Mehr Konflikte, mehr Komplexität: Wie sich Klimawandel auf internationale Sicherheit auswirkt 26. Januar 2021 · Hannah Elisabeth Kurnoth, Lukas Rüttinger Obwohl der Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und Sicherheit schon lange bekannt ist, hat die Bundesregierung ihre Instrumente der Krisenprävention und Friedensförderung bisher unzureichend auf klimabedingte Sicherheitsrisiken abgestimmt. Sie sollte diese Risiken in Frühwarnsysteme integrieren und klima- und sicherheitspolitische Maßnahmen besser aufeinander abstimmen. Debatten Klima und Konflikte Prioritäten und Impulse für die Bundesregierung Der Klimawandel stellt die derzeit größte politische, ökonomische und ökologische Herausforderung unserer Zeit dar. Dank weitreichender Forschung hat sich unser Wissen über die Auswirkungen des Klimawandels in den letzten Jahrzehnten erheblich verbessert. Damit einher geht ein umfassenderes Verständnis dafür, wie sich der Klimawandel direkt und indirekt auf globale, nationale und lokale Sicherheitsrisiken auswirkt. Die Forschung und Debatte hat sich dabei in den letzten Jahren weiterentwickelt: von der Frage, ob ein Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und Sicherheit besteht, zu der Frage, wie und unter welchen Umständen der Klimawandel zu mehr Instabilität und Konflikten beitragen kann. Fest steht: Der Klimawandel verstärkt bestimmte Konflikttreiber und wirkt sich negativ auf die menschliche Sicherheit aus. Fest steht: Der Klimawandel verstärkt bestimmte Konflikttreiber und wirkt sich negativ auf die menschliche Sicherheit aus. Damit kann er unter bestimmten Umständen das Risiko von Gewalt, Konflikten und politischer Instabilität erhöhen. Die Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Konflikten lassen sich dabei anhand einer Reihe von Wirkungspfaden („pathways“) beschreiben: 1. Der Klimawandel verstärkt den Wettbewerb und Konflikte um natürliche Ressourcen wie Land und Wasser. Der Klimawandel wird erhebliche negative Auswirkungen auf natürliche Ressourcen haben. So werden z.B. bis 2050 ca. 50% der Weltbevölkerung in Regionen leben, welche unter Wasserknappheit leiden. Dies kann zu verstärktem Ressourcenwettbewerb führen. Insbesondere dort, wo Mechanismen zum Konfliktmanagement schwach entwickelt sind und Bevölkerungsgruppen politisch ausgegrenzt werden, kann dieser Wettbewerb in lokale Ressourcenkonflikte und Gewalt eskalieren. Dies ist besonders der Fall in Gebieten, die bereits von Bürgerkriegen, ethnischen Rivalitäten und zwischenstaatlichen Konflikten betroffen sind. Beispiele für diese Art von lokalen Ressourcenkonflikten findet man in allen Teilen der Welt: von Konflikten zwischen Pastoralisten und sesshaften Bauern in vielen Teilen Afrikas hin zu Konflikten rund um den Wasser- und Landverbrauch des Bergbaus in Lateinamerika. Neben dem Risiko der Verschärfung lokaler Konflikte besteht auch das Risiko der Verschärfung internationaler Konflikte. Spannungen entstehen hier oft beim Ausbau von Infrastruktur wie Dämmen und Bewässerungsanlagen, die bei stromabwärts gelegenen Ländern Bedenken über die eigene Wasserversorgung auslösen können. Fraglich ist dabei inwieweit die bestehenden Institutionen zum Wassermanagement in der Lage sein werden, den kombinierten Druck aus zunehmender Bevölkerung, wachsender Wirtschaft und Klimawandel friedlich zu managen. Für diese Konflikte gibt es zahlreiche Beispiele: Ägypten, Äthiopien und Sudan streiten seit Jahren auch unter der Androhung von Gewalt über den „Grand Ethiopia Renaissance Dam“. Am Mekong führt der Bau von Staudämmen und anderer Infrastruktur immer wieder zu Spannungen, da große Teile Südostasiens wirtschaftlich und im Hinblick auf die Lebensgrundlagen der Menschen vom Fluss abhängig sind. 2. Die Auswirkungen des Klimawandels gefährden die Lebensgrundlage von Menschen, erhöhen Migrationsdruck und drängen Menschen in illegale Bewältigungsstrategien. Wo Lebensgrundlagen aufgrund des Klimawandels verloren gehen, können eine Reihe von Risiken verstärkt werden. So können reduzierte ökonomische Perspektiven als „Push-Faktor“ für Migration wirken. Bereits 2019 wurden mehr Menschen durch klimabedingte Extremwetterereignisse vertrieben (23,9 Millionen) als durch Konflikte (8,5 Millionen). Die Forschung geht davon aus, dass vor allem bestehende Migrationsmuster durch den Klimawandel weiter verstärkt werden, z.B. die Land-Stadt-Migration. Herausforderungen