Die "Europäische Friedensfazilität": Gute Idee mit großen Risiken

29. Mai 2019   ·   Julian Bergmann, Mark Furness

Die Idee einer "Europäischen Friedensfazilität" (EPF) könnte eine gute Lösung sein, um die Finanzierung von militärischen Maßnahmen von Entwicklungsgeldern zu trennen. Doch sie birgt auch Risiken. In den Verhandlungen zur EPF sollten die EU-Mitgliedsstaaten unter anderem sicherstellen, dass die Fazilität die afrikanische Friedens- und Sicherheitsarchitektur nicht schwächt.

Die Frage, wie die Europäische Union (EU) Friedensförderung in Entwicklungsländern finanzieren soll, beschäftigt PolitikerInnen und ExpertInnen seit Jahren. Neben rechtlichen und finanziellen Aspekten im Zusammenhang mit EU-Haushaltsressourcen und Finanzierungsvorschriften berührt das Thema auch viel tiefer greifende politische Fragen. Sollte die EU Entwicklungshilfegelder zur Finanzierung von Sicherheitsmaßnahmen nutzen? Wie kann sie am besten auf die berechtigten Bedürfnisse von Partnern in Konfliktländern reagieren? Welche Art von zivilen und militärischen Maßnahmen sollte die EU unterstützen? Auch in den derzeit laufenden EU-Verhandlungen über den nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) für 2021-2027 sind diese Fragen von größter Bedeutung. Sie stellen sich insbesondere im Zusammenhang mit dem Vorschlag zur Errichtung einer „Europäischen Friedensfazilität“.

Die Europäische Friedensfazilität: Geld für militärische Maßnahmen außerhalb des EU-Haushalts

Die Idee der „European Peace Facility“ (EPF) kam im Dezember 2017 von der Hohen Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini. Im Juni 2018 folgte der gemeinsame Vorschlag der Hohen Vertreterin und der Europäischen Kommission zur Errichtung der EPF außerhalb des EU-Haushalts mit einem Budget von €10,5 Milliarden für den Zeitraum von 2021 bis 2027. Derzeit verhandeln die EU-Mitgliedstaaten über diesen Vorschlag. Die EPF könnte das seit langem bestehende Problem der Finanzierung von sicherheitspolitischen Maßnahmen der EU durch entwicklungspolitische Mittel deutlich abmildern. Doch sie wird gleichzeitig eine Reihe von neuen Herausforderungen mit sich bringen.

Die Kernidee der EPF ist die Finanzierung von Maßnahmen im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), die aufgrund ihrer militärischen und verteidigungspolitischen Bezüge nicht aus dem EU-Haushalt finanziert werden dürfen. Letzteres ist durch Artikel 41 (2) EU-Vertrag geregelt, der das Selbstverständnis der EU als Zivilmacht widerspiegelt. Der EPF-Vorschlag sieht im Kern die Finanzierung von drei Arten von Maßnahmen vor: (1) die Finanzierung gemeinsamer Kosten von EU-Militäroperationen (bisher finanziert durch den sogenannten Athena-Mechanismus, der dadurch abgelöst würde); (2) die finanzielle Unterstützung von Friedensoperationen von Partnern wie zum Beispiel der Afrikanischen Union, sowie (3) die Finanzierung des Kapazitätsaufbaus im Sinne von militärischer „Ertüchtigung“ von Partnerländern und –organisationen.

Die EPF könnte militärische Maßnahmen von Entwicklungsgeldern trennen

Die Namensähnlichkeit des vorgeschlagenen Instruments zur Afrikanischen Friedensfazilität (APF) ist kein Zufall. Durch die APF unterstützt die EU seit 2004 afrikanische Partnerorganisationen in der Finanzierung ihrer Friedensoperationen, trägt zum Kapazitätsaufbau der Afrikanischen Friedens- und Sicherheitsarchitektur (APSA) bei und unterstützt Mediationsinitiativen und andere Maßnahmen der Krisenreaktion durch den „Early Response Mechanism“. Die APF speist sich aus Mitteln des Europäischen Entwicklungsfonds, der auch außerhalb des EU-Haushalts angesiedelt ist und die Zusammenarbeit mit den Ländern Afrikas, der Karibik und des Pazifiks („AKP-Staaten“) sowie den überseeischen Ländern und Gebieten finanziert.

