Korruption mit einer unabhängigen und integren Justiz bekämpfen

03. März 2021   ·   ​Daniel Kempken

Korruption ist ein treibender Faktor für Instabilität weltweit, der nur mit einer unabhängigen Justiz bekämpft werden kann. Die Bundesregierung sollte vielversprechende Ansätze aus der ressortgemeinsamen Strategie Rechtsstaatsförderung verstärkt umsetzen. Dafür kann sie eine anstehende Sondersitzung der UN-Generalversammlung zur Korruptionsbekämpfung nutzen.

Zur Erreichung der Zielsetzungen der Leitlinien Krisenprävention, Konfliktbewältigung, Friedensförderung der Bundesregierung wurde 2019 die ressortgemeinsame Strategie Rechtsstaatsförderung verabschiedet. In dieser Strategie sind sowohl Korruptionsbekämpfung als auch die Stärkung der Unabhängigkeit und Integrität der Justiz als Ziele definiert. Zur Umsetzung der Strategie sollte die untrennbare Verbindung dieser Zielsetzungen stärker herausgestellt und in der Projektpolitik noch stärker gelebt werden.  

Die UN-Konvention gegen Korruption gibt die Richtung vor  

Völkerrechtlich ist der Zusammenhang von Korruptionsbekämpfung und Stärkung einer unabhängigen, integren Justiz in Artikel 11 der von 181 Staaten ratifizierten UN-Konvention gegen Korruption (UNCAC) verankert. Der UN-Sonderberichterstatter zur Unabhängigkeit von Richtern und Staatsanwälten wird nicht müde aufzuzeigen, dass Korruptionsbekämpfung und Unabhängigkeit der Justiz zusammenspielen müssen. In den Umsetzungsregeln zu Art. 11 der UNCAC und in den Kommentierungen zur Konvention werden insbesondere objektive Auswahlverfahren für Richter/innen sowie Integritäts- und Transparenzstandards von den Unterzeichnerstaaten gefordert. Zu den besonders zentralen Aspekten gehören auch der Schutz vor Absetzung, angemessene Besoldung und die persönliche Sicherheit von Richter/innen. 

Positive Umsetzungsbeispiele sind Stärkung der Justiz und Bekämpfung der Korruption innerhalb desselben Projekts   

Ein gutes Beispiel für die Umsetzung der ressortgemeinsamen Strategie im Sinne der UN-Konvention ist das vom AA finanzierte GIZ-Vorhaben zur Förderung der Rechtsstaatlichkeit im „Nördlichen Dreieck“ Zentralamerikas. Im Rahmen des Projekts spielt neben der Stärkung der Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit die Eingrenzung der Korruption eine ganz wesentliche Rolle. So werden u.a. in fachöffentlichen Veranstaltungen zweifelhafte Freisprüche in Korruptionsverfahren von namhaften Juristen/innen analysiert. Dies geschieht nicht zuletzt aus der Erkenntnis heraus, dass Korruption ein ganz wesentlicher Grund für Gewalt, Instabilität der Region und massiver Flucht aus wirtschaftlicher Not ist. 

Auch das regionale Vorhaben von BMZ/GIZ zur Förderung von Rechtsstaatlichkeit und Justiz in Afrika beinhaltet eine groß angelegte, länderübergreifende Komponente zur justiziellen Integrität sowie regionale Seminare zu Antikorruption. Zudem wurde beispielsweise in Ghana  gemeinsam mit der „Pan African Lawyers Union“  die App „Eye on Corruption“ ins Leben gerufen. 

Fünf Wege, durch die Rechtsstaatsförderung auch Korruption bekämpfen kann 

Wie und in welcher Kombination die verschiedenen Maßnahmen zur Förderung der richterlichen Unabhängigkeit und der Verhinderung von Korruption am besten wirken können, hängt von den verschiedenen Justizsystemen und Rechtskulturen ab. Von besonderer Bedeutung sind in der Regel die auch in der ressortgemeinsamen Strategie Rechtsstaatsförderung genannten Aspekte der richterlichen Laufbahn, justiziellen Integrität, Transparenz und des politischen Willens. 

