forschung für Maßnahmen zur Klimaanpassung und Krisenprävention unterstützen.

Klimaveränderungen sind bereits heute weltweit eine reale Bedrohung für Menschliche Sicherheit und erfordern ein engagierteres Eingreifen der Bundesregierung im Sinne der Krisenprävention und Friedenssicherung. Die folgenden Beispiele aus Peru veranschaulichen die weitreichenden Klimarisiken für Menschliche Sicherheit und sind aus zwei Gründen auch auf viele andere Staaten übertragbar: Zum einen ist Peru ein Mikrokosmos der Klimakrise, da es eine Vielzahl der global existierenden Klimazonen repräsentiert und als tropisches Land besonders stark exponiert ist. Zum anderen hat Peru ähnlich wie andere Länder des Globalen Südens mit strukturellen Herausforderungen zu kämpfen, die seine Klimaverwundbarkeit erhöhen. Dazu gehören zum Beispiel eine starke Abhängigkeit von der Landwirtschaft und gleichzeitig rapide, informelle Urbanisierung.

Gefahren durch zu viel und zu wenig Wasser in Peru

Wie verstärken Klimarisiken die Menschliche Unsicherheit in Peru? Ein Teil der etwa 32 Millionen Einwohner:innen kämpft bereits mit zunehmender Wasserknappheit, während einem anderen Teil Gefahr durch zu viel Wasser droht. So werden einerseits schnell einsetzende Katastrophen wie Überflutungen im Amazonasbecken und an der Küste, die immer wieder Tausende in die Flucht treiben, häufiger und heftiger. Für die Geflüchteten bedeutet das größtmögliche Menschliche Unsicherheit. Andererseits bedrohen schleichende Klimarisiken wie der massive Verlust tropischer Gletscher und Regenfallveränderungen das andine Hochland. Da diese Folgen der Klimakrise nicht abgewendet werden konnten, sind die Menschen gezwungen zu reagieren, und einige Kleinbäuer:innen müssen deshalb bereits heute ihre Dörfer verlassen. Unter den wenigen verbleibenden Optionen kann die Binnenmigration Potenziale für eine erfolgreiche Anpassung bieten. Sie birgt aber auch Gefahren wie Verarmung und Menschliche Unsicherheit in schnell wachsenden urbanen Ankunftsgebieten, deren Infrastruktur dem Zuzug selten gewachsen ist.

In einer noch unveröffentlichten Umfrage des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) halten Peru-Expert:innen es daher für wahrscheinlich, dass steigende Klimamigration und -flucht (die Begriffe sind hier und hier ausführlicher erklärt) zu Konflikten beitragen werden. Besonders wahrscheinlich im Zeitraum bis 2050 seien Konflikte um Land, Zugang zu Grundversorgung und Arbeit, sozialen Zusammenhalt und urbane Basisinfrastruktur in Ankunftsgebieten. Zudem schwelen bereits heute Wasserkonflikte in Perus Ballungsgebieten. Diese Situation wird sich weiter zuzuspitzen: Studien projizieren, dass selbst bei der Einhaltung des Klimaabkommens von Paris bis zu 90 Prozent der tropischen Gletscher in den Zentralanden zerstört werden, die für die Wasserversorgung wichtig sind. Das wird auch Konflikte durch Wasserknappheit und Ernährungsunsicherheit wahrscheinlicher machen.

Trotz politischer Fortschritte: Fehlende Ressourcen und Forschung zu Klimakonfliktrisiken und Lösungen

Gezwungenermaßen wächst in Peru die Aufmerksamkeit für diese Themen. Einige politische Fortschritte stimmen hoffnungsvoll: Von spezieller Bedeutung für Klima-Krisenprävention sind Perus national festgelegten Beiträge (NDCs) und der darauf aufbauende Nationale Anpassungsplan (NAP), die Existenzgrundlagen und Menschliche Sicherheit schützen könnten. Perus Klimarahmengesetz fordert sogar die Erstellung eines spezifischen Aktionsplans zu Klimamigration.