Diese Konstruktion war notwendig, um der Bitte der AU nachkommen zu können, eine dauerhafte Finanzierung zur Förderung von Frieden und Sicherheit in Afrika zu gewährleisten, und gleichzeitig die Einhaltung von Art. 41(2) EU-Vertrag sicherzustellen. Aus entwicklungspolitischer Sicht ist diese Konstruktion jedoch immer auch mit gewissem Unbehagen verbunden gewesen: Denn hierbei wurden militärische Friedensoperationen durch ursprünglich für die Entwicklungszusammenarbeit vorgesehene Gelder finanziert. Deswegen verstanden EU-EntscheidungsträgerInnen die APF auch immer als Übergangslösung, bis ein dauerhafter Finanzierungsmechanismus für die Unterstützung von Frieden und Sicherheit in Afrika gefunden würde.

Diese dauerhafte Lösung für die Entkopplung von vorrangig militärischen Maßnahmen und entwicklungspolitischen Finanzierungsmechanismen könnte nun durch die Errichtung der EPF gefunden sein. Denn dabei würde es sich um ein Instrument der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik handeln, deren Budget sich aus direkten Beiträgen der EU-Mitgliedstaaten speisen würde. Zudem ist vorgesehen, dass die bisher von der APF finanzierten zivilen Maßnahmen der Krisenprävention und des Kapazitätsaufbaus der Institutionen der Afrikanischen Friedens- und Sicherheitsarchitektur zukünftig durch das neue Instrument für Nachbarschaft, Entwicklung und Internationale Kooperation (NDICI) finanziert werden, das im EU-Haushalt angesiedelt wäre. Dies würde der Logik der getrennten Finanzierung von zivilen und militärischen Maßnahmen der Friedensförderung entsprechen.

Die grundlegende Idee hinter dem EPF-Vorschlag ist daher positiv. Doch bringt der Vorschlag auch drei Risiken mit sich, die die EU-Mitgliedstaaten in den laufenden Verhandlungen berücksichtigen sollten.

Die EPF sollte die afrikanische Friedens- und Sicherheitsarchitektur stärken, nicht schwächen

Ein erstes Risiko besteht in der möglichen Schwächung der afrikanischen Friedens- und Sicherheitsarchitektur (APSA), falls mit der EPF eine geringere Unterstützung für regionale Friedensbemühungen einhergehen und die AU nicht in EPF-Entscheidungsprozesse eingebunden würde. Dies würde dem seit langem bestehenden europäischen Interesse, die APSA zu stärken, widersprechen.

Bei der EPF würde es sich um ein Instrument globaler Reichweite handeln, das nicht spezifisch auf die Förderung von Frieden und Sicherheit in Afrika ausgerichtet ist. Zudem sieht der Vorschlag vor, den Kreis der potenziellen Adressaten von Maßnahmen zu erweitern: Während durch die APF nur regionale Sicherheitskooperationen in Afrika gefördert werden können, soll die EPF auch die Förderung einzelner Staaten ermöglichen.

Zwar hat die EU ihren afrikanischen Partnern bereits politisch zugesichert, dass die Unterstützung der afrikanischen Frieden- und Sicherheitsarchitektur auch weiterhin hohe Priorität genießen wird. Um den afrikanischen Partnern Erwartungsverlässlichkeit hinsichtlich einer stabilen finanziellen Unterstützung von Seiten der EU zu garantieren, sollten die EU-Mitgliedstaaten jedoch dem Vorschlag der Kommission folgen, Unterstützungsmaßnahmen (wie bereits im Rahmen der APF) in Form von mehrjährigen Aktionsprogrammen zu beschließen. Eine flexible Reaktion auf unvorhergesehene Krisen oder Ereignisse wäre durch die vorgesehene Möglichkeit von „ad hoc Unterstützungsmaßnahmen“ gewährleistet.