1. Objektive Kriterien bei der Auswahl von Richter/innen sind nötig 

Es gilt eine korruptionsfreie Justizlaufbahn zu garantieren bzw. zu schaffen, bei der ausschließlich objektive Kriterien wie Eignung, Integrität, Zuverlässigkeit und Fähigkeit maßgeblich sind. Bei der Auswahl von Richter/innen muss ein Verfahren gefunden werden, welches sowohl politische Einflussnahme als auch die Einwirkung von Interessengruppen oder gar der organisierten Kriminalität ausschließt. 

2. Standards der justiziellen Integrität sollten aktualisiert werden  

Unabhängigkeit und Integrität der Gerichtsbarkeit sind ein Geschwisterpaar, das immer gemeinsam betrachtet werden muss. Im Idealfall verstärken sich die beiden ehernen Prinzipien der Justiz gegenseitig und beugen so den Korruptionsgefahren in den Justizsystemen vor. Mit den sog. Bangalore Principles of Judicial Conduct ist ein internationales Regelwerk der justiziellen Integrität vorhanden. Seine zentralen Elemente sind neben Unabhängigkeit und Integrität auch Unparteilichkeit, Anstand, Gleichbehandlung, Kompetenz und Gewissenhaftigkeit. Insbesondere in Bezug auf die Digitalisierung von Justizsystemen, den Umgang mit sozialen Medien und die wachsende Rolle von Gendergerechtigkeit steht eine Aktualisierung der Bangalore Principles an. Die aus höchsten Richter/innen aller Kontinente bestehende Judicial Integrity Group hat sich dieser Aufgabe verschrieben und wird dabei von dem erwähnten Rechtsstaatsvorhaben für Afrika und einem thematischen Vorhaben von BMZ/GIZ zur Korruptionsbekämpfung unterstützt.    

3. Durch Transparenz kann Vertrauen in Justizreformen geschaffen werden  

Die Menschen müssen Vertrauen in Justizreformen haben. Sie müssen sich selbst davon überzeugen können, dass die Gerichte größere Unabhängigkeit und größere Integrität erlangen. Dies kann durch die Einrichtung von Observatorien der Zivilgesellschaft erreicht werden. Zentral ist, dass Transparenz für Bürger/innen hergestellt wird. Die zeitweise sehr erfolgreichen Rechtsstaatsmissionen in Zentralamerika CICIG und MACCIH haben gezeigt, dass die Zivilgesellschaft in der Lage ist, Reformen und Strafverfolgung vom Staat wirksam einzufordern. Fachkundige Organisationen der Zivilgesellschaft sollten auch an den eigentlichen Reformprozessen mitwirken, um darauf hinzuwirken, dass Justizreformen und Reduzierung der Korruption tatsächlich Hand in Hand gehen. 

4. Politischer Dialog muss Teil von Justizreform sein  

Soweit Justizreformen mit internationaler Unterstützung durchgeführt werden, dürfen die Projekte nicht rein technisch-beratender Natur sein. Denn es geht im Kern um einen Eingriff in ein bestehendes politisches System und um die Veränderung des Verhaltens einflussreicher Akteure. Daher sind fundierter politischer Dialog und diplomatische Überzeugungsarbeit vonnöten. Befreundete Staaten, Geber und internationale Institutionen müssen den Maßnahmen ein möglichst hochrangiges politisches Dach geben. Auch diese These wird von den Ergebnissen der Arbeit von CICIG und MACCIH belegt; beide Rechtsstaatsmissionen hatten so lange Erfolg wie sie von der den politischen Dialog mit Zentralamerika beherrschenden Regierung der USA gestützt wurden. 

