Frieden ist Aufgabe aller Ministerien 11. April 2018 · Ginger Schmitz, Christoph Bongard Die Bundesregierung sollte Akteure der zivilen Krisenprävention politisch und finanziell stärker unterstützen, den Beirat Zivile Krisenprävention mit einem Sekretariat und finanziellen Mitteln ausstatten und für das gesamte Regierungshandeln einen „Konflikt-TÜV“ einführen. Denn Friedensförderung ist eine Querschnittsaufgabe für die deutsche Politik. Debatten Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern Prioritäten bis 2021 Die neue Bundesregierung bekennt sich im Koalitionsvertrag zur Friedensverantwortung deutscher Politik. Deutsche Außenpolitik soll dem Frieden verpflichtet sein und sich für eine friedliche, stabile und gerechte Weltordnung einsetzen. Um zivile Ansätze der Krisenprävention und Friedensförderung weiter zu stärken und die Leitlinien für Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und Friedensförderung konsequent umzusetzen, muss die Bundesregierung nun Ziele und konkrete Vorhaben benennen und angehen. Die Plattform Zivile Konfliktbearbeitung empfiehlt der Bundesregierung dazu konkrete Maßnahmen und Umsetzungsschritte. Akteure für eine kohärente Friedenspolitik stärken Die neue Bundesregierung sollte den Ressortkreis Zivile Krisenprävention politisch aufwerten und mit finanziellen und personellen Mitteln ausstatten, so dass er eine ressortübergreifende Zusammenarbeit gestalten kann, die im Sinne der Leitlinien zu einer kohärenten deutschen Politik für Krisenprävention und Friedensförderung führt. Der Vorsitz des Ressortkreises sollte beim Auswärtigen Amt liegen, um dem im Koalitionsvertrag postulierten 'Primat des Politischen' zu folgen. "Der Beirat Zivile Krisenprävention benötigt ein präziseres Mandat, damit er die Bundesregierung bei der Umsetzung der Leitlinien beraten und gleichzeitig diesen Prozess fachlich kommentieren und durch kritische Stellungnahmen den öffentlichen Dialog stärken kann." Der Beirat Zivile Krisenprävention benötigt ein präziseres Mandat, damit er die Bundesregierung bei der Umsetzung der Leitlinien beraten und gleichzeitig diesen Prozess fachlich kommentieren und durch kritische Stellungnahmen den öffentlichen Dialog stärken kann. Die Bundesregierung muss den Beirat mit ausreichend finanziellen Mitteln ausstatten, zum Beispiel für Studien oder Veranstaltungen sowie administrative Unterstützung durch ein Sekretariat. Nur so kann der Beirat sein Mandat aktiv ausüben. Gesellschaftliche Gruppen und Netzwerke, die sich im Bereich Krisenprävention und Friedensförderung engagieren, sollten auch in Zukunft im Beirat angemessen vertreten sein. Auch der Deutsche Bundestag muss die zunehmende Bedeutung ziviler Krisenprävention und Friedensförderung noch ernster nehmen und sich regelmäßiger und intensiver mit diesen Themen befassen. Der Auswärtige Ausschuss sollte den Unterausschuss für Zivile Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und vernetztes Handeln dringend wieder einsetzen. Die Bundesregierung wiederum sollte dem Deutschen Bundestag regelmäßig berichten müssen, inwieweit die Leitlinien umgesetzt werden. Weniger ist mehr: Konfliktverschärfende Wirkungen deutscher Politik reduzieren Eine kohärente Politik der zivilen Krisenprävention bemisst sich vor allem daran, ob es der Bundesregierung gelingt, die Ursachen von Konflikten frühzeitig zu identifizieren und auch die eigenen Anteile an den Strukturen des internationalen Unfriedens zu reflektieren und diese zu reduzieren. Friedensförderung kann nicht nur Aufgabe einiger weniger Ressorts sein. Sie ist eine Querschnittsaufgabe für die deutsche Politik. Die Bundesregierung sollte ihr Regierungshandeln regelmäßig darauf überprüfen, ob es konfliktverschärfende Folgen hat und entsprechende Handlungsoptionen entwickeln, um nicht intendierte negative Folgewirkungen zu vermeiden. Sie kann sich bei der Durchführung solcher „Friedensverträglichkeitsprüfungen“ an vorliegenden Erfahrungen orientieren, wie beispielsweise Menschenrechtsverträglichkeitsprüfungen oder „Conflict Impact Assessments“. Das in den Leitlinien formulierte friedenspolitische Leitbild muss verbindlich für das gesamte Regierungshandeln sein. Zivilgesellschaftliche Akteure stärker einbeziehen Anstatt sie an die Verteidigungsausgaben zu verknüpfen, sollte die Bundesregierung die Ausgaben für Entwicklung, zivile Krisenprävention und Friedensförderung am großen Bedarf ausrichten. Sie muss den angekündigten deutlichen Anstieg der finanziellen Mittel dauerhaft und nachhaltig gestalten. Es ist von großer Bedeutung, dass die Unterstützung über die engen Korridore zeitlich befristeter Projekte hinausgeht und vor allem lokalen Prozessen und Akteuren zugutekommt. "Es ist von großer Bedeutung, dass die Unterstützung über die engen Korridore zeitlich befristeter Projekte hinausgeht und vor allem lokalen Prozessen und Akteuren zugutekommt." Für eine solche langfristige, wirkungsorientierte Förderpolitik muss die Bundesregierung auch die Personalkapazitäten auf Seiten der