Des Weiteren sollte die EU auch im Falle von bilateraler Unterstützung – zum Beispiel von Somalia oder Mali – sicherstellen, dass sie die AU und andere relevante Regionalorganisationen in den Entscheidungsprozess eng einbindet. Nur so kann die EU dem Risiko entgegenwirken, mit der Ausweitung des Empfängerkreises von EU-Unterstützungsmaßnahmen die afrikanische Friedens- und Sicherheitsarchitektur entgegen ihres eigenen Interesses politisch zu schwächen.

Strategische Debatte zum Sinn und Erfolgsbedingungen von Ertüchtigung führen

Ein zweites Risiko besteht in Bezug auf die im Rahmen der EPF vorgesehenen Maßnahmen zum militärischen Kapazitätsaufbau von Partnerländern und –organisationen. Militärische Ertüchtigung, die auch die Lieferung von letaler militärischer Ausrüstung wie Waffen und Munition einschließt, war bisher kein Bestandteil des Instrumentenkastens der EU-Außen- und Sicherheitspolitik. Gerade bei Maßnahmen solchen Typs muss die EU sicherstellen, dass sie sie im Sinne des „do no harm“-Prinzips konfliktsensitiv einsetzt. Die Maßnahmen sollten einzig und allein dem Ziel der Herstellung von Sicherheit als Voraussetzung für Entwicklung dienen – und nicht laufende Konflikte weiter anheizen oder verlängern.

Die starken Bedenken bezüglich der potenziell negativen Effekte von militärischen Ertüchtigungsmaßnahmen in Konfliktkontexten, die insbesondere aus dem Kreise der Zivilgesellschaft und in der Friedensförderung aktiven NGOs geäußert werden, müssen ernst genommen werden. Zudem sollten bereits im Entscheidungsprozess über Ertüchtigungsmaßnahmen die Kriterien des Gemeinsamen Standpunkts der EU zur Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern konsequent Anwendung finden.

Auch wenn die EU-Kommission und die Hohe Vertreterin 2016 Elemente eines neuen strategischen Rahmens für Sicherheitssektorreform-Maßnahmen vorgestellt haben, existiert derzeit keine ausreichende strategische Grundlage, welche konkrete politische Zielvorgaben für militärische Ertüchtigungsmaßnahmen definiert und diese in den breiteren Kontext des integrierten Ansatzes der EU zur Bewältigung von Krisen und Konflikten stellt. Eine Verengung des Konzepts der Sicherheitssektorreform auf militärische Ertüchtigung sollte die EU verhindern, wie bereits andere AutorInnen auf dem PeaceLab-Blog festgestellt haben. Die Bundesregierung sollte eine breitere Debatte darüber auf EU-Ebene anstoßen, basierend auf den Prinzipien und Maßnahmen ihrer Leitlinien zur Krisenprävention, Konfliktbewältigung und Friedensförderung.

EPF-Maßnahmen in einen kohärenten Ansatz mit anderen EU-Aktivitäten bringen

Ein drittes Risiko besteht darin, dass die EU zukünftige Entscheidungen über EPF-Maßnahmen weitgehend isoliert von anderen EU-Aktivitäten zur Krisenprävention und Friedensförderung trifft. Dieses Risiko besteht aufgrund der Fragmentierung institutioneller Zuständigkeiten zwischen Kommission, Europäischem Auswärtigen Dienst und Mitgliedstaaten, welche durch die EPF nicht aufgelöst würde. Somit besteht auch künftig die größte Herausforderung für die EU darin, ihre unterschiedlichen Instrumente und Aktivitäten zur Krisenprävention und Friedensförderung in einen friedenspolitisch kohärenten Gesamtansatz einzubetten, der einen substanziellen Beitrag zur Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs), insbesondere SDG 16, leistet. Hier bleibt auch für die nach der Europawahl neu zu bestimmende Hohe Vertreterin (oder hohen Vertreter) für Außen- und Sicherheitspolitik und die neue Europäische Kommission – im Zusammenspiel mit den Mitgliedstaaten – viel zu tun. 

Europäische Union Entwicklungszusammenarbeit Friedensförderung Europa

Julian Bergmann

Dr. Julian Bergmann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE). @bergmann_jph

Mark Furness

Dr. Mark Furness ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE). Der Beitrag gibt die persönliche Meinung der Autoren wieder.