Fünf Jahre PeaceLab weitergedacht – Zeit für Neues!

01. Juli 2021   ·   Sarah Bressan, Julia Friedrich, Philipp Rotmann, Sofie Lilli Stoffel, Marie Wagner

Vieles geht voran in der Krisenprävention, Konfliktbewältigung und Friedensförderung. Doch manche Gräben bleiben schwer zu überwinden. Das Redaktionsteam zieht Bilanz nach fünf Jahren PeaceLab, einem Projekt, in dem Forschung und Praxis über Silos und Sektoren hinweg Frieden und Sicherheit weiterdenken konnten.

542 Beiträge. 46 Veranstaltungen mit mindestens 2800 Teilnehmer*innen in Addis Abeba, Berlin, Brüssel, New York, online. Über 750 Abonnent*innen und viele Leser*innen mehr. Manche Artikel wurden über 1200-mal gelesen. Dazu ein Podcast mit 28 Folgen, mindestens 16165-mal gehört. Das ist eine erste Bilanz in Zahlen nach fünf Jahren PeaceLab zum Thema Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern – und was Deutschland und Europa dafür tun müssen.

Was als radikales Experiment begann, als die Ministerien 2016 entschieden, die stark fragmentierte Fachöffentlichkeit und Zivilgesellschaft in die Formulierung des „Krisen-Weißbuches“ einzubeziehen, ist zum festen Bestandteil der Fachcommunity deutscher Außen-, Sicherheits- und Friedenspolitik geworden. Der Mut der damals Verantwortlichen, die Kontrolle über Inhalt und Ton der Debatte aus der Hand zu geben und statt durchchoreografierter Podien tatsächliche Diskussionen anzubieten, wurde mit Blogbeiträgen von 1.500 Expert*innen und experimentellen Formaten zum Mitreden belohnt. Viele der ausgetauschten Ideen finden sich in den Leitlinien wieder, andere haben dem Schreibteam jedenfalls bei der Schärfung der Argumente geholfen. Die Leser- und Autor*innenschaft des PeaceLab-Blogs stieg dabei stetig. Doch ob die Plattform – vielleicht in weiterentwickelter Form – einen echten Bedarf befriedigt, wird sich darin zeigen, ob sich ein neues Redaktionsteam und eine neue institutionelle Heimat für sie finden, wenn wir uns neuen Prioritäten zuwenden.

Von Sicherheitsrat bis Klimakrise

Von der Rolle militärischer Mittel bis zur Professionalisierung ziviler Fähigkeiten, vom Verhindern von Völkermord bis zu den Folgen des Klimawandels, von der praktischen Organisation der Außenpolitik und der Wirksamkeit ihrer Instrumente bis zur europäischen strategischen Autonomie: Die Bandbreite der Themen war groß und das Potenzial für gepflegten Streit zwischen den Autor*innen und Teilnehmer*innen auch. Es war ein Ziel von PeaceLab, solchen Kontroversen eine Plattform zu bieten.

Für ihre Strategiepapiere zu Sicherheitssektorreform, Vergangenheitsbewältigung und Rechtsstaatsförderung sowie das Weißbuch Multilateralismus nutzte die Bundesregierung die PeaceLab-Plattform, um konkrete Forderungen und Vorschläge von Expert*innen zu sammeln und aufzunehmen. Auch ohne große Papiere holten sich die Ressorts Rat zur strategischen Kommunikation und zum Umgang mit der COVID-19-Pandemie. Gemeinsam mit dem Beirat der Bundesregierung Zivile Krisenprävention und Friedensförderung konnten wir Themen setzen und damit Prioritäten für Deutschlands Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat 2019-20, die EU-Ratspräsidentschaft 2020, den dritten Nationalen Aktionsplan für die UN-Resolution 1325 zu Frauen, Frieden und Sicherheit und für Deutschlands Engagement im Bereich Klima und Konflikte diskutieren. Artikelserien mit regionalem Fokus auf die Situation in Kosovo und Serbien, in der Ukraine sowie zu Kinder und Jugendlichen in Konfliktsituationen boten weitere Anregungen aus der Fachcommunity. Zuletzt diskutierten Blogbeiträge Prioritäten und Vorschläge für die Zukunft von Krisenprävention und Friedensförderung und der Leitlinien sowie Impulse für die kommende Bundesregierung ab September 2021. 

Anspruch: abwechslungsreiche Formate und unterschiedliche Perspektiven 

Klassische Beiträge wurden ergänzt durch Interviews und „Reality Checks“ mit Praktiker*innen, die die Umsetzung der Leitlinien vor Ort erfahren. Neben Frankreich, Polen, Großbritannien und den USA konnten wir auch Perspektiven aus Subsahara- und Ost-Afrika, Süd- und Nordamerika, Zentral- und Ostasien und dem Nahen Osten teilen – auf Englisch, Französisch und Deutsch. 