entstehen dabei insbesondere in den Aufnahmegebieten, in welchen der Druck auf Ressourcen, Infrastruktur und öffentliche Dienstleistungen steigt und zu Spannungen führen kann. Zudem sind Menschen, die ihre Lebensgrundlage verlieren, unter erhöhtem Druck, Alternativen zu finden. Ein Beispiel hierfür ist Afghanistan. Durch zunehmende Trockenheit wird Mohn als dürreresistente, wassersparende und ertragreiche Pflanze attraktiver für Landwirte und fördert die Drogenproduktion. Dies führt zu steigenden Einnahmen bewaffneter Gruppen und zunehmenden Konflikten um Land und Wasser. Außerdem werden Menschen mit fehlenden Lebensgrundlagen und ökonomischen Perspektiven vulnerabler für die Rekrutierung durch bewaffnete, nicht-staatliche Gruppen. 3. Die Auswirkungen des Klimawandels tragen zu starken Preisschwankungen bei Lebensmitteln bei und verstärken dadurch Ernährungsunsicherheit. Die Klimawissenschaft zeigt, dass produktionsbedingte Risiken der Landwirtschaft und Nahrungsmittelpreise in Zukunft erheblich steigen werden. Aus Konfliktsicht sind dabei vor allem hohe und schnelle Preisschwankungen problematisch. Dies zeigte sich sowohl 2007/2008, beispielsweise in Form der „Brotproteste“ in Marokko, als auch 2010/2011, als die Nahrungsmittelpreise auf den globalen Märkten extrem anstiegen und zu politischer Instabilität in vielen Ländern beitrugen, wie im Dezember 2010 in Ägypten, wo Lebensmittelpreise als Katalysator für Proteste gegen die Regierung wirkten. 4. Extreme Wetterereignisse stellen die Wirksamkeit der Regierung und ihre Legitimität in Frage. Die Anzahl und Stärke von Extremwetterereignissen wird nach Prognosen von Klimaforschern rapide zunehmen. Bereits 2019 waren von 308 Naturkatastrophen 77% klimabedingt und ca. 97,6 Millionen Menschen davon betroffen, dabei verloren 24.396 Menschen ihr Leben. In diesem Zusammenhang ist die Rolle von Regierungen entscheidend: Wenn deren Reaktion und Hilfsmaßnahmen als nicht angemessen wahrgenommen werden, kann dies ihre Legitimität in der Bevölkerung verringern und zu politischer Instabilität beitragen. Dies war der Fall in Thailand (2011) als der stärkste Monsunregen seit 30 Jahren zu Überschwemmungen führte. Bevölkerungsgruppen, die sich bereits zuvor marginalisiert fühlten, nahmen die Reaktion der Regierung als unfair wahr und Proteste brachen aus, die bis zum Militärcoup 2014 anhielten. 5. Auch Klima- und Sicherheitspolitik können unbeabsichtigt negative Folgen haben. Maßnahmen zur Verringerung von Treibhausgasen und zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels werden in Zukunft weiter zunehmen. Diese können unbeabsichtigte negative Auswirkungen haben. Ein Beispiel hierfür sind Brunnenbohrungen in der zentralen Sahelzone, welche wiederholt den Wettbewerb um Ressourcen steigerten und soziale Spannungen und Konfliktrisiken erhöhten. Konfliktpräventive und friedensbildende Maßnahmen müssen die Auswirkungen des Klimawandels ebenfalls berücksichtigen. Auch militärische Maßnahmen und Reaktionen auf Konflikte und Katastrophen können sich negativ auf die Bevölkerung auswirken, vor allem wenn sie klimaempfindliche Lebensgrundlagen weiter einschränken oder negativ beeinflussen. In Teilen der nigrischen Region Diffa beispielsweise erklärte die Armee den Anbau von rotem Pfeffer für illegal, da sie den Anbau mit Geldströmen an nichtstaatliche bewaffnete Gruppen in Verbindung brachte. Dies übte zusätzlichen Druck auf die Bevölkerung aus, erhöhte die Nutzung illegaler Bewältigungsstrategien und verschärfte den Unmut gegen den Staat. Konfliktpräventive und friedensbildende Maßnahmen müssen die Auswirkungen des Klimawandels ebenfalls berücksichtigen: Zum Beispiel in Reintegrationsprogrammen für Ex-Kombattanten, welche Maßnahmen für alternative Lebensgrundlagen beinhalten sollten. Die Bundesregierung sollte Instrumente zur Konfliktanalyse anpassen und Klima- mit Friedensbildungsmaßnahmen integrieren Die beste Prävention klimabedingter Sicherheitsrisiken ist die Vermeidung und Reduzierung von Treibhausgasen. Der globale Temperaturanstieg durch den Treibhauseffekt sollte auf unter 1,5 Grad Celsius begrenzt werden, damit Auswirkungen des Klimawandels unsere politischen, sozialen und ökonomischen Systeme nicht überfordern. Doch selbst die weitreichendste Verringerung von Treibhausgasen wird nicht genug sein, da bereits emittierte Treibhausgase unsere Welt auch in