Allerdings mangelt es in Peru noch an spezifischen Strategien und Umsetzungsplänen für die damit verbundenen Themen Menschliche Sicherheit und Konfliktpotenziale im Bereich Migration, Wasser und Ernährung. Und wie in vielen anderen Ländern fehlen zur Umsetzung auch ausreichende Finanzierung, lokale Ressourcen und Koordination unter relevanten Akteuren. Für Antworten, die dem gewaltigen Ausmaß der klimatischen Herausforderungen angemessen wären, braucht es jedoch mehr als internationale finanzielle Unterstützung. Dringend notwendig ist mehr Wissen(schaft), um solche Antworten evidenzbasiert gestalten zu können. Deutschland kann dafür einen wertvollen Beitrag leisten.

1. Die Bundesregierung sollte lokal verankerte Krisenforschung fördern und mit der Praxis verzahnen.

Deutschland besitzt besondere Expertise, um Krisenprävention im Themenkomplex Klima-Migration-Sicherheit zu fördern: Als Wissenschaftsland und Zivilmacht sollte die Bundesregierung Forschung zur Früherkennung von klimabedingten Krisen und für konkrete Präventions- und Lösungsstrategien fördern (s. Kapitel 4.4. der Leitlinien „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“ der Bundesregierung). Mittel aus dem Globalen Norden können einen wichtigen Beitrag zu Klimagerechtigkeit leisten, wenn sie gezielt eingesetzt werden, um Konfliktpotentiale und mögliche Lösungen in Ländern des Globalen Südens besser zu erforschen. Dabei sollte die Bundesregierung dringend auch in kooperative Projekte mit Forscher:innen vor Ort investieren, die oft die besten (aber leider auch oft ungehörten) Expert:innen ihrer lokalen Realität sind.

Die Förderung solch angewandter und lokal verankerter Wissenschaft sollte ein zentraler Eckpunkt der Krisenprävention durch die Bundesregierung sein. Sie hat in dieser Richtung bereits erste Schritte getan. So hat das vom BMU geförderte Kapazitätsentwicklungs-Projekt „EPICC“ am PIK gemeinsam mit lokalen Partnern die Evidenzgrundlage geschaffen, auf der die peruanische Regierung ihren Aktionsplan zu Klimamigration entwickeln will. Der Plan braucht jedoch noch weitere Forschung, um Wissenslücken zu füllen und geplante Maßnahmen evidenzbasiert gestalten zu können. Ganz konkret könnte die Bundesregierung die wissenschaftliche Entwicklung dieses Aktionsplans mit finanziellen und personellen Ressourcen unterstützen. Damit würde sie zu einer Strategie beitragen, die Betroffenen wirklich helfen kann und ein Vorbild für andere von der Klimakrise bedrohte Länder darstellt.

2. Die Bundesregierung sollte Forschung zu Anpassungsstrategien in betroffenen Regionen vorantreiben.

Die Arbeit des PIK in Peru zeigt deutlich, dass Regierungen und internationale Akteure dringend bessere Daten und ein besseres Verständnis davon brauchen, welche Lebensgrundlagen in welchen Teilen betroffener Regionen erhalten bleiben. Die Klimakrise verengt den Handlungsspielraum der Menschen zunehmend. Viele Anpassungsgrenzen drohen selbst in optimistischen Emissionsszenarien überschritten zu werden; das zeigen die oben erwähnten Beispiele von extremem Gletscherverlust sowie von häufigeren und intensivieren Überflutungen in Peru.