5. Zusammenarbeit mit Projektpartner/innen sollte darauf zielen, eine kritische Masse integrer Jurist/innen zu schaffen  

Aus- und Fortbildungen zu den Bangalore Principles und/oder nationalen Integritätsstandards sollten von anerkannten Juristinnen und Juristen gestaltet werden, die diese ethischen Prinzipien in besonderem Maße verkörpern. Auch im Kreis  der Teilnehmer/innen sollten gerade in problematischen Kontexten vorbildlich agierende Personen ebenfalls vertreten sein. 

Auch bei der Auswahl von Projektpartner/innen gilt es durch sorgsame Analyse der Situation einflussreiche und gleichzeitig integre Juristen/innen zu identifizieren und sie zu stärken. Es muss darauf hingewirkt werden, eine kritische Masse an Integrität zu schaffen, die das bestehende System positiv zu beeinflussen vermag. Auch bei einflussreichen und eher am Erhalt eines von Korruption beeinträchtigten Status quo interessierten Personen können Fortbildungs- und Austauschangebote als vertrauensbildende Maßnahmen und Elemente der Überzeugungsarbeit hilfreich sein. Bei ihnen geht es darum, ein gewisses Vertrauen aufzubauen und sie zu bewegen, Reforminitiativen zu dulden.

Deutschland sollte die UN-Konvention gegen Korruption stärker nutzen  

Für künftige Projekte gilt es, sich verstärkt an der UNCAC zu orientieren. Sie stellt nicht nur die untrennbare Verbindung von Korruptionsbekämpfung und einer unabhängigen, integren Gerichtsbarkeit klar heraus; aufgrund ihrer völkerrechtlichen Verbindlichkeit ist die Konvention ein scharfes Schwert für die Implementierung konkreter Maßnahmen. 

Die Bundesregierung sollte hierbei sowohl mit integren Partner/innen in den Justizsystemen selbst als auch mit Organisationen der Zivilgesellschaft zusammenarbeiten. Auf diese Weise werden Veränderungsprozesse simultan von mehreren Seiten angestoßen. Die erwähnten Rechtsstaatsvorhaben von BMZ bzw. AA und GIZ sind gute Beispiele für diesen Ansatz. 

Die Bundesregierung sollte aktuelle Chancen internationaler Kooperation gegen Korruption nutzen 

Es ist nicht zu leugnen, dass die Unabhängigkeit der Justiz in den letzten Jahren selbst in europäischen Ländern in Frage gestellt wurde. Gleichzeitig zeichnet Transparency International ein düsteres Bild über den weltweiten Stand der Korruption. Doch es gibt auch berechtigten Anlass zur Hoffnung. Der Plan der neuen US-Regierung für Sicherheit und Wohlstand in Zentralamerika ähnelt stark der Strategie der Obama/Biden-Regierung, welche die Erfolge der Rechtsstaatsmissionen CICIG und MACCIH möglich gemacht hatte. Der Biden/Harris-Plan stellt Rechtsstaatlichkeit und Antikorruption noch stärker in den Vordergrund. Dies macht neue internationale Missionen möglich. Die Bundesregierung sollte diese Politik unterstützen.

Ein weiterer Silberstreif am Horizont sind Initiativen wie der Antikorruptionsdialog der Afrikanischen Union, welcher das Thema der Justizsysteme ebenfalls aufgegriffen hat. Zudem ist für Juni 2021 eine Sondersitzung der UN-Generalversammlung zur Korruptionsbekämpfung (UNGASS) angesetzt. Es ist die erste Sondersitzung zu diesem Thema in der Geschichte der Generalversammlung. Im Dezember 2021 folgt die 9. Vertragsstaatenkonferenz der UNCAC. Die Bundesregierung sollte sich dafür einsetzen, dass Unabhängigkeit und Integrität der Justiz im Rahmen dieser Prozesse als zentrale Themen behandelt werden.

Vereinte Nationen Rechtsstaatsförderung Korruption

​Daniel Kempken

Daniel Kempken ist freier Berater für Rechtsstaatsförderung und Antikorruption. Von 2017 bis 2019 war er Referatsleiter für Governance, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.