Instrument statt Beiwerk: Strategische Kommunikation und Stabilisierung

07. November 2019   ·   Juliane Kabus

Kommunikation ist ein politisches Instrument des Krisenengagements der Bundesregierung, welches sie in Deutschland ressortübergreifend ausbauen sollte. In Stabilisierungskontexten sollte die Bundesregierung vor allem die Kommunikationsfähigkeiten von lokalen Partnern stärken.

Mal ganz ehrlich: Kommunikation ist nicht das Erste, woran man bei Krisenengagement denkt. Wo Menschenleben auf dem Spiel stehen, wirken Tweets und Pressetexte eher nebensächlich. Das übersieht aber etwas Entscheidendes: Ob man will oder nicht, man kommuniziert immer – selbst wenn man nichts sagt. Daher sollte Kommunikation in Krisenkontexten bewusst gestaltet und ebenso wie andere Instrumente an politischen Zielvorgaben ausgerichtet werden (die es dafür natürlich erstmal geben muss).

Kommunikation ist Teil des Instrumentenkastens

Schlechte Kommunikation, die genau das nicht tut, ist im besten Fall eine Verschwendung von knappen Ressourcen und untergräbt im schlimmsten Fall den eigenen Politikansatz. Kommunikation ist eben weder schmückendes Beiwerk noch eine Spielwiese, auf der man sich ohne Konsequenzen austoben kann. Sie ist ein politisches Instrument, das als solches auch ernst genommen werden muss.

Die Instrumente des Krisenengagements zu stärken ist dabei eine geopolitische Notwendigkeit für Deutschland und Europa. Die Konflikte an unserer Peripherie, die massives Leid vor Ort verursachen und einen erheblichen Einfluss auf die politische Stabilität in Europa haben, werden nicht einfach verschwinden. Im Gegenteil: Ihre Zahl und Komplexität nimmt zu und unser  Einfluss auf sie (relativ gesehen) ab. Diese Konflikte einzuhegen, also die Lage zu stabilisieren, wäre bereits ein Erfolg, um von nachhaltiger Befriedung gar nicht erst zu sprechen. Gleichzeitig können wir uns nicht mehr darauf verlassen, dass der Großteil dieser Arbeit weiterhin durch andere erledigt wird, wie sich in Syrien aktuell wieder zeigt. Die Bundesregierung – oder noch besser: die Europäische Union insgesamt – täte daher gut daran ihre Instrumente für Stabilisierung deutlich zu stärken. Kommunikation gehört dazu. 

Die wichtigsten Akteure der Stabilisierungsarbeit sind die Partner vor Ort

Wenn Kommunikation zu Stabilisierung beitragen soll, muss erst einmal klar sein, was Letzteres eigentlich ist. Entgegen dem, wie der Ansatz häufig wahrgenommen wird, ist Stabilisierung nicht gleichzusetzen mit dem Erreichen von dauerhafter Stabilität. Vielmehr handelt es sich um erste Schritte, die perspektivisch den Weg dahin bereiten sollen. Stabilisierung ist also kein Zustand, sondern ein Zwischenschritt in einem Prozess.

Die Bundesregierung hat ihr Verständnis von Stabilisierung in den Leitlinien festgehalten. Dass sie dafür drei Absätze gebraucht hat, sagt schon Einiges dazu, wie schwer es ist, darüber zu kommunizieren. Ihre britischen Kolleg/innen haben es zumindest geschafft, alles in einen Satz zu fassen: Stabilisierung versucht lokale und regionale Partner in konfliktbelasteten Ländern dabei zu unterstützen Gewalt zu verringern, grundlegende Sicherheit zu gewährleisten und friedliche politische Vereinbarungen zu ermöglichen, was alles darauf abzielen sollte, eine Grundlage für den Aufbau langfristiger Stabilität zu schaffen.

Bisweilen muss für Stabilisierung Militär zum Einsatz kommen, um das Ausmaß der Gewalt zu reduzieren und überhaupt erst den Raum für andere Maßnahmen zu schaffen. In erster Linie handelt sich aber um zivile Maßnahmen aus Diplomatie und Entwicklungszusammenarbeit. Stabilisierung ist der gelebte vernetzte Ansatz. 

Der entscheidende Punkt ist aber der Folgende: Die primären Akteure der Stabilisierungsarbeit sind nicht (!) Externe, sondern es sind die Partner vor Ort. Diese gilt es durch gezielte Maßnahmen zu unterstützen. In der Regel ist das die Regierung eines Landes, wie etwa in Afghanistan. Wenn die Regierung jedoch das Hauptproblem ist, wie etwa in Syrien, können auch andere lokale Strukturen unterstützt werden.

Kenne dein Publikum!

Generell gilt: Stabilisierung ist, was hilft. Das kann die Wiederherstellung der Wasserversorgung sein, ebenso wie sogenanntes Community Policing oder das Bereitstellen von Krankenwagen, aber grundsätzlich auch Kommunikation. Wie diese genau aussieht, muss jedoch wohl durchdacht sein, sowohl anhand des Stabilisierungsansatzes als auch der Grundsätze guter Kommunikation. Der wichtigste dieser Grundsätze ist: Kenne dein Publikum! Und im Stabilisierungskontext gibt es nicht nur ein Publikum, sondern mindestens zwei: die lokale Bevölkerung und die heimische Öffentlichkeit.