In Peru wie in anderen Ländern, wo schleichende Klimafolgen zu Wasser- und Ernährungsunsicherheit führen, sollte die Bundesregierung krisenpräventiv die Erforschung möglicher Maßnahmen zur Klimaanpassung fördern. Erstens sollte erforscht werden, in welchen Gegenden würdige Lebensbedingungen im Laufe der kommenden Jahrzehnte möglich bleiben – und wie Menschen vor Ort unterstützt werden können, zum Beispiel durch den Schutz lokaler Ressourcen und Einkommensdiversifizierung unter Beachtung von traditionellem und indigenem Wissen. Solche Forschung würde zielgerichtete Entwicklungszusammenarbeit in zukünftigen Hotspots von Klimarisiken im Sinne der Krisenprävention ermöglichen. Zweitens braucht es Forschung dazu, wie die Menschliche Sicherheit von Bevölkerungsgruppen gewährleisten werden kann, die schnell einsetzenden Klimagefahren ausgesetzt sind. Diese sollte als Grundlage für evidenzbasierte Investitionsentscheidungen im Bereich von Katastrophenvorsorge und -management genutzt werden.

3. Die Bundesregierung sollte Forschung zu würdiger Migration aus künftig unbewohnbaren Gebieten unterstützen.

Selbst mit großen Investitionen werden manche Gebiete zu gefährlich zum Leben werden und nicht alle Menschen werden solche Gegenden verlassen können oder wollen. Es bedarf daher auch mehr Forschung zu Möglichkeiten von staatlichem und internationalem Schutz von eingeschlossenen („trapped“) Menschen. Für manche von ihnen kann Migration die beste unter verschiedenen, schwierigen Optionen sein.

Die Bundesregierung sollte daher die Erforschung von Unterstützungsmöglichkeiten für würdige Migrationsbedingungen fördern. Dabei muss berücksichtigt werden, wie Bewohner:innen Gebiete, in denen das Leben zu gefährlich wird, rechtzeitig und sicher verlassen können. Um Spannungen und Menschliche Unsicherheit zu vermindern, ist es notwendig, Anreizsysteme zu erforschen, damit Migrant:innen sich auf mehrere Ankunftsgebiete verteilen. Hierfür sollte die Rolle von Bildungsmöglichkeiten und Arbeitsplätzen sowie Mikrokreditprojekten untersucht werden. Notwendig ist auch mehr Wissen über Unterstützungsprogramme vor der Migration, wie beispielsweise Schulungen und Ausbildungen, die menschenwürdigere Chancen auf dem Arbeitsmarkt der Ankunftsgebiete ermöglichen.

Ein weiteres wichtiges Forschungsfeld betrifft Optionen für Ankunftsregionen, um positive Potenziale solcher Migration zu nutzen, einschließlich der Innovation sowie der Wissens- und Schaffenskraft der Migrant:innen. Zeitgleich braucht es Forschung zu Antworten auf mögliche lokale Herausforderungen in Zuzugsgebieten, wie für Infrastruktur, natürliche Ressourcen, Dienstleistungen, Arbeitsmärkte und sozialen Zusammenhalt. Die Erforschung von Mechanismen zur Mediation und Konfliktbewältigung in vom Klimawandel betroffenen Gemeinden und in migrantischen Zielorten verspricht weitere Chancen.

Die Klimakrise spitzt sich zu und erfordert ein schnelles Umdenken in der Planung, um Menschliche Sicherheit zu gewährleisten. Dass es dafür besseres Wissen und mehr angewandte Wissenschaft braucht, lässt sich von Peru auf andere Länder übertragen. Die Bundesregierung könnte hiermit einen essenziellen Beitrag zur Krisenprävention und Friedenssicherung leisten.

Klimawandel South America Menschliche Sicherheit

Jonas Bergmann

Jonas Bergmann forscht am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) zu Klimawandel und Migration. Er unterstützt die peruanische Regierung wissenschaftlich bei der Entwicklung des Nationalen Anpassungsplans sowie eines strategischen Aktionsplans zur Klimamigration. Gleichzeitig promoviert er an der Humboldt-Universität zu Berlin zu den Folgen verschiedener Migrationsformen aus Gebieten, die unter Klimafolgen leiden.