Zukunft erwärmen werden. Deshalb ist es wichtig, mit klimabedingten Sicherheitsrisiken besser umzugehen. Kapazitäten zur Bewertung und Bewältigung klimabedingter Sicherheitsrisiken hinken der sich verschärfenden Risikolandschaft hinterher. Die Bundesregierung sollte daher klimabedingte Sicherheitsrisiken in ihre Bewertungsinstrumente, Frühwarnsysteme und Analysen integrieren. Nur wenn klimabedingte Sicherheitsrisiken berücksichtigt werden, können Bewertung, Frühwarnung und Analyse eine Basis für informiertes und adäquates Handeln bilden. Ein „climate-security mainstreaming“ auf Grundlage eines Kabinettsbeschlusses, der ressortübergreifend (insbesondere von AA, BMU und BMZ, aber auch BMVg, BMF (Entwicklungsbanken), BMWi (Exportförderung)) umgesetzt wird, wäre hierfür ein wichtiger Schritt. Klimamaßnahmen sollten konfliktsensibel sein und Friedensbildungsmaßnahmen klimasensibel. Konkret sollte dies in Form von integrierten Maßnahmen und Programme in den Bereichen Stabilisierung, Anpassung, Friedensförderung und Konfliktprävention geschehen. So könnte sich das AA dazu verpflichten, alle Stabilisierungsmaßnahmen auf ihre Klimasensibilität zu überprüfen und wenn möglich Beiträge zur Anpassung an den Klimawandel zu leisten. Das BMU sollte seine Anpassungsvorhaben auf Konfliktsensibilität prüfen und mit Anpassungsmaßnahmen auch stabilisierend und friedensbildend wirken, z.B. indem sie soziale Kohäsion fördern oder das Vertrauen in die Regierung stärken. Das BMZ könnte sein Portfolio integrierter Klimaanpassungs- und Friedensbildungsprojekten erheblich ausbauen und sich damit in Deutschland und weltweit als Vorreiter positionieren.Überdies sollte die Bundesregierung ihr Engagement auf internationaler Ebene ausbauen und sich dafür einsetzen, dass das Thema in den Vereinten Nationen (VN) priorisiert wird. Hierfür ist eine regelmäßige Bearbeitung des Themas durch den VN-Sicherheitsrat wichtig, beispielsweise durch die Aufnahme von Klima-Sicherheitsrisiken in die Mandate von VN-Friedensmissionen. Darüber hinaus sollte Deutschland darauf hinwirken, dass das Thema im Rest des VN-Systems Beachtung findet, insbesondere beim VN-Entwicklungsprogramm und der Weltbank. Der Nexus zwischen Klimawandel und Konflikten wird in Zukunft weltweit an Bedeutung zunehmen. Der Nexus zwischen Klimawandel und Konflikten wird in Zukunft weltweit an Bedeutung zunehmen: Der Klimawandel ist nicht nur ein ökologisches, ökonomisches oder soziales Thema, sondern beeinflusst zunehmend die Sicherheitsrisiken auf internationaler, nationaler und lokaler Ebene. Dies sollte für Regierungen weltweit als Ansporn dienen, die Pariser Klimaziele ernst zu nehmen und klimabedingte Sicherheitsrisiken in ihren Politik-, Diplomatie-, Verteidigungs-, und Sicherheitsstrategien mitzudenken. Debatten Klima und Konflikte Prioritäten und Impulse für die Bundesregierung Friedensförderung Klimawandel Menschliche Sicherheit Hannah Elisabeth Kurnoth Hannah Elisabeth Kurnoth ist Analystin im Bereich Klimadiplomatie bei adelphi, wo sie zu außen- und sicherheitspolitischen Antworten auf den Klimawandel arbeitet. @HKurnoth Lukas Rüttinger Lukas Rüttinger ist Senior Advisor bei adelphi und arbeitet an der Schnittstelle von Umwelt-, Entwicklungs-, Außen- und Sicherheitspolitik. @LRuettinger
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Artikel Deutschland, der Multilateralismus und die Klimakrise: Wie Kooperationen die Klimapolitik stärken können Für erfolgreichen Klimaschutz ist das Zusammenwirken großer Emittenten unerlässlich. Deutschland sollte dafür in der EU, G20 und G7 bereits begonnene Arbeit vorantreiben und gleichzeitig für konkrete transformative und innovative Maßnahmen auf ambitionsorientierte Allianzen setzen. Dabei sind klimaschutzorientierte Wissenssysteme, die Sozialwissenschaften einschließen, zentral. Camilla Bausch • 08. Dezember 2020
Artikel Umwelt und Frieden zusammendenken: Environmental Peacebuilding als Chance für die deutsche Friedens- und Entwicklungspolitik Environmental Peacebuilding verbindet Umweltprojekte mit Friedensförderung. Derzeit nimmt die Bundesregierung den Klimawandel als Konfliktverstärker wahr, sie sollte ihn aber auch als Chance für Kooperation zur Überwindung gemeinsamer Herausforderungen begreifen und Environmental Peacebuilding in die Sicherheits- und Entwicklungspolitik integrieren. Rebecca Froese, Janpeter Schilling • 28. Mai 2020