Bewaffneter Konflikt in Mosambik: private Sicherheitskräfte für öffentlichen Frieden? 07. April 2021 · Matthias Leitner Ein seit Jahren bestehender Konflikt im Norden Mosambiks bedroht inzwischen auch die regionale Stabilität. Von der Regierung beauftragte private Sicherheitskräfte tragen zur zunehmenden Gewalt bei. Die Bundesregierung sollte zivile Expertise bereitstellen, bestehende Programme bündeln und die Partizipation von Frauen und Jugendlichen an Friedensverhandlungen fördern. Debatten Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern Prioritäten bis 2021 Seit 2017 eskaliert ein bewaffneter Kampf im Norden von Mosambik mit der jihadistischen Extremistengruppe „Ahlu Sunnah Wa-Jama“ (ASWJ). Die Rebellen gewinnen an Boden, unweit von bedeutenden Flüssiggas-Projekten internationaler Energiefirmen in Cabo Delgado. Die Regierung setzt zunehmend auf militärische Berater, private Sicherheitsfirmen und lokale Milizen, um der jihadistischen Gewalt Herr zu werden. Allerdings sind militärische Lösungen bisher weitgehend ineffektiv. Die Expansion von ASWJ als neuestem Ableger des Islamischen Staates (ISIS) in Afrika schafft erhebliche Risiken für regionale Stabilität über Mosambik hinaus. Die Regierung [in Mosambik] setzt zunehmend auf militärische Berater, private Sicherheitsfirmen und lokale Milizen, um der jihadistischen Gewalt Herr zu werden. Reformen im Sicherheitssektor von Mosambik sind noch unzureichend. Daher besteht hoher Bedarf an friedensfördernden Maßnahmen, um zivile Aufsicht über alle Akteure im Sicherheitsbereich zu gewährleisten. Es gilt auch, die Dialogfähigkeit von zivilen Partnern und ihren Beitrag zur Entwicklungsplanung, Gewaltprävention und Deradikalisierung zu fördern. Dazu bedarf es gezielter deutscher Beteiligung an relevanten EU-Vorhaben im Sicherheitssektor von Mosambik zur verbesserten Kontrolle über Sicherheitsorgane und über private Militär- und Sicherheitsfirmen (PMCs/PSCs), die seit dem Krieg im Irak auch in Afrika zunehmend präsent sind. Die Bündelung deutscher Expertise vor Ort und neuer Initiativen ist sinnvoll, um Friedensakteure in Cabo Delgado systematisch zu erfassen und zu stärken. Frauen und Jugendliche sollten dabei besonders unterstützt werden. Eine humanitäre Krise droht sich auf die Region auszuweiten Cabo Delgado, einst Kerngebiet des Unabhängigkeitskampfes von Mosambik, hat sich in ein Zentrum von Konflikt und Instabilität verwandelt. Dies hat eine akute humanitäre Krise ausgelöst. Nach UN- Angaben wurden seit Oktober 2017 ca. 700.000 Personen oder ein Viertel der Bevölkerung vertrieben und 2.614 getötet; davon waren über die Hälfte Zivilisten. Die Kämpfe werden teilweise mit erheblicher Grausamkeit geführt und Gruppen von Zivilisten wurden von den Rebellen verschleppt oder öffentlich enthauptet. Seit der Einnahme des Hafenorts Mocimboa da Praia durch ASWJ-Kämpfer im August 2020 stehen Teile der Provinz nicht mehr unter der Kontrolle der Regierung. Gewaltmaßnahmen nach dem Vorbild von Al Shabab in Somalia wurden seit 2019 intensiviert und das Scharia-Gesetz von ASWJ als der „Regierung Gottes“ proklamiert. Obwohl keine direkte Verbindung nach Somalia nachweisbar ist, sind die immer besser koordinierten Angriffe der Extremisten in Cabo Delgado ohne das Vorbild der Terrormiliz von Al Shabab in Somalia kaum denkbar. Daher mehren sich Befürchtungen, dass der Konflikt auch auf benachbarte