Strategische Kommunikation mit dem unmittelbaren Ziel der Stabilisierung richtet sich nur an die Bevölkerung in dem jeweiligen Krisengebiet. Diese Kommunikationsmaßnahmen sollten nicht die Stabilisierer gut aussehen lassen, sondern die lokalen Partner. Ihre Leistungen und Angebote sollten bekannt gemacht und erklärt werden. Das soll dabei helfen die Akzeptanz der durch Stabilisierungsmaßnahmen unterstützten politischen Strukturen in der Bevölkerung zu erhöhen. Es geht als externer Akteur also eher darum, beim Kommunizieren zu helfen, als selber aufzutreten. Darüber hinaus kann es auch aktive Maßnahmen geben, um kommunikativ den Narrativen von Gruppen wie dem sogenannten Islamischen Staat entgegenzutreten. Solche Maßnahmen sind aber durchaus umstritten

In jedem Fall müssen die Botschaften im örtlichen Kontext funktionieren und dafür braucht es lokales Wissen. Kommunikationsmaßnahmen sollten daher nicht in Berlin entworfen werden, sondern mit und durch die lokalen Partner. Kommunikationsprodukte, die für den deutschen Kontext erstellt wurden, können nicht ohne weiteres im Ausland „recycelt“ werden.

Stabilisierung als Hochrisikogeschäft in Deutschland kommunizieren

Das möglicherweise wichtigste Publikum sitzt für die Bundesregierung aber in Deutschland. Stabilisierung ist ein Hochrisikogeschäft, dessen Erfolg nicht immer direkt sichtbar ist, wenn er sich überhaupt einstellt. Dafür braucht man nur nach Mali oder Afghanistan schauen. Umso wichtiger ist es – neben einer ehrlichen Evaluierung des eigenen Ansatzes – der interessierten deutschen Öffentlichkeit und ihren gewählten Vertreter/innen im Bundestag zu erklären, warum diese Arbeit trotzdem notwendig ist.

Kritische Fragen sollen (!) auch weiterhin gestellt werden, aber dann hoffentlich mit dem nötigen Hintergrundwissen, um eine informierte Diskussion zu führen. Solche Diskussionen sollte die Bundesregierung auch als Chance begreifen, um den eigenen Ansatz zu verbessern. Das friedenspolitische Leitbild der Leitlinien sollte im Übrigen ein Vorbild für solche Kommunikation sein. Zielkonflikte und Handlungsdilemmata des Krisenengagements werden dort offen angesprochen, ohne dass man am Ende zum Schluss kommen muss, dass ein solches Engagement sich nicht lohnen würde.

All dies ist alles andere als leicht. Es wird nur noch weiter verkompliziert, wenn Ministerien und ihre Führungsebenen in ihrer Kommunikation zu diesen Themen bisweilen mehr auf Begrifflichkeiten und die Abgrenzung von Zuständigkeiten achten, als auf eine kohärente, gemeinsame Botschaft. Sie sollten sich daher immer wieder vor Augen führen, dass es auch gemeinsame Interessen gibt und wenn die Bundesregierung es nicht schafft, mit einer Stimme zu sprechen, alle Ressorts schlecht dastehen.

Stärker professionalisieren, mit Partnern vernetzen, Kontext kennen

Die Bundesregierung sollte daher: 

  • Ihre Kommunikation hinsichtlich Krisen und Konflikten weiter professionalisieren. Das muss über die üblichen Social-Media-Fortbildungen hinausgehen, denn in Krisenkontexten ergeben sich ganz spezielle Herausforderungen, für die es nicht immer klare Antworten gibt: Wie geht man zum Beispiel mit strategischen Desinformationskampagnen um? In Syrien etwa werden die von Deutschland geförderten White Helmets seit Jahren erst bombardiert und dann online gezielt diffamiert. Deutsches Krisenengagement wird damit in jeglicher Hinsicht untergraben, denn diese Kampagne findet leider auch in Deutschland Gehör. Wissenschaftliche Untersuchungen können hier neue Ansätze bieten, um mit dieser Herausforderung umzugehen.
  • Ihre Zusammenarbeit mit anderen Ländern und Institutionen zum Thema Kommunikation ausbauen, insbesondere mit dem konzeptionell starken Großbritannien. Das hätte im Falle eines Brexit sogar doppelten politischen Nutzen.
  • Vor Ort als externer Akteur Zurückhaltung üben und vor allem die Kommunikationsfähigkeiten von lokalen Partnern stärken. Maßnahmen sollten dabei an den jeweiligen Kontext angepasst werden. In manchen Fällen machen Medientrainings Sinn, in anderen braucht es materielle Ressourcen und anderswo kann es helfen, konstruktiven Journalismus zu fördern.
  • Im Inland die Kommunikationsarbeit zum deutschen Krisenengagement ressortübergreifend ausbauen.
Stabilisierung Kommunikation

Juliane Kabus

Juliane Kabus arbeitet als Policy Advisor im Berliner Büro der Münchner Sicherheitskonferenz. Zuvor hat sie im Auswärtigen Amt an der Erstellung der Leitlinien „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“ mitgewirkt und die Kommunikationsarbeit der Fach-Abteilung „S“ weiterentwickelt. Sie vertritt ihre private Meinung. @JuliKabus