Ministerien, insbesondere im Auswärtigen Amt sowie im Entwicklungsministerium, und ihnen zugeordnete Förderprogramme und -einrichtungen aufstocken. Zusätzlich müssen die Förder- und Berichtsmodalitäten verändert werden. An dieser Stelle ist der Haushaltsausschuss gefordert. Die neuen Förderprogramme des Auswärtigen Amts im Bereich Friedensförderung und Krisenprävention brauchen längerfristige Perspektiven und Verpflichtungsermächtigungen. Beispielhaft ist an dieser Stelle die wirkungsorientierte Programmförderung des Zivilen Friedensdienstes (ZFD). Weltweit werden die Spielräume von Zivilgesellschaft enger („Shrinking Spaces“). Die Bundesregierung muss angesichts dieser Entwicklung in ihren Strategien der zivilen Krisenprävention die Strukturen zur Konsultation und Partizipation zivilgesellschaftlicher Akteure aus betroffenen Ländern weiterentwickeln. Dabei kann sie auf den umfassenden Erfahrungen aus dem PeaceLab2016 aufbauen. Das Wissen lokaler zivilgesellschaftlicher Organisationen über die Dynamik von Konflikten ist von zentraler Bedeutung für eine wirksame Politik der zivilen Krisenprävention. Die Friedens- und Entwicklungsforschung kann wichtige Beiträge dazu leisten, die entscheidenden Fragen zu stellen nach den übergeordneten politischen Zielen sowie den mittel- und langfristigen Auswirkungen des außenpolitischen Engagements in Kriegs- und Krisenregionen. Sie kann zudem verstärkt den Austausch von Theorie und Praxis fördern. Friedensziele der Agenda 2030 ernster nehmen Die Bundesregierung bekennt sich im Koalitionsvertrag ausdrücklich zur Agenda 2030 und zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie. Jetzt muss sich die Agenda 2030 als Kohärenzrahmen für nachhaltige Entwicklung wie ein roter Faden durch das Handeln aller Ressorts ziehen. Bei der ambitionierten Weiterentwicklung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie sollte die deutsche Regierung die Indikatoren zu Ziel 16 („Friedliche und inklusive Gesellschaften“) unbedingt ergänzen und verbessern. Wir schlagen vor, Indikatoren zur Reduzierung von Rüstungsexporten und zum Ausbau ziviler Friedensförderung aufzunehmen. In Bezug auf die Umsetzung von Ziel 16 im Inland empfehlen wir, dass die Bundesregierung einen Indikator aufnimmt, der auf die demnächst für alle Bundesländer vorliegenden Ergebnisse der Dunkelfeld- und Viktimisierungssurveys aufbaut. Um die Nachhaltigkeitsstrategie kohärent umzusetzen, muss das Bundeskanzleramt die Zuständigkeit für die Koordination beibehalten und die Zivilgesellschaft weiterhin aktiv einbeziehen. Ohne die Partizipation der Zivilgesellschaft wird eine erfolgreiche Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie nicht gelingen. Deshalb sollte die Bundesregierung bestehende Kooperationsformate zwischen staatlichen Institutionen und der Zivilgesellschaft weiter ausbauen und stärken, zum Beispiel das Forum Nachhaltigkeit. Last but not least, muss der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung bzw. das Parlament eine wirksame Nachhaltigkeitsprüfung aller künftigen Gesetzesvorhaben und Maßnahmen durchführen können („Nachhaltigkeits-TÜV“ inklusive einer Friedensverträglichkeitsprüfung). Gleichzeitig müssen die Berichte zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie aus den Ministerien regelmäßig erarbeitet und öffentlich diskutiert werden. Debatten Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern Prioritäten bis 2021 Ginger Schmitz Ginger Schmitz ist Geschäftsführerin der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung. Christoph Bongard Christoph Bongard ist Ko-Sprecher der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung sowie Leiter der Abteilung Kommunikation des Forums Ziviler Friedensdienst (forumZFD).
Artikel Wegweiser Agenda 2030: Die Bundesregierung braucht einen Konflikt-TÜV! Sich die Agenda 2030 als Vorbild zu nehmen, bedeutet, über die Auswirkungen des eigenen Handelns nachzudenken, Partnern zuzuhören und weitsichtigere Programme zu fördern. Die Leitlinien sollten das Ziel einer vorausschauenden und nachhaltigen Strategie der Friedensförderung verankern jenseits des ständigen Krisenmodus. Christoph Bongard • 20. September 2016
Veranstaltungsbericht Zivilgesellschaft in der Krisenprävention und Friedensförderung Am 5. Oktober 2016 veranstalteten die Plattform Zivile Konfliktbearbeitung, das Forum Menschenrechte, der Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe und das Konsortium Ziviler Friedensdienst den PeaceLab2016-Workshop Zivilgesellschaft als Akteur zur Prävention von Gewaltkonflikten und für Friedensförderung. PeaceLab2016-Redaktionsteam • 26. Oktober 2016
Artikel Raus aus den Schubladen - rein in neue Partnerschaften Die Grundlage für eine erfolgreiche Friedenspolitik sind akteurs- und sektorübergreifende Partnerschaften. Der Austausch zwischen staatlichen Akteuren, der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft braucht starke Strukturen, neue Lernräume und mehr Expertise aus dem Globalen Süden. Natascha Zupan, Marc Baxmann • 13. März 2018