Provinzen von Mosambik übergreifen könnte, besonders auf Nampula und Niassa, sowie auf umliegende Länder. In einem gezielten Angriff auf das Gebiet von Tansania im September 2020 töteten ASWJ-Kämpfer über 70 Menschen. Bereits im Juli 2019 unterstellte sich ASWJ dem ISIS-Ableger ISCAP, welcher in der Demokratischen Republik Kongo aktiv ist. Experten gehen davon aus, dass ASWJ (lokal auch bekannt als „Al Shabaab“ oder „Ansar al-Sunna“) eigenständige Wurzeln hat. Dennoch gibt es Anzeichen, dass auch Tansanier in der Führerschaft von ASWJ eine Rolle spielen. Die USA stellten die Führer von ISIS-ISCAP sowie von ASWJ im März 2021 unter Sanktionen. Der ISIS- Trend zur Ausbreitung in Afrika wird von Experten als „kritische Bedrohung“ für das südliche Afrika gewertet, ähnlich wie der transnationale Terrorismus in der Sahelregion. Perspektivlosigkeit und Marginalisierung in Cabo Delgado tragen zur Radikalisierung bei Die Marginalisierung von Cabo Delgado sowie illegale Aneignung von Land, staatliche Korruption und soziale Ungleichheiten haben den Boden für islamischen Extremismus bereitet. Cabo Delgado ist eine mehrheitlich von Muslimen bewohnte Provinz. Seit dem Bürgerkrieg von 1977 bis 1992 zwischen den Parteien Frelimo und Renamo blieb die Provinz unterentwickelt und die Jugendarbeitslosigkeit ist sehr hoch. Die Marginalisierung von Cabo Delgado sowie illegale Aneignung von Land, staatliche Korruption und soziale Ungleichheiten haben den Boden für islamischen Extremismus bereitet. Dazu kommt der Schmuggel mit Holz, Kohle und Rubinen sowie Wilderei. Heroinschmuggel im Transit aus Asien gehört ebenso zu der Schattenwirtschaft, die sich entlang der Küste des Indischen Ozeans ausbreitet. Zudem blieb nach dem Ende des Bürgerkriegs die Reform des Sicherheitssektors unvollständig. Mosambik besteht auf Souveränität und zieht private Sicherheitsfirmen einer externen Intervention vor Um ASWJ zu bekämpfen, setzte die Regierung zunächst auf eigene Militär- und Polizeikräfte, die aber bald überfordert waren und nur mangelnde Ausrüstung besaßen. Zunehmend machte die Regierung auch von lokalen Milizen gegen die Extremisten Gebrauch. Mittlerweile hat Mosambik mehrfach private militärische Sicherheitsfirmen gegen die Extremisten eingesetzt, zuerst 2019 die russische „Wagner Group”, die aber nicht erfolgreich war. Die militärische Sicherheitsfirma „Dyck Advisory Group (DAG)“ aus Südafrika wurde danach engagiert. Neben den Übergriffen der Rebellen und der der Repression durch das Militär gegen die Zivilbevölkerung sind diese privaten Sicherheitsfirmen und Söldner zunehmend auf den Radar von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International geraten. Den Firmen werden wahllose Tötungen und der Einsatz von Kriegswaffen gegen wehrlose Menschen vorgeworfen. Mittlerweile hat Mosambik mehrfach private militärische Sicherheitsfirmen gegen die Extremisten eingesetzt, [die] zunehmend auf den Radar von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International geraten. Gleichzeitig lehnt Mosambik immer noch regionale Eingreiftruppen oder Polizeikontingente (z.B. aus der AU) gegen die Jihadisten ab, weil dies als Beeinträchtigung nationaler Souveränität gesehen wird. Im Januar 2021 richteten Mosambik und Tansania ein gemeinsames Verteidigungs- und Sicherheitskomitee ein, das allerdings nur dem Informationsaustausch dient. Mehrere bilaterale Partner