Politik und Fachöffentlichkeit vertieften den Austausch bei Veranstaltungen und Workshops. Es waren weniger die altbekannten Podiumsdiskussionen als vielmehr interaktive Formate wie Fishbowl-Diskussionen oder World Cafés, die neue und konkrete Policy-Empfehlungen hervorbringen konnten. Ab 2018 waren die PeaceLab-Debatten zu Krisenprävention und Friedensförderung nicht nur mitzulesen, sondern auch mitzuhören: Im PeacebyPeace-Podcast diskutierte Gastgeberin Sarah Brockmeier mit 39 Expert*innen aus Think Tanks, Behörden, internationalen Organisationen und Stiftungen über diverse Themen – von der Frage, was „Stabilisierung“ eigentlich ist, bis hin zur konkreten Zukunft der Friedensverhandlungen in Afghanistan

„Kurz, knackig, klar, konkret“ – bis es knirscht…

Für alle PeaceLab-Formate hatten wir uns drei Ziele gesetzt: einen konkreten Bezug zu politischen Prozessen leisten, vor allem Vorschläge zur Umsetzung zu machen statt abstrakten Forderungen und in klarer Sprache „hinterfragen, streiten, Ideen schmieden“. PeaceLab sollte dem Wissen und den Ideen einer vielfältigen Auswahl von Expert*innen eine Plattform bieten und sie dazu ermutigen, nicht nur theoretische Ansprüche zu stellen, sondern „kurz, knackig, klar, konkret“ zu sagen, wer was wie besser machen sollte.

Die Blog-Autor*innen hatten es dabei nicht leicht mit uns. Überall haben wir herumgestrichen, immer wollten wir noch konkretere Vorschläge – das ging manchmal an die Schmerzgrenze für eine Plattform, die auch nach Einführung eines Artikelhonorars für freie Schreiberlinge keine aufwändige Recherchearbeit bezahlen konnte. Redner*innen bei PeaceLab-Veranstaltungen wollten wir mit manchmal überambitionierten Formaten aus ihren Komfortzonen locken und haben dabei zuweilen auch ein bisschen gezerrt. Diskussionsgäste und Autor*innen haben sich darauf eingelassen und uns manch anerkennende Rückmeldung zukommen lassen, für die wir sehr dankbar sind.

Es bleiben sicher einige blinde Flecken: Gern hätten wir mehr aus der entwicklungspolitischen, militärischen und polizeilichen Praxis gelesen. Die vielen Forderungen nach „mehr Strategie“, „mehr Kohärenz“ oder „Ressortgemeinsamkeit“ und „mehr Einbezug von Perspektiven Betroffener in Krisengebieten“ haben uns nur neugieriger gemacht dafür, was das konkret für das Handeln der Bundesregierung, deutscher NGOs oder der internationalen Gemeinschaft bedeutet: Wie sollte die gemeinsame Strategie für Tigray aussehen? Was sollen die Ressorts dazu beitragen, auf welche Betroffenen sollen sie hören und wie mit ihren Konflikten umgehen? Auch unsere eigenen Beiträge konnten unserem bewusst hohen Anspruch an Praxisrelevanz nicht immer entsprechen und dadurch vielleicht auch nicht immer genügend Mehrwert für die Administration stiften, damit sich die wöchentliche systematische Auswertung aller (!) Beiträge, wie sie in der Startphase aus mindestens einem Ministerium überliefert ist, dauerhaft gelohnt hätte.

Welchen Beitrag diese ersten fünf Jahre PeaceLab dazu geleistet haben, Friedens- und Sicherheitspolitik weiterzudenken, können wir aus der Binnensicht des Projektteams nicht abschließend bewerten. Uns hat es Spaß gemacht, mit Ihnen allen gemeinsam dicke Bretter zu bohren. Wir freuen uns darauf, das auch weiterhin zu tun und aus anderer Perspektive hoffentlich auch die nächste Phase der PeaceLab-Community zu verfolgen.

Danke für alles!

Sarah Bressan

Sarah Bressan ist Research Fellow am Global Public Policy Institute (GPPi) und leitet seit 2020 das Redaktionsteam des PeaceLab-Blogs. @bressansar

Julia Friedrich

Julia Friedrich ist Research Associate am Global Public Policy Institute (GPPi) in Berlin. @ja_friedrich

Philipp Rotmann

Philipp Rotmann ist Associate Director am Global Public Policy Institute (GPPi). @PhilippRotmann

Sofie Lilli Stoffel

Sofie Lilli Stoffel ist Research Assistant am Global Public Policy Institute (GPPi). @sofie_lilli

Marie Wagner

Marie Wagner ist Research Associate am Global Public Policy Institute (GPPi). @MarieWgn