haben Ausrüstung und Beratung im Sicherheitsbereich angeboten, kürzlich sagten die USA sowie Portugal militärische Berater zu. Mosambik fragte zudem bei der EU um Unterstützung durch technische Expertise an, aber die Entsendung einer EU Fact Finding Mission steht noch aus. Der Konflikt wird vom Öl-und Gasreichtum der Provinz befeuert In zwei großen Flüssiggasprojekten auf der Afungi-Halbinsel und im Rovuma-Becken sind mehrere internationale Energiefirmen tätig. Es handelt sich um die größte private Investition im Energiesektor Afrikas. Dies soll ab 2024 Gasproduktion im Wert von 50 Milliarden Dollar ermöglichen. Es sollen tausende von Arbeitsplätzen entstehen, die der Bevölkerung Einkommen und Ausbildungschancen eröffnen. Allerdings mehren sich seit Anfang 2021 direkte Angriffe auf Logistikbasen für LNG-Gaslogistik. Am 25. März brachten die Extremisten den Küstenort Palma in ihre Gewalt, wo es Dutzende von Toten gab und zivile Mitarbeiter evakuiert werden mussten. Total (mit Sitz in Frankreich) als führende Firma des Flüssiggas Mega-Projekts hat nun die Aktivitäten gestoppt und das gesamte Personal abgezogen. Nach Medienberichten hat sich die Regierung verpflichtet, eine Schutzzone von 25 Kilometern um das Projekt einzurichten. Das Management von Total hat erklärt, keine eigenen Sicherheitskräfte unter Vertrag zu nehmen, sondern lediglich logistische Hilfe an die Sicherheitskräfte vereinbart. Dennoch ist es nicht ausgeschlossen, dass sich einige Zulieferer Frieden durch gelegentliche Geldzahlungen an ASWJ erkaufen werden, wenn die Kämpfe anhalten. Für die Jihadisten ist die Aussicht auf lukrative Ressourcen eine zusätzliche Motivation für Gewaltakte, welche die Regierung schwächen. Ein Umdenken hin zur zivilen Konfliktbearbeitung ist nötig Bislang hat die rein militärische Vorgehensweise von Mosambik und externen Partnern keine Erfolge gezeigt, sondern der Konflikt wurde nur noch verstärkt. Daher ist ein Umdenken im Kampf gegen den Extremismus in Cabo Delgado dringend notwendig. Eine gestärkte Zivilgesellschaft für Dialog und Mitsprache sowie Arbeit mit gefährdeten Jugendlichen erlaubt Reintegration und Festigung des sozialen Zusammenhalts, so dass die Bevölkerung insgesamt eine Friedensdividende aus den Gaseinnahmen erhalten kann. Kirchliche oder inter-konfessionelle Initiativen haben dafür bereits vorgearbeitet, zum Beispiel durch die „Nationale Kommission Gerechtigkeit und Frieden (CNJP)“. Die Situation bleibt langfristig fragil, wenn nicht auch der gesamte Sicherheitssektor, inklusive privater Sicherheitsakteure, demokratischer Kontrolle und Transparenz unterworfen ist. Zivile Kontrolle über die Sicherheitskräfte muss deshalb insgesamt ausgebaut werden, damit diese sich nicht verselbständigen. Ein freiwilliger Verhaltenskodex für private Sicherheitsfirmen (ICoC) sollte respektiert werden. Ebenso sollte auf die Einhaltung des Montreux-Dokuments von 2008 gedrungen werden, welches die Verwendung von Söldnern in Kriegsgebieten regelt. Deutschland sollte zivile Experten entsenden, Deradikalisierung unterstützen und auf bestehende Programme aufbauen Dazu kann Deutschland mit fachlicher Expertise und der Bündelung bestehender Programme im Land einen Beitrag leisten. Konkret sollten folgende Maßnahmen ergriffen werden: Am 24. Februar 2021 beschloss das Bundeskabinett einen neuen Aktionsplan für die Umsetzung der internationalen Agenda „Women, Peace and Security Agenda“. Initiativen für Cabo Delgado sollten die dort beschlossene effektive Mitgestaltung an Friedensprozessen sowie institutionelle Integration und Kapazitätsentwicklung verwirklichen, sodass sich Frauen und Jugendliche effektiv in die Konfiktbewältigung einbringen können. Die Bundesregierung sollte einer Entsendung ziviler Polizeiexperten im Rahmen der geplanten EU-Fact Finding Mission zustimmen, um Reformen im Sicherheitssektor von Mosambik voranzutreiben. Besonders im Fokus sollte die gesellschaftliche Mitsprache und Akzeptanz von staatlicher Sicherheit liegen, um ein effektives Gewaltmonopol zu garantieren, das nicht von privaten Sicherheitsfirmen unterwandert wird. Deutschland sollte einen zusätzlichen „Peace and Development Adviser“ (PDA) an das UN-Country Team in Mosambik sekundieren. Dadurch kann das Potenzial für Projektentwicklung bei den UN- Agenturen voll ausgeschöpft werden. Gleichzeitig erhalten internationale Geber so verlässlichere Konfliktanalysen, um zielgerichtet Ressourcen zu mobilisieren. GIZ und KfW sollten eine partizipative Gestaltung von lokaler Entwicklungsplanung und Transparenz mit Hilfe deutscher Expertise in Hinblick auf die Nutzung der Friedensdividende aus dem Gaseinkommen fördern. Die GIZ sollte mit geeigneten Partnern Erfahrungen deutscher NGOs sowie Fachwissen im Bereich Deradikalisierung und Reintegration gefährdeter junger Menschen aus Nachbarländern von Mosambik auswerten und Pilotprojekte in Cabo Delgado unterstützen. Debatten Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern Prioritäten bis 2021 Security Sector Reform Zivilgesellschaft Sub-Sahara Afrika Matthias Leitner Matthias E. Leitner war von 1997 bis 2019 in OSZE- und UN-Friedensmissionen tätig, unter anderem als Stabschef der Politischen UN-Mission in Guinea-Bissau (Westafrika). Er hat kürzlich mit IGAD in Addis Abeba (Äthiopien) ein EU-Trust Fund-Projekt (ADA Österreich) im Bereich Frieden und Sicherheit durchgeführt.
Artikel Konflikt in Nordäthiopien: Schritte zu Frieden und Normalisierung Um das Eskalationspotenzial am Horn von Afrika nachhaltig einzudämmen, sollte die Bundesregierung sowohl technische und finanzielle Mittel für die humanitäre Notversorgung in Tigray bereitstellen als auch ihre Expertise für Mediation und Entwicklungszusammenarbeit anbieten. Dabei müssen insbesondere der Schutz der Zivilbevölkerung und die Klimaverträglichkeit gewährleistet werden. Matthias Leitner • 10. Dezember 2020
Artikel Prioritäten richtig setzen: Wie Reformen im Sicherheitssektor Frieden fördern Eine aktuelle UN-Resolution bekräftigt, dass Reformen des Sicherheitssektors ein Schlüsselelement der Friedensförderung sein können. Dazu dürfen sich internationale Aktivitäten nicht auf technische Unterstützung beschränken. Deutschland sollte die Verfasstheit, Steuerung und Kontrolle des Sektors in den Fokus nehmen und Reformen politisch begleiten. Andreas Wittkowsky • 09. März 2021
Artikel Die Schattenseite robuster Friedensmissionen „Robuste“ Friedensmissionen mit militärischem Gewalteinsatz durch die Vereinten Nationen können den Menschenrechtsschutz in truppenstellenden Staaten untergraben. Die Bundesregierung sollte sich daher für eine strengere Selektion von Truppenstellern und für die striktere Arbeitsteilung zwischen friedenserzwingenden und friedensbewahrenden Maßnahmen einsetzen. Christoph Harig